Copa America-Gastgeber: Bolsonaros Brasilien springt sturer CONMEBOL zur Seite

SID
Lionel Messi wird die Copa America nicht in seinem Heimatland Argentinien spielen.
© getty

Südamerikas Fußball-Konföderation CONMEBOL entzieht erst Kolumbien wegen Bürgerunruhen und nun Argentinien wegen des Corona-Notstands die Copa-America-Turnier. Ausgerechnet das pandemiegeplagte Brasilien springt ein.

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Die Gründe waren andere, die Abläufe die gleichen: Weil sich die Regierung Argentiniens um ein klares Ja zur Copa America drückte, riss Südamerikas Fußball-Konföderation CONMEBOL einmal mehr der Geduldsfaden. Am späten Sonntagabend entzog der in Paraguay ansässige Verband dem verbliebenen Co-Gastgeber humorlos per Twitter die Ausrichterrolle.

Exakt zehn Tage zuvor hatte die von blutigen Protesten daheim in die Enge gedrängte Regierung Kolumbiens versucht, die kontinentale Dachorganisation wenigstens zu einer Verlegung auf das Jahresende zu bewegen. Auch die Cafeteros bekamen nüchtern in einem formalen Kommunique die Rote Karte.

Das Risiko eines kompletten Ausfalls des ältesten Nationenwettbewerbs (13. Juni bis 11. Juli) schien allerdings nur wenige Stunden lang hoch. Schon am Montagvormittag eilte Brasilien unter seinem rechtspopulistischen Präsidenten und Corona-Verharmloser Javier Bolsonaro dem CONMEBOL zur Hilfe und übernahm kurzerhand die alleinige Ausrichterrolle. So kurzfristig, dass Details wie Spielorte und Anstoßzeiten erst für den weiteren Tagesverlauf angekündigt wurden.

Das Manöver ist mindestens zweifelhaft. Denn Brasilien, 2019 Gastgeber und Gewinner der bislang letzten Copa-Auflage, kämpft womöglich noch stärker mit dem Corona-Virus als Argentinien. Das Land am Zuckerhut gilt als einer der am schwersten von der Pandemie betroffenen Staaten auf der Welt. Mit bisher schon über 460.000 Todesfällen durch das Virus weist Brasilien die weltweit zweithöchste Corona-Sterberate auf.

Copa America: Auch Chile und Paraguay waren im Gespräch

Auch Chile war zuvor als möglicher Ersatz genannt worden. Der Copa-Gastgeber von 2015 hat auf dem Kontinent die Pandemie am besten im Griff. Auch Paraguay, als CONMEBOL-Sitz bestmöglicher Impfort für die vom chinesischen Labor Sinovac an den Verband gespendeten 50.000 Vakzin-Ampullen, wird war im Gespräch.

Das Chaos hat natürlich finanzielle Gründe. Es geht um Millionen von US-Dollar aus Fernsehgeldern und Sponsorenverträgen. Zudem wollte keiner die Verantwortung für die Entschädigungen der Marketingpartner übernehmen. Schon Kolumbien spielte auf Zeit und Argentiniens Regierung auch.

Nur kurz vor der CONMEBOL-Mitteilung hatte Argentiniens Innenminister Wado de Pedro nach einem Treffen mit Staatspräsident Alberto Fernandez in einem Interview mit dem TV-Sender C5N orakelt: "Aus sanitärer Sicht erachten wir es für schwierig, dass in Argentinien gespielt wird." Ebenso nebulös äußerte sich zuvor Gesundheitsministerin Carla Vizzotti: "Es ist noch nicht zu 100 Prozent definiert."

Den Schwarzen Peter schnappte sich dann demonstrativ die CONMEBOL, für die eine Absage trotz der kritischen Pandemie-Lage auf dem Kontinent immer noch nicht infrage gekommen war. Durch Brasiliens Hilfestellung darf der Verband seine Schäfchen vorerst ins Trockene gebracht wähnen.

Ursprünglich sollte das Event im letzten Jahr stattfinden, war aber wegen Corona wie die EM verschoben worden. Auf Wunsch des Weltverbandes FIFA und zum Wohlwollen der abstellenden europäischen Klubs ist geplant, die Südamerika-Meisterschaft nun immer parallel zum europäischen Pendant laufen zu lassen. Aber nach der Copa America 2019 in Brasilien hätte man damit besser 2024 angefangen. Die Aussicht auf saftigen Profit überstieg allerdings die Vernunft.

Verband verspricht "sichere Copa"

Verbandspräsident Alejandro Dominguez hält allzu gern das Heft des Handels in der Hand. Als der 49-jährige Paraguayer vor gut einem Monat die riesigen Kisten mit den geschenkten Impfstoffen in Empfang nahm, versprach er "eine sichere Copa". Am gleichen Tag revoltierte in Kolumbien das Volk gegen die Regierung und meldete Argentinien schon damals bei den Coronazahlen immer neue Negativrekorde.

Nun verkommt gar die Hilfsaktion des Copa-Sponsors aus China zum PR-Gag. "Es gibt eine Prioritätsreihenfolge", sagte Perus Trainer Ricardo Gareca, der mit seinen Spielern warten will, bis man im Andenstaat an der Reihe sei.

In Argentinien ist CoronaVac noch gar nicht zugelassen, in Brasilien müssen die der Selecao zustehenden 5000 Ampullen ans nationale Gesundheitssystem weitergegeben werden.

Der Ball rollt dennoch. Am Donnerstag und Freitag stehen Eliminatorias-Partien zur WM-Endrunde 2022 in Katar an, mit Fortsetzung am darauffolgenden Dienstag. Nur weitere fünf Tage später beginnt die Copa - nun in Brasilien.

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