FC Nitra und der Einstieg einer deutschen Investorengruppe: Nicht zum Angeln gekommen

Der FC Nitra verstärkte sich in der Winterpause mit etlichen ehemals in Deutschland aktiven Spielern: unter anderem mit Sinan Kurt (ehemals FC Bayern München) und Ramzi Ferjani (ehemals Borussia Dortmund).
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Peter Hammer und seine "verrückte Idee"

Nitra ist aktuell Siebter der Zwölferliga, in der sich nach dem Grunddurchgang die ersten sechs Klubs um den Titel sowie die europäischen Startplätze und die letzten sechs um den Klassenerhalt duellieren. Der Rückstand auf die obere Hälfte beträgt bei einem Spiel weniger und noch fünf auszutragenden Begegnungen drei Punkte. Zum Auftakt der Frühjahrsrunde steigt am Samstag das Nachholspiel gegen den FK Pohronie. Das kurzfristige Ziel ist der Klassenerhalt, sagt Hammer: "In den nächsten Jahren wollen wir aber versuchen, uns vielleicht mal für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren."

Damit soll die in der Region zweifellos vorhandene Fußball-Begeisterung neu entfacht werden. Trotz des malerischen Ambientes lag der Zuschauerschnitt im über 11.000 Fans fassenden Stadion pod Zoborom in den vergangenen Jahren meist bei nur etwa 2000. "Wir möchten das Stadion nach Corona voll bekommen", sagt Hammer und hat auch schon Ideen, wie das zu bewerkstelligen wäre: Das Mindestalter für Freikarten will er von sechs auf zwölf Jahre anheben, den ohnehin schon erschwinglichen Ticketpreis von 5 Euro auf 2,50 oder 3 Euro senken.

Große Einnahmen gibt es in der Slowakei weder beim Ticketing, noch bei der TV-Vermarktung zu generieren. "Pro Jahr bekommt ein Klub 85.000 Euro Fernsehgeld", klagt Hammer. "Nicht pro Woche, nicht pro Monat. Pro Jahr!" Nitras Jahresetat soll künftig inklusive der Akademie bei rund 1,5 Millionen Euro liegen, in Deutschland würde das für einen gehobenen Regionalligisten reichen.

"Bei der Finanzierung musst du verrückte Ideen einbringen", erklärt Hammer. "Eine verrückte Idee haben wir auch schon, aber die werde ich erst verkünden, wenn wir sie zu Ende gesponnen haben." Abgesehen vom Spinnen verrückter Ideen heißt es: Talente entwickeln und verkaufen, Talente entwickeln und verkaufen. Nach Ansicht Hammers und der Investorengruppe sollen diese Talente vorrangig aus Deutschland sowie der eigenen Akademie kommen - und voneinander profitieren.

Sinan Kurt bei der Unterschrift mit Sportdirektor Henrich Bencik, der seit 14. Januar im Amt ist. Er stammt aus der Jugend von Nitra und spielte später unter anderem für Ahlen, Saarbrücken, Freiburg, den FSV Frankfurt, Osnabrück und Burghausen.
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Sinan Kurt bei der Unterschrift mit Sportdirektor Henrich Bencik, der seit 14. Januar im Amt ist. Er stammt aus der Jugend von Nitra und spielte später unter anderem für Ahlen, Saarbrücken, Freiburg, den FSV Frankfurt, Osnabrück und Burghausen.

Sinan Kurt statt "Möchtegern-Superstars"

"In der Slowakei gibt es ganz, ganz viele herausragende Talente, die wegen eines fehlenden Konkurrenzkampfes aber viel zu selten den Sprung in eine international gute Liga schaffen", erklärt Hammer. "Die Deutschen bringen eine andere Mentalität mit. Uns war es wichtig, dass wir nicht irgendwelche Möchtegern-Superstars verpflichten, die denken, sie können jetzt ein lockeres Jahr in der Slowakei verbringen. Wir möchten, dass die Deutschen die Trainingsqualität verbessern und der Kader dadurch eine andere Mentalität bekommt."

Genau als ein solcher Möchtegern-Superstar gilt aber Neuzugang Sinan Kurt, zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung: Nach einem Streit mit seinem Jugendklub Borussia Mönchengladbach zum FC Bayern gewechselt, dort mit einem Hubschrauberflug von Cannes nach St. Tropez für Aufsehen gesorgt, nach 44 Profiminuten weitergereicht, zuletzt in der Regionalliga beim SV Straelen unter Vertrag. Schnell hatte Kurt sein Image weg, doch Hammer kann das nicht nachvollziehen. Er habe den 24-Jährigen als "super umgänglich und sehr intelligent" erlebt: "Ein ganz toller Mensch."

Einig über einen Wechsel nach Nitra waren sich die beiden schon seit Sommer - dann galt es nur mehr zu warten, bis sich Hammer auch mit dem Klub einig war. Wie Kurt spielten die meisten der neun Neuzugänge aus Deutschland zuletzt auf Regionalliga-Niveau. Oder waren vereinslos wie beispielsweise Yanni Regäsel, der nach einer 18-monatigen Klubsuche in Nitra landete. "Ums Geld ging es mir wirklich nicht. Darauf habe ich jetzt nicht geachtet. Da verdient wohl ein Drittligaspieler in Deutschland besser. Ich will Spiele machen, wieder in den Rhythmus kommen, richtig angreifen", sagte Regäsel der Berliner Zeitung. "Vielleicht komme ich dann ja irgendwann nach Deutschland zurück."

Damit umriss Regäsel ziemlich genau die Pläne der Investorengruppe. "Wir wollen im Schnitt fünf, sechs jungen deutschen Spielern mit Potenzial eine Bühne in einer ersten Liga geben, um sie dann vielleicht später weiterzuverkaufen", sagt Hammer, der von einem bisher sehr respektvollen Miteinander zwischen den Deutschen und den Slowaken berichtet.

Ehemals in Deutschland, seit diesem Winter in Nitra

AlterPositionEx-Klubs in Deutschland
Ramzi Ferjani19Innenverteidigung1. FC Kaiserslautern, Borussia Dortmund
Ekin Celebi20linke Verteidigung1. FC Nürnberg
Yanni Regäsel25rechte VerteidigungHertha BSC, Eintracht Frankfurt, MSV Duisburg
Ole Käuper24zentrales MittelfeldWerder Bremen, Erzgebirge Aue, Carl Zeiss Jena
Eroll Zejnullahu26zentrales MittelfeldUnion Berlin, SV Sandhausen, Carl Zeiss Jena
Benjamin Kindsvater27linker FlügelWacker Burghausen, TSV 1860 München
Oliver Bias19rechter FlügelErzgebirge Aue, RB Leipzig, Optik Rathenow
Sinan Kurt24SturmBorussia Mönchengladbach, FC Bayern, Hertha BSC, SV Straelen
Kilian Pagliuca24SturmHallescher FC, Carl Zeiss Jena

FC Nitra: Trainerentlassung nach 18 Tagen

Nicht entgegengebracht hat den nötigen Respekt dagegen der am 4. Januar unter Hammer installierte tschechische Trainer Michal Scasny (42). Nach sechs verschiedenen Trainern im Kalenderjahr 2020 sollte er eigentlich für Kontinuität sorgen, wurde aber bereits 18 Tagen nach seiner Einstellung aus mehreren Gründen wieder entlassen.

"Er hat ein Interview gegeben, in dem er manche Spieler persönlich angegriffen hat. Über einen hat er gesagt, dass er zu dick ist, über einen anderen, dass er keine Qualität hat. Das geht gar nicht. Außerdem hat er unsere Philosophie nicht mitgetragen. Er hätte am liebsten 35-Jährige aus Lettland oder 34-Jährige aus Ghana geholt", klagt Hammer. "Da mussten wir natürlich reagieren und ihn entlassen."

Scasnys Nachfolger wurde Peter Lerant (44), der einst zwei Jahre lang für die Reserve von Bayer 04 Leverkusen, später auch in der Schweiz und Österreich spielte und daher über die in der aktuellen Situation wohl wichtigste Fähigkeit verfügt: Lerant spricht deutsch. Genau wie der neue Sportdirektor Henrich Bencik (42) übrigens, der Nitras Jugend entstammt und insgesamt zehn Jahre in Deutschland tätig war. Als Vorstand Finanzen kam Hammers Bekannter Nik Schwarz. Die Verbindungen in ihr Heimatland sollen künftig noch weiter intensiviert werden.

FC Nitra plant Kooperationen mit zwei Bundesligisten

"Wir planen Kooperationen mit Akademien von zwei Bundesligisten, deren Namen ich aber noch nicht nennen kann. Nach den Transfers der letzten Wochen wird das einer der nächsten Schritte sein", erklärt Hammer. Geplant sei ein Spieler- und Trainer-Austausch zur gegenseitigen Befruchtung. Der aufgrund von Hammers Vergangenheit wohl naheliegendste mögliche Kooperations-Klub Nürnberg dementierte etwaige Gespräche auf Anfrage von SPOX und Goal.

Zu erreichen wäre Hammer für Gespräche eigentlich rund um die Uhr. "Ganz, ganz wenig" schlafe er aktuell nach eigener Auskunft. Rund 50 bis 60 Stunden gingen wöchentlich für seinen Hauptberuf im Autohaus drauf, 40 Stunden waren es im Januar pro Woche für seine Tätigkeit bei Nitra. Und dazu kommt noch die ständige Pendelei zwischen Röthenbach und der Slowakei: Mit dem Auto dauert die Strecke immerhin knapp sieben Stunden.

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