Hannes Wolf vom KRC Genk im Interview: "In Genk habe ich die Journalisten schon im Wald gesucht"

Hannes Wolf ist seit November 2019 Trainer des KRC Genk in Belgien.
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Sie hatten ein großes Vertrauensverhältnis zum ehemaligen Präsidenten Wolfgang Dietrich, der von den VfB-Fans über Monate hinweg scharf angefeindet wurde. Wie haben Sie das erlebt?

Wolf: Es hatte bei ihm unter anderem mit seiner Vorgeschichte beim Bahnprojekt Stuttgart 21 zu tun, mit Sicherheit auch mit dem Abgang von Jan Schindelmeiser und später von mir. Ich persönlich habe mich mit Wolfgang immer gut verstanden und mag ihn sehr, daher tat er mir auch leid. Wie das dann alles genau weiterging, möchte ich nicht beurteilen, da ich nicht mehr nah genug dabei war.

Ende Januar 2018 war Ihr Aus beim VfB besiegelt, doch nur wenige Monate später hätten Sie als Co-Trainer bei den BVB-Profis unter Lucien Favre arbeiten können. Weshalb haben Sie abgesagt?

Wolf: Ich habe echt richtig überlegt, war mir aber einfach nicht hundertprozentig sicher. Damals stand fest, dass Edin Terzic dabei sein würde, der ein sehr guter Freund von mir ist und früher auch mein Co-Trainer war. Es war jedoch lange nicht klar, wen Lucien Favre mitbringen würde. Als das feststand, hatte ich am Ende ein Problem damit, einer von drei Co-Trainern unterschiedlicher Herkunft zu sein. Ich glaubte nicht, dass ich dem BVB in dieser Konstellation hätte helfen können. Die Rolle des Co-Trainers hat unglaublich viel mit Vertrauen, aber auch damit zu tun, einfach mal nichts zu sagen und Entscheidungen zu akzeptieren. Ich war zu diesem Zeitpunkt Deutschlands Trainer des Jahres und hatte die Zuversicht, dass ich auch noch andere gute Angebote bekommen werde.

Im Oktober 2018 sagten Sie beim erstmals in der Vereinsgeschichte in der 2. Liga spielenden HSV zu. Wieso hatte Sie der Verein nach all den Fehlentwicklungen der Vorjahre nicht abgeschreckt?

Wolf: Ich hatte Lust auf das Abenteuer und kannte Sportdirektor Ralf Becker gut. Es war ja eine ganz ähnliche Aufgabe wie beim VfB und dort hatten wir sie gemeistert. Wir hatten Lust, das mit diesem Kader und einer jungen Mannschaft anzugehen und es uns auch zugetraut. Leider sind ein paar Sachen zusammengekommen, die uns den Weg dorthin erschwert haben.

Der Start gelang noch, zum Winter stand die Herbstmeisterschaft. In der Rückrundentabelle belegte man mit 19 Punkten jedoch nur den 15. Platz. Was waren die Gründe, weshalb der direkte Wiederaufstieg verpasst wurde?

Wolf: Der gute Start und Rang eins in der Winterpause haben im Nachhinein gesehen den Blick getrübt. Wir hätten angesichts der jungen Mannschaft zwei, drei Transfers tätigen müssen, da die Verletzungen von Hee-Chan Hwang und Aaron Hunt unserer Offensivkraft sehr geschadet haben. Es haben wenige Bausteine gereicht, um das gesamte System ins Wanken zu bringen. Mit der Zeit sind zudem unterschiedliche Themen aufgekommen: Normalerweise arbeite ich beispielsweise immer mit einem Sportpsychologen zusammen. Ich wollte aber keinen mir Unbekannten im Winter hinzuholen, sondern bis Sommer damit warten. Als dann aber der Druck anstieg und es Probleme gab, konnten wir nicht auf diese Art von Troubleshooter zurückgreifen.

Welche Fehler kreiden Sie sich persönlich an?

Wolf: Wir hätten noch konsequenter auf die Winter-Transfers pochen müssen, auch wenn das mit wenig Geld in diesem Transferfenster keine leichte Aufgabe gewesen wäre. Stattdessen sind wir noch jünger geworden, weil wir Spieler aus der U23 dazugenommen haben. Oder auch diese strukturellen Dinge: In Genk arbeiten wir nicht nur mit einem Sportpsychologen, sondern auch mit einem Osteopathen und einem Mentaltrainer zusammen, die für das Energiesystem und den Kopf der Spieler verantwortlich sind. Diese Instanzen gab es in Hamburg nicht. Das würde ich heute anders machen.

Wie haben Sie die als speziell geltende Hamburger Medienlandschaft wahrgenommen?

Wolf: Ich lese grundsätzlich sehr wenig über mich. In Hamburg habe ich das gleich gar nicht getan, weil es keinen Sinn ergibt. Ich habe mich vom Verein jederzeit geschützt gefühlt. Jetzt in Genk habe ich die Journalisten schon im Wald gesucht, weil ich das aus Hamburg so gewohnt war. (lacht) Dort saßen sie während des Trainings hinter den Zäunen und schnitten zur Not noch ein Loch hinein, um über deine Umstellungen berichten zu können.

Derzeit arbeitet beim HSV die nächste neue personelle Konstellation am Projekt Aufstieg. Es kam jedoch erneut zu Querelen in der Führungsetage, Vorstandsboss Bernd Hoffmann musste gehen. Hat Sie das gewundert?

Wolf: Dass beim HSV in Zeiten von Corona die Revolution stattfindet, während die Welt Kopf steht, ist schon erstaunlich. Was dort passierte, ist nicht schön. Ich bin immer gut mit Bernd zurechtgekommen, er ist ein echter Fachmann.

16 Monate Stuttgart, sieben Monate Hamburg - die Amtszeiten von Trainern überschreiten nur noch selten zwei Jahre. Wie blicken Sie nach Ihren gemachten Erfahrungen darauf?

Wolf: Ich habe nach Hamburg bei Christian Streich hospitiert, weil mich die Besonderheit Freiburg total interessiert. Wie sie dort die sportlichen Täler aushalten, ist wirklich bemerkenswert. Denn was passiert, ist ja: Wenn du ein paar Wochen hast, die nicht gut laufen - und das geschieht selbst beim FC Bayern und dem BVB -, dann wird das Vertrauen entzogen. Nach dem Motto: Der Trainer muss ja Fehler machen, das kann gar nicht anders sein. Freiburgs Weg ist in meinen Augen der richtige, aber in ganz vielen Vereinen ganz schwer umzusetzen.

Woran liegt das?

Wolf: Das Bild des Trainers ist einfach falsch. Im Fußball liegen Gewinnen und Verlieren so eng beisammen und es ist sehr komplex, wie ein Ergebnis zustande kommt. Stattdessen wird immer davon ausgegangen, dass der Trainer Fehler gemacht haben muss, wenn seine Mannschaft verliert. Das geht jedoch an der Realität vorbei und ist wiederum der Grund dafür, weshalb während sportlicher Täler die Autorität des Trainers auf Dauer untergraben wird. Selbst wenn du dich als Trainer nicht veränderst, verändern sich die Menschen in deinem Umfeld und im Verein. Das ist ein großes Problem. Würde Jürgen Klopp in Liverpool verlieren, käme niemand auf die Idee zu sagen, er habe einen Fehler gemacht. Doch wie viele Trainer in dieser Position gibt es noch auf der Welt?

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