Federico Macheda: Senkrechtstarter in Manchester, versunken im Niemandsland, zweiter Frühling in Athen

Von Oliver Maywurm
Federico Macheda machte bei Manchester United auf sich aufmerksam.
© imago images

Einst bei Manchester United als großes Versprechen inszeniert, stagnierte der Aufstieg von Federico Macheda früh. In Athen hat der Italiener nun aber sein Glück gefunden.

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Darren Fletcher riss ihn zu Boden, Danny Welbeck war der nächste Gratulant. Ryan Giggs und Michael Carrick kamen freudetaumelnd hinzu, warfen sich auf die Jubeltraube. Ganz unten lag einer, der gerade einmal 17 Jahre, sieben Monate und 14 Tage auf seinem blutjungen Buckel hatte. Einer, dem die Tür hin zu einem der großen Stars des Weltfußballs offen zu stehen schien. Federico Macheda war sein Name.

An jenem 5. April 2009 ging der Stern des Italieners auf, der daraufhin so schonungslos verglühen sollte. Giggs hatte ihn bedient, durch eine sehenswerte Drehung mit dem ersten Kontakt verschaffte sich Macheda im Strafraum Platz, zog aus der Drehung ab. Der Ball schlug ein, rauschte unhaltbar ins lange Eck. Old Trafford tobte. Denn es war nicht irgendein Tor, das dem No-Name-Debütanten aus der Akademie von Manchester United da gelungen war.

Es war der Siegtreffer, das Tor zum 3:2-Endstand gegen Aston Villa. Einen bedeutenden Schritt auf dem Weg zum späteren Meistertitel hatte Macheda sich und seinen neuen Kollegen, den Stars, die er zuvor vornehmlich aus dem Fernsehen kannte, damit beschert. Denn bei einem Remis wären die Red Devils zunächst wieder hinter Verfolger Liverpool zurückgefallen.

Macheda war nach seinem schön anzuschauenden Treffer jedenfalls in aller Munde. Wer ist dieser 17-jährige, bullige, aber technisch dennoch beschlagene Junge, der sich anschickt, ein Großer zu werden? Ein hohes Maß an Aufmerksamkeit, das dem Teenager allerdings nicht gut tat. Im Gegenteil: Er lehnte sich zurück, dachte, er habe es schon geschafft.

Federico Macheda: Der Hype kannte keine Grenzen

Vor allem, nachdem er nur sechs Tage später auch bei seinem zweiten Einsatz für die Profis netzte. Diesmal gegen Sunderland, wieder war es das Siegtor. Der Hype kannte spätestens jetzt keine Grenzen mehr. Womöglich zu viel für Macheda. So erklärte er etwa im März 2016 in Zusammenhang mit Marcus Rashfords kometenhaftem Start bei United vielsagend: "Marcus muss weiterhin hart arbeiten, ihm darf das alles nicht zu Kopf steigen, er darf nicht zu viel von dem Hype lesen oder mitbekommen. Und er muss Glück mit Verletzungen haben."

Macheda jedenfalls hatte die beste Woche seines Fußballer-Lebens in Manchester nach dem Spiel gegen Sunderland bereits hinter sich. Obwohl er allenthalben gefördert wurde, schon als 17-Jähriger für Italiens U21-Nationalmannschaft debütierte, schaffte der Mittelstürmer den Durchbruch bei United nie.

Bis Anfang 2011 hatten Sir Alex Ferguson und Co. uneingeschränkte Geduld, ehe Macheda erstmals verliehen wurde. Doch weder bei Sampdoria Genua noch später bei den Queens Park Rangers oder dem VfB Stuttgart konnte er sich zurück ins Blickfeld spielen. Von Januar bis Juni 2013 wurde er im Schwabenland geparkt.

Stuttgarts damaliger Trainer Bruno Labbadia bescheinigte ihm "hohe Qualität, Schnelligkeit sowie einen guten Abschluss links und rechts", verhalf ihm immerhin zu 14 mehr oder weniger kurzen Einsätzen in der Bundesliga. Leistung brachte Macheda aber nie, kehrte zurück nach Manchester - um weiter verliehen zu werden.

Federico Macheda im Steckbrief

geboren22. August 1991 in Rom
Größe1,84 m
Gewicht70 kg
PositionMittelstürmer
starker Fußrechts
StationenLazio Jugend, Manchester United Jugend, Manchester United, Sampdoria, QPR, VfB Stuttgart, Doncaster, Birmingham, Cardiff, Nottingham, Novara Calcio, Panathinaikos
Spiele/Tore für Athen49/22

Fergusons Ära war seinerzeit, im Sommer 2013, gerade zu Ende. Und damit ging auch für Macheda das letzte Fünkchen Hoffnung auf eine echte Zukunft bei United zu Bruch. Denn die schottische Trainer-Legende gab den Glauben an Macheda, dem er zum Sprung zu den Profis verhalf, den er ins kalte Wasser warf, erst verhältnismäßig spät auf. "Macheda hat einen Instinkt im Strafraum. Ich denke, viele Stürmer müssen sich das antrainieren - aber er hat diesen natürlichen Instinkt. Er weiß, wie er sich gut bewegt, und er ist erst 18", lobte Ferguson Macheda 2010.

Der Coach hielt unglaublich große Stücke auf seine Entdeckung. Nicht umsonst hatte er Macheda 2007 mit einem lukrativen Vertrag aus der Jugend von Lazio Rom in den Nachwuchs Uniteds gelockt. Seinerzeit erst 16 Jahre alt, hatten die Laziali das Problem, dass sie das Mega-Talent noch nicht mit einem Profi-Vertrag ausstatten durften. United versprach ihm genau das - und stach die Römer damit aus. "Lazio-Präsident Claudio Lotito bestellte uns in sein Büro", erzählte Machedas Vater Pasquale einst. "Er versprach uns einen großartigen Kontrakt bei Lazios U20-Team, sobald Federico 18 Jahre alt werden würde. Aber wir mussten Nein sagen."

Federico Macheda: Lazios Juwel, das nach Manchester ging

Federico sollte unbedingt nach England, die Chance, bei United früh gutes Geld zu verdienen, groß rauszukommen, nicht verstreichen lassen. Verwunderlich, da er noch heute weiterhin Lazio-Fan ist, den Klub aus der italienischen Hauptstadt liebt und verehrt. Der Ruf aus Manchester war allerdings zu verlockend.

Auf der Insel, seine Eltern und seinen jüngeren Bruder Simone, die mit ihm nach England umzogen, stets um sich herum, machte Macheda schnell von sich reden. Erst in den Nachwuchsteams, dann in der seinerzeit vom heutigen United-Coach Ole Gunnar Solskjaer trainierten Reserve-Mannschaft. Im März 2009, kurz vor seiner Premiere beim A-Team, traf er für die Reserve gegen Newcastle dreifach. Ferguson bekam davon natürlich Wind - und beförderte den Youngster.

Müßig, darüber zu diskutieren, ob es Macheda bei Lazio, im gewohnten Umfeld, langfristig weiter gebracht hätte. Bei United war der Ruhm nur von sehr kurzer Dauer. Insgesamt absolvierte er lediglich 19 Premier-League-Spiele für die Red Devils, im Mai 2013 absolvierte er für Stuttgart seine für mehr als fünf Jahre letzte Partie in der ersten Liga eines Landes.

2014 war Machedas Zeit in Manchester indes endgültig beendet, ablösefrei ging er zu Cardiff City. In seiner ersten Saison dort lief es noch ordentlich, erzielte er immerhin sechs Tore in 21 Zweitliga-Spielen. Die Spielzeit 2015/16 verkam aber zum Fiasko. Von Verletzungen geplagt, spielte Macheda kaum, wurde kurzzeitig an Nottingham Forest verliehen. Und auch wenn er fit war, hatte Trainer Russell Slade auch kein Vertrauen in den mittlerweile 25-Jährigen. Wieder hatte ein Förderer den Glauben an Macheda verloren.

Die Folge: Obwohl er in Cardiff noch ein Jahr Vertrag hatte, wurde jener im August 2016 in gegenseitigem Einvernehmen aufgelöst. Über mehrere Monate hinweg stand Macheda fortan ohne Verein da. Er, von dem man einst dachte, er würde früher oder später zwischen den besten Klubs der Welt wählen können. Er, der schon mit 17 das Old Trafford eroberte.

Federico Macheda: Zweiter Frühling in Athen

Sogar bei Zweitligisten musste Macheda nun erst vorspielen, um die Verantwortlichen von sich zu überzeugen. Beim FC Bari machte er das zum Beispiel, doch man nahm ihn nicht. Erst Ende 2016 erhielt er wieder eine Anstellung, Novara Calcio gab ihm eine Chance in der Serie B. Dort lief es zunächst sehr gut, sieben Tore gelangen Macheda in seinem ersten Halbjahr in Novara. Und auch wenn er in der zweiten Saison kaum noch traf und sein Klub am Ende in dritte Liga abstieg, hatte er es zumindest geschafft, wieder Anschluss im Profibereich zu finden.

Panathinaikos Athen probierte es mit dem einstigen Mega-Talent, holte Macheda im Sommer 2018 ablösefrei nach Griechenland. Ein Glücksfall, wie sich herausstellen sollte. Denn Panathinaikos und Macheda - das scheint einfach zu passen: Zehn Tore markierte er in seiner ersten Saison in der griechischen Liga.

Und in der laufenden Spielzeit, die auch in Griechenland wegen der Corona-Pandemie derzeit unterbrochen ist, steht der mittlerweile 28-Jährige schon bei 13 Treffern und drei Assists in 27 Pflichtspielen. Dass Panathinaikos nach zuvor zwei sehr enttäuschenden Jahren zumindest wieder zurück in den Top-4 des Landes ist, liegt zu einem großen Teil auch an Macheda.

Die Karriere, die man ihm einst ob seines Blitzstarts in Manchester prophezeite, wird er zwar nicht mehr einschlagen können. Aber Macheda hat sich nach all den misslungenen Anläufen trotzdem irgendwie zurückgekämpft. Und dem gebührt noch deutlich mehr Anerkennung als seinerzeit seinem Debüt-Tor. Im April 2009, als sich Legenden wie Ryan Giggs mit ihm freuten.

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