Mourinho-Biograph Pereira im Interview: "Die Bundesliga fehlt noch"

Jose Mourinho ist seit dem 18. Dezember 2018 vereinslos.
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Hatte er deshalb ein gestörtes Verhältnis zu dem eher extrovertierten Paul Pogba?

Pereira: Wahrscheinlich. Wenn ein Spieler 100 Prozent gibt, hat Mourinho kein Problem mit ihm. Dann gibt es auch nichts zu kontrollieren. Wenn Mourinho aber das Gefühl hat, dass das nicht der Fall ist und der Spieler glaubt, weniger machen zu müssen, wird es schwierig. Die meisten Klubs glauben heute an die Professionalität ihrer Spieler, dass sie auf sich und ihre Ernährung achten und mitten in der Saison keinen Alkohol trinken oder auf Partys gehen. Das Beispiel Ousmane Dembele zeigt aber gut, dass es immer noch vereinzelte Spieler gibt, die sich damit schwertun. Bei Real Madrid musste früher zum Beispiel jeder Spieler um Mitternacht für einen Betreuer erreichbar sein. Solche Regeln sind heutzutage unvorstellbar. Umso wichtiger ist es für einen Trainer, jemanden zu haben, der ihn auf dem Platz vertritt.

Probleme mit Pogba: "Kein Trainer unter den Spielern"

Sie meinen einen Leader.

Pereira: Exakt. Eine Respektperson, die die Ideen des Trainers an den Rest der Mannschaft vermittelt. Einen Trainer unter den Spielern sozusagen. Den hatte Mourinho vor seiner Zeit in Manchester eigentlich immer. Zum Beispiel Xabi Alonso bei Real Madrid, Frank Lampard beim FC Chelsea oder Javier Zanetti bei Inter Mailand. Es ist immer schwierig, allein eine Gruppe von 25 Männern zu führen und zu koordinieren, gerade wenn man wie Mourinho häufiger mit seiner anspruchsvollen Art aneckt. Das können nur wenige Trainer. Ich erinnere mich noch, als Diego Simeone in seinen ersten Jahren bei Atletico Madrid fast immer Tiago aufstellte. Tiago war kein Fußballer von einem anderen Planeten, aber ein unglaublich charakterstarker Spieler, ein guter Kommunikator, der Simeones Ideen und Denkweise verinnerlichte und weitergab. Später übernahm Gabi diese Rolle, heute ist es Diego Godin. Bei Manchester sehe ich beim besten Willen keinen solchen Leader mehr. Es gibt keinen Paul Scholes, Ryan Giggs oder Rio Ferdinand mehr. Mit solchen Führungsspielern im Team hätte Mourinho es einfacher gehabt.

Wie lauten Mourinhos Pläne für die nächsten Monate? In Portugal kursieren Gerüchte, wonach sich Benfica Lissabon mit ihm beschäftige.

Pereira: Er wird nicht direkt einen Verein übernehmen. Das Wahrscheinlichste ist, dass er eine Pause bis zum Sommer einlegt, um die nötige Kraft für eine neue Herausforderung zu sammeln. Er muss sich ja nicht beeilen, sondern hat alle Zeit der Welt.

Nicht wenige behaupten, Mourinho werde keinen Topklub mehr finden.

Pereira: Das glaube ich nicht. Er ist ein sehr ambitionierter Mensch und wird nicht in der Versenkung verschwinden. Er hat noch ein langes Leben als Trainer vor sich mit vielen Herausforderungen, die ihn reizen. Er hat bisher nur in Portugal, England, Italien und Spanien trainiert. Die Bundesliga fehlt ihm zum Beispiel noch. Wenn ihn morgen Karl-Heinz Rummenigge anruft und ihm anbietet, den FC Bayern zu trainieren, würde Mourinho garantiert zusagen. Auch PSG wäre sicherlich eine reizvolle Aufgabe für ihn.

Pereira: Mourinho-Rückkehr zu Real im Sommer möglich

Aktuell sieht es aber nicht danach aus, als würde bei einem dieser Klubs in naher Zukunft der Posten des Trainers frei werden.

Pereira: Das stimmt. Für den Fall, dass er im Sommer keinen Klub findet, kann ich mir vorstellen, dass er die portugiesische Nationalmannschaft übernimmt. Das würde weniger Stress für ihn bedeuten. Er könnte sich dadurch wieder mehr seinem Privatleben widmen, das in Manchester sehr gelitten hat. Er hatte dort kein richtiges Zuhause, sondern verbrachte die meisten Nächte im Hotel oder flog extra nach London, um bei seiner Familie zu sein. Bis zum Sommer kann aber noch viel passieren. Vor allem bei Real Madrid.

Halten Sie eine Rückkehr von Mourinho zu Real für möglich?

Pereira: Ohne jeden Zweifel. Solange Florentino Perez Reals Präsident ist, besteht diese Option. Perez mag und schätzt Mourinho sehr, er hält ihn für den idealen Trainer und hätte ihn 2013 auch niemals ziehen lassen, wenn Mourinho nicht darauf bestanden hätte. Mourinho hatte auch nie Probleme mit Perez oder den Verantwortlichen. Sie sind nicht die besten Freunde der Welt, aber verstehen sich sehr gut. Die Tür für eine Rückkehr zu Real ist offen. Der Moment muss nur stimmen.

Und wenn dieser Moment bereits gekommen ist? Santiago Solari sitzt nach einem schwachen Start ins neue Jahr nicht gerade fest im Sattel.

Pereira: Da Solari im Dezember aber die Klub-Weltmeisterschaft gewonnen hat, gehe ich nicht von einer sofortigen Entlassung aus. Aber vielleicht ja im Sommer, wer weiß. Ich bin mir sicher, dass sich nach dieser Saison viel bei Real Madrid tun wird. Solari wird Mourinhos Atem in den nächsten Monaten jedenfalls spüren.

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