Pro-Contra-Diskussion: Ist die Ära von Jose Mourinho endgültig vorbei?

Von Kerry Hau und Jonas Rütten
Holte mit Manchester United zwei Titel und wurde nach dem schlechtesten Saisonstart seit 29 Jahren dennoch entlassen: Jose Mourinho.
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Warum die Ära von Mourinho nicht vorüber ist: "Kein Darth Vader des Fußballs"

Von Spox-Redakteur Kerry Hau

Die Tage von Jose Mourinho bei Manchester United sind gezählt. Zu Recht. Platz sechs in der Premier League mit 19 Punkten Rückstand auf den Erzrivalen aus Liverpool stellen selbst für einen Welttrainer mit Anspruch auf eine sündhaft teure Abfindung eine zu große Hypothek dar, um eine Fortsetzung dieser von Woche zu Woche brüchigeren Ehe zu rechtfertigen.

Zumal in der aktuellen Form auch auf internationaler Ebene wenig Hoffnung besteht, die Saison noch erfolgreich zu gestalten. Im Champions-League-Achtelfinale wartet mit Paris Saint-Germain ein heißer Titelkandidat.

Mourinho wird mir nach seinem Aus bei United aber zu sehr als Täter inszeniert. Als Darth Vader des Fußballs, der in seinem eigenen, dunklen Imperium lebt, Verschwörungstheorien aufstellt und jeden angreift, der seine Autorität in Frage stellt. Ob Spieler, Verantwortliche oder Journalisten.

Diese These mag teilweise sogar stimmen, denn mit seiner miesepetrigen, oft zu arroganten Denk- und Handlungsweise schaufelte sich Mourinho schon bei Real, Chelsea und nun auch in Manchester zum Teil sein eigenes Grab.

Diese These, so simpel und einleuchtend sie auch klingen mag, ist jedoch unvollständig. Uniteds sportliche Talfahrt lässt sich mit der Entlassung des 55-Jährigen nicht lösen.

Kader von Manchester United ist weit entfernt von Weltklasse

Mourinho war lediglich das Opfer eines planlosen Projektes, welches hauptsächlich von seiner schillernden Vergangenheit lebt. Dass Stadtrivale Manchester City, bis zur Übernahme von Scheich Mansour bin Zayed Al Nain im Jahr 2008 noch ein Nobody im internationalen Fußball, United mittlerweile in allen Belangen den Rang abgelaufen hat, ist sicherlich nicht nur Mourinhos Schuld.

Die Mannschaft ist trotz großer Namen im Kader weit entfernt von der Kategorie Weltklasse. Bis auf Towart David de Gea gibt es keinen Spieler mehr im Kader, der konstant starke Leistungen zeigt. Hier müssen sich auch der Vorstand, allen voran Geschäftsführer Ed Woodward, hinterfragen. Woodward gelingt es seit Jahren nicht mehr, Top-Stars im besten Alter vom umsatzstärksten Verein der Welt zu überzeugen.

Mourinho prognostizierte vor dem Saisonstart nicht zu Unrecht, man werde es schwer haben, mit Teams wie Liverpool oder City mitzuhalten. Die hatten im Gegensatz zu seinem Klub nämlich hohe Investitionen getätigt, um sich in der Breite zu verbessern. Woodward hingegen hatte ihm nur den Brasilianer Fred von Schachtjor Donezk, einem Spieler ohne Erfahrung in einer europäischen Spitzenliga, präsentiert. Für 59 Millionen Euro wohlgemerkt.

Sergio Ramos, Jerome Boateng, Raphael Varane, Toni Kroos, Arturo Vidal, Gareth Bale, Alvaro Morata, Antoine Griezmann - die Liste der prominenten Absagen an Woodward ist lang. Und selbst wenn sich einmal Ausnahmespieler wie Paul Pogba oder Alexis Sanchez für United entschieden, so drifteten sie schnell vom Wesentlichen ab. Sie und die meisten ihrer Kollegen erwecken den Eindruck, als würden sie den Fußball nicht wirklich als Beruf betrachten.

Nach United-Entlassung: Jose Mourinho vor Rückkehr zu Real Madrid?

Spieler, die sich lieber in teure Kleidung werfen, Luxus-Karossen auf dem Trainingsgelände präsentieren oder auf ihren Social-Media-Kanälen austoben anstatt den Fokus auf die Arbeit auf dem Rasen zu legen, mag ein Exzentriker wie Mourinho eben nicht. Soll er deshalb seine Tauglichkeit als Trainer verloren haben und nie wieder einen lukrativen Job erhalten? Nein.

Mourinho wird, wenn er es selbst denn möchte, auf das höchste Niveau zurückkehren. Florentino Perez, Präsident seines Ex-Klubs Real, soll ihn schon vor seiner Entlassung bei United mehrfach kontaktiert und um eine Rückkehr gebeten haben. "Er ist der Beste, den wir je hier hatten", sagte Perez, nachdem Mourinho 2013 infolge eines Zerwürfnisses mit einem Teil der Mannschaft aus freien Stücken zurückgetreten war. Gut möglich, dass er ein weiteres Mal bei ihm anklopft, falls Santiago Solari scheitert.

Man darf nicht vergessen: Mourinho ist mit zehn Meistertiteln in vier europäischen Ligen und zwei Champions-League-Titeln nach wie vor einer der erfolgreichsten Vereinstrainer der Welt. Hinter Sir Alex Ferguson weist er im Übrigen die beste Siegquote aller United-Trainer (58 Prozent) auf - eine bessere Quote als die von Jürgen Klopp in Liverpool (51 Prozent).

Viel entscheidender aber ist: Mourinho gewann in nicht einmal zweieinhalb Jahren in Manchester mit dem englischen Ligapokal und der Europa League zwei Titel. Klopps Vitrine in Liverpool steht noch leer.

Manchester United: Die punktbesten Trainer

TrainerAmtszeitPunkte/Spiel
Sir Alex Ferguson9.733 Tage2,07
Jose Mourinho935 Tage1,97
Sir Matt Busby8.673 Tage1,90
Ron Atkinson1.976 Tage1,81
Louis van Gaal692 Tage1,81
David Moyes295 Tage1,73

Mourinho braucht Typen und kann wieder zum "Happy One" werden

Jetzt werden viele sagen, Klopps Fußball mache mehr Spaß. Tut er auch. Klopp hat aber auch das Material dazu. Er hat feine Fußballer für viel Geld, aber auch mit viel Sachverstand und ohne eine murrende Vereinsführung verpflichtet. Vor allem hat er aber Fußballer, die für ihn auf dem Platz ihr Leben geben würden.

Solche Spieler gab es in Manchester schon vor Mourinhos Zeit nicht mehr. Louis van Gaal und David Moyes vermissten genauso wie er echte Typen wie Paul Scholes, Rio Ferdinand oder Ryan Giggs, die in ihrer Blütezeit eine ganze Mannschaft trugen.

Wozu Mourinho im Stande ist, wenn er solche Spieler hat, zeigte sich in Porto, Mailand, Madrid und London. Ganz besonders in der Saison 2011/12 bei Real, mit 100 Punkten und 121 Toren. Oder zwei Jahre später, als er nach seiner Rückkehr zu Chelsea prompt die Premier League gewann. Damals taufte er sich stolz "The Happy One".

Wenn er in Zukunft die Rolle des Darth Vader vernachlässigt, spricht nichts dagegen, dass er wieder "happy" wird.

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