Finale der Copa Libertadores – River Plate vs. Boca Juniors: Elf Blickwinkel

Die Copa Libertadores ist vergleichbar mit der UEFA Champions League.
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Wie wappnet sich Madrid gegen die drohenden Gewaltexzesse? Gemeinsam mit der CONMEBOL, der FIFA den Entscheidungsträgern der Stadt sowie der Nationalpolizei erarbeitete der spanische Verband ein komplexes und nicht sehr günstiges Sicherheitskonzept. Allein die Kosten für die nationale Polizei betragen 650.000 Euro. Dazu kommt die Gemeindepolizei, Reinigungspersonal, Katastrophenschutz und Überwachungspersonal im Stadion.

  • Das "CABA": Das Sicherheitssystem - benannt nach dem Akronym der Stadt "Ciudad Auronoma Buenos Aires. Es wird aus 2.054 nationalen Polizisten bestehen, von denen fast die Hälfte aus anderen Teilen Spaniens nach Madrid beordert werden. Darüber hinaus werden 800 Zivilschutzbeamte am Flughafen Madrid-Barajas stationiert. Dazu: 150 Stadtpolizisten, 80 Freiwillige vom Roten Kreuz und 70 vom Städtischen Rettungsdienst. Real Madrid stellt zudem 1.700 Sicherheitskräfte für das Innere des Stadions zur Verfügung. Macht insgesamt rund 5900 Sicherheits- und Hilfskräfte. Das entspricht in etwa dem doppelten Aufwand eines Duells zwischen Real und Barca.
  • Das Projekt "Tribuna Segura": Es bedeutet "sichere Tribüne". Dabei handelt es sich um ein Liste, die rund 500 Ultras mit Strafregister beinhaltet. Ihnen soll der Zugang zur Stadt verwehrt werden.
  • Quittungen für Tickets: Die Eintrittskarten für das Spiel werden direkt am Schalter durch Quittungen ausgetauscht, um die Weitergabe an "ungebetene" Gäste zu verhindern.
  • Geregelte Ankunft und Siegesfeiern: Schon jetzt stehen die Orte der möglichen Siegesfeiern fest. Gewinnt River, wird am Puerta del Sol gefeiert. Holt Boca die Copa, geht's zum Plaza de Colon (Platz des Kolumbus) - ironischerweise. Kolumbus war schließlich der Conquistador schlechthin.
  • Auch für eine sichere Anreise zum Stadion ist gesorgt. Die beiden Fanlager sollen so gut es geht bereits im Vorfeld der Partie getrennt werden, um Auseinandersetzungen auf den Straßen Madrids zu verhindern. Dafür wird Madrid im Grunde zweigeteilt. Die Boca-Fans sollen von der Calle de Raimundo Fernandez Villaverde, also aus dem Süden in Richtung Stadion marschieren. River-Fans werden vom Plaza Cuzco nördlich des Stadions starten. Soweit der Plan.
Zweigeteiltes Madrid: Der Superclasico fordert besondere Maßnahmen.
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Zweigeteiltes Madrid: Der Superclasico fordert besondere Maßnahmen.
  • Der "Sitzplan": Das Estadio Santiago de Bernabeu fasst rund 81.000 Plätze. Je 5000 Tickets dürfen die beiden Klubs an ihre Fanlager verkaufen. Sie sollen in den Kurven Platz nehmen. Die Haupttribünen dazwischen sind "neutrales Gebiet".

Wird das ausreichen? Die Frage, die CONMEBOL-Chef Alejandro Dominguez, FIFA-Boss Gianni Infantino oder RFEF-Präsident Luis Rubiales seit Tagen um den Schlaf bringt. Fakt ist: Schon jetzt gibt es kaum nachvollziehbare Ausnahmen.

Zum einen wurde Maximiliano Mazzaro am Flughafen in Madrid abgefangen und gemeinsam mit seiner Freundin und seinem Sohn in den Flieger zurück nach Argentinien gesetzt. Mazzaro ist aus dem Kreis der Ultra-Gruppierung "La Dolce" ("die Zwölf") bekannt und wurde 2013 wegen Mordes verhaftet. 2014 folgte seine Entlassung aufgrund der mangelhaften Beweislage.

Gleichzeitig durfte Rafael di Zeo, der einstige Anführer von "La Dolce" einreisen, obwohl er auf der Tribuna-Segura-Liste stand. Der Grund ist irrwitzig und stellt die toxische Verbindung zwischen Fußball und Politik heraus: Argentiniens Präsident Mauricio Macri erwirkte wohl einen richterlichen Beschluss, der di Zeo die Einreise gewährt. Macri bezeichnet di Zeo als seinen "Freund".

Losgelöst von Einzelpersonen rechnet die spanische Polizei mit falschen Tickets und Falschgeld. Auch der Weiterverkauf auf dem Schwarzmarkt ist durch das Internet schwer kontrollierbar. Aktuell werden Tickets laut spanischen Medien ab (!) 500 Euro gehandelt.

Wieso tut sich Madrid den Stress an? Bei all den Gefahren, die das Superfinal mit sich bringt, stellt sich diese Frage wie von selbst. Sie beantwortet sich jedoch auch wie von selbst. Das liebe Geld winkt. Der spanische Arbeiterverband CEIM beziffert die Einnahmen, die die riskanteste Begegnung in der Geschichte der Stadt generiert, mit 42 Millionen Euro.

Nie warf die Copa Libertadores so viel Geld ab wie in diesem Jahr. Statt 60 Millionen Zuschauern werden 350 Millionen erwartet. Der Gewinner der Copa streicht 5,2 Millionen Euro ein, doppelt so viel wie Vorjahressieger Gremio.

Aber ... gibt es überhaupt einen Gewinner? Möglicherweise nicht. Zumindest vorerst nicht. Denn: Boca klagt bis in die letzte Instanz. Die Juniors wollen die Disqualifikation von River erwirken und stützen sich dabei auf eine Entscheidung gegen sich selbst, drei Jahre zuvor. Damals hatten Boca-Fans die Spieler von River Plate mit Pfefferspray angegriffen. Die Boca-Vereinsspitze erachtet den Bus-Angriff vom 24. September als vergleichbar und fordert die Ausschließung Rivers vom Wettbewerb.

Der Antrag blitzte bereits bei der CONMEBOL ab. Auch der internationale Sportsgerichtshof CAS lehnte einen Eilantrag auf Absetzung des Rückspiels ab. Über einen möglichen letzten Antrag auf Disqualifikation Rivers will der CAS erst nach dem Endspiel entscheiden. Gewinnt also River, könnte das ein weiteres Nachspiel haben.

Die Zeit drängt: Allerdings muss langsam ein Sieger her. Schon am 18. Dezember erwartet den Gewinner der Copa Libertadores das Halbfinale der FIFA-Klubweltmeisterschaft.

Hinspiel wird zum Testspiel: Übrigens ist das Hinspiel (2:2) bedeutungslos. River muss auf seinen vermeintlichen Vorteil der beiden Auswärtstore verzichten, da das Rückspiel, das nun zum Endspiel wird, auf neutralem Boden stattfindet. Ein Vorgeschmack auf die kommende Copa Libertadores. Denn: Ab 2019 ist ein fester Austragungsort für ein Finale geplant. Die Stadt Santiago de Chile macht dann den offiziellen Anfang - nach Madrid.

Am Ende bleibt vor allem eines hängen: die Schande für den argentinischen Fußball. Meist täuschen Sportevents über Missstände hinweg, in diesem Fall überschatten Missstände andere Missstände. River-Präsident D'Onofrio sagte dazu treffend: "Argentinien hat viele Bedürfnisse. Viele Kinder gehen nicht zur Schule, mehr als 30 Prozent leben in Armut, die Gesellschaft muss sich erholen. Das Spiel ist ein Symbol, aber nicht die Realität. Argentinien braucht einen Plan für die nächsten 20 bis 30 Jahre. Das Land hat Probleme, die nichts mit Fußball zu tun haben - und der Fußball sollte uns nicht von dem ablenken, was sonst noch nötig ist."

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