Bruno: Die Geschichte eines Schwerverbrechers

Von Marc Hlusiak
Bruno nach seiner abgesessenen Haftstrafe einen neuen Verein gefunden
© getty

Bruno Fernandes das Dores de Souza galt als einer der besten Torhüter Brasiliens - bis zur Verwicklung in den Mord an einer ehemaligen Geliebten. 22 Jahre Haft lautete das Urteil. Abgesessen hat er die Gefängnisstrafe nicht, stattdessen kehrte er nach weniger als einem Drittel der Haftzeit wieder in den Profifußball zurück. Seinem neuen Klub beschert die zweite Chance direkt Probleme.

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Bruno Fernandes de Souza ist jung, talentiert, frischgebackener brasilianischer Meister und auf dem Weg, Julio Cesar im Tor der Selecao zu beerben. In seiner Heimatstadt Rio de Janeiro ist er ein Held, feiert im Jahr 2009 seinen ersten Meistertitel mit CR Flamengo und zieht daraufhin das Interesse europäischer Topklubs wie dem FC Barcelona oder dem AC Mailand auf sich. Kurzum: es läuft bestens für den 24-Jährigen.

Im Jahr 2010 ändert sich das jedoch schlagartig. Bruno wird verdächtigt, etwas mit dem Verschwinden eines jungen Foto-Models zu tun zu haben und gelangt in Untersuchungshaft. Die steile Karriere bei CR Flamengo scheint ein abruptes Ende zu nehmen.

Eliza Samudio

Rückblende: Als Teenager kommt Eliza Samudio nach Sao Paulo. Sie will sich in der Metropole am Zuckerhut einen Namen als Model machen. Zu Beginn ihrer Karriere spielt sie, um schnelles Geld zu verdienen, in mehreren Erotikfilmen mit, schafft es dadurch in elitäre Kreise, in denen sich auch viele Fußballer aufhalten.

Im Jahr 2009 soll sie auf einer Sex-Party Rios Shootingstar Bruno kennengelernt haben, mit dem sie ein Verhältnis einging. So jedenfalls schildert der Torhüter selbst die Geschichte. Zeugen des Falls beharren jedoch darauf, dass die beiden schon seit 2008 ein Paar gewesen seien.

Samudio wird in der Folge schnell schwanger - von Bruno. Im Februar 2010 gebärt sie einen Sohn und gibt ihm den Namen Bruninho. Der Fußballstar und biologische Vater erkennt die Vaterschaft jedoch nicht an. Er will keinen Unterhalt für den Jungen zahlen, greift deshalb schon während der Schwangerschaft zu drastischen Mitteln.

Zusammen mit seinen Freunden hält er Samudio mehrere Tage gefangen und zwingt sie zur Einnahme einer illegalen Substanz, die das Ungeborene Baby im Mutterleib töten soll. Samudio teilte der Polizei vor ihrem Verschwinden mit, dass Bruno ihr eine Waffe an den Kopf gehalten und gesagt habe: "Du weißt nicht wer ich bin oder zu was ich fähig bin. Ich komme aus der Favela."

Dennoch, das Kind wird im Februar 2010 geboren.

Ein verhängnisvoller Fehler

Am 4. Juni des selben Jahres begeht Samudio einen verhängnisvollen Fehler. Auf eine versöhnliche Aussprache mit Bruno hoffend, nimmt sie eine Einladung des Torhüters zum Besuch in dessen Haus in Esmaraldas an und wird anschließend von ihm und seinen Freunden verschleppt. Sie kehrt nie wieder zurück.

Kurz vorher hatte die junge Mutter einen Gerichtsbeschluss eingeholt, mit dessen Hilfe sie die Vaterschaft Brunos überprüfen und schlussendlich beweisen wollte.

Bruno, der strikt leugnet, etwas mit dem Verschwinden Samudios zu tun zu haben, äußert sich in einem Interview mit Veja zu den Vorkommnissen: "Ich bete, dass sie gefunden wird. Und wenn das geschieht, werde ich kämpfen, um für das Kind da zu sein. Denn man darf sie nicht im Stich lassen."

22 Jahre Gefängnis

Nur einen Monat später wird er von seiner Cousine verraten. Das 17-jährige Mädchen erzählt den Ermittlern einer eigens einberufenen Mordkommission, dass Eliza Samudio in Brunos Haus gelockt, in Stücke geschnitten und an dessen Rottweiler-Welpen verfüttert worden ist. Eine ungeheuerliche Tat, die weltweites Entsetzen auslöst und Bruno, seine Freunde und seine damalige Ehefrau im Jahr 2013 vor Gericht bringt.

Dort räumt Bruno ein, zwar von dem Mord gewusst zu haben, selbigen jedoch keineswegs in Auftrag gegeben oder gar selber verübt zu haben.

Am Ende spricht ihn der Richter schuldig, den Befehl für den Mord an seiner ehemaligen Freundin gegeben zu haben - 22 Jahre Gefängnis.

Aus der Zelle in die 2. Liga

24. Februar 2017: Bruno, mittlerweile 32 Jahre alt, darf das Gefängnis nach sechs Jahren und sieben Monaten (weniger als einem Drittel der verbüßten Haftstrafe) wieder verlassen. Auf Beschluss des Obersten Bundesgerichtshofes wird die Haft ausgesetzt, weil sich die Neuverhandlung über die gesetzlich festgelegten Fristen hinaus verzögert hatten.

Seine "tadellose Vergangenheit" und die Anerkennung seiner U-Haft von drei Jahren als "vorbeugende Verwahrung" wirken sich zudem strafmildernd aus.

Kurz vor der Entlassung hatte Brunos Anwalt einen Antrag auf Kürzung der Unterhaltszahlungen für Bruninho gestellt, begründet damit, dass Brunos gesamtes Vermögen während der Haft für das Kind ausgegeben wurde.

Um sein Konto wieder aufzubessern sucht Bruno den Weg zurück in den Profifußball und unterschreibt im März 2017 beim brasilianischen Zweitligisten Boa Esporte Clube einen Zweijahresvertrag.

Bruno: Gefängnis "keine Strafe"

In der breiten Öffentlichkeit werden ob der Rückkehr des verurteilten Schwerverbrechers hitzige Debatten geführt. In einer Online-Petition sprachen sich über 15.000 Menschen weltweit gegen eine Verpflichtung des Torhüters aus - ohne Erfolg.

Bruno gibt sich nach seiner Entlassung wenig reumütig. Die Zeit im Gefängnis sehe er "nicht als Strafe", sondern als "Erfahrung". "Egal wie lange ich im Gefängnis war, eine lebenslange Strafe hätte sie auch nicht wieder lebendig gemacht", wird der Freigelassene zitiert.

Und auch für seinen Anwalt sind die insgesamt knapp sieben Jahre hinter Gittern mehr als genug: "Hat er einen Fehler gemacht? Das hat er, aber er hat für seinen Fehler bezahlt, mehr bezahlt als jeder Einwohner Brasiliens hätte bezahlen müssen."

Boa Esporte plädiert für "zweite Chance"

Ganz so locker sehen das bei weitem nicht alle. "Fußballer werden als Vorbilder angesehen, aber dieses Beispiel ist für unsere Kinder absolut inakzeptabel. Wir wollen nicht, dass dieses Symbol des Todes jeden Sonntag in unseren Häusern zu sehen sein wird. Wie kann es sein, dass ein Torhüter einen Mord begeht und ihm je wieder applaudiert wird?", sagt Vana Lopes, Gründerin der Organisation We Are All Victims United.

Der Klub, dessen Homepage am Sonntag mit Informationen über Gewalt gegen Frauen gehackt worden war, verteidigte in einer offiziellen Stellungnahme seine Entscheidung und gab zu bedenken, dass man einem "Kriminellen, der freigelassen wurde", die Wiedereingliederung in die Gesellschaft gewährleisten müsse.

"Er wurde schuldig gesprochen, er hat seine Zeit abgesessen und ist jetzt frei. Er verdient eine zweite Chance", wird Präsident Rone Moraes da Costa auf Twitter zitiert.

Sponsoren ziehen sich zurück

Wie Mitspieler, Fans und Medien auf die Rückkehr Häftlings reagieren werden, bleibt abzuwarten. Eine erste Feuerprobe könnte es in drei bis vier Wochen geben, dann will Bruno, der sich auf seiner offiziellen Vorstellung "überglücklich" über die ihm gegebene Möglichkeit zeigte, fit sein.

Auf wirtschaftlicher Ebene wurde der Zweitligist schon getroffen. Vor der Präsentation des Spielers lösten mehrere Sponsoren ihre laufenden Verträge mit Boa Esporte auf - unter anderem Hauptsponsor Grupo Gois&Silva und Trikotausrüster Kanxa.

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