"Der Umgang mit mir war respektlos"

Tranquillo Barnatte absolvierte 75-A-Länderspiele für die Schweizer Nationalmannschaft
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Sehnten Sie sich manchmal die ruhigen Zeiten in Leverkusen zurück?

Barnetta: Nein, ich wusste ja schon vorher, was mich auf Schalke erwarten würde. Man darf dabei, wie gesagt, nicht die vielen positiven Aspekte vergessen. S04 hat eine riesige Fanszene, in der Veltins-Arena herrscht eine Wahnsinns-Lautstärke, auswärts sind oft 10.000 Anhänger dabei. Insgesamt kann man sagen: Der Druck, der bei Leverkusen manchmal vielleicht etwas zu wenig ist, ist bei Schalke zu hoch. (lacht)

SPOX: Wozu das Schalke-Umfeld in der Lage ist, durften Sie auch schon mal am eigenen Leib spüren, als auf Ihren Social-Media-Kanälen beim Spiel gegen Gladbach ein unglücklicher Post ohne Ihr Wissen abgesetzt wurde. Welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?

Barnetta: Ehrlich gesagt kenne ich mich mit den sozialen Medien überhaupt nicht aus. Deshalb habe ich die Betreuung dieser damals in die Hände eines Studienkollegen meines Bruders gegeben, der sich um alles gekümmert hat. Seit dem Vorfall hatten wir aber keinen Kontakt mehr, ich habe mir direkt im Anschluss professionelle Unterstützung geholt. Letztlich war es eine dumme Situation, es ist aber auch nicht so dramatisch, wie es damals gemacht wurde.

SPOX: Deutlich dramatischer hat es kürzlich Max Kruse erwischt. Wir haben Sie das aus den USA verfolgt?

Barnetta: Kruse hat mir wirklich leidgetan, das ist eine der schlimmsten Eigenschaften der Medien. Sie können dich extrem schnell hochjubeln und feiern, genauso schnell hacken sie aber auf dir rum, wenn ein Spieler Erfolg hat, der ein Stück weit anders lebt als der typische Profi. Ich bin mir sicher, dass die Medien über viele Spieler solche Geschichten kennen, sie kommen aber einfach nicht raus, solange man unter dem Radar bleibt. Wenn man ehrlich ist, hat jeder in der Jugend mal Scheiße gebaut. Dass ein so talentierter Spieler dann wegen solcher Dinge in dem Maße unter die Räder kommt, ist einfach schade.

SPOX: Welchen Anteil daran messen Sie den neuen Medien zu? Über Facebook, Whatsapp und Co. verbreitet sich heute alles binnen Minuten weltweit.

Barnetta: So wild sehe ich das nicht. Wer ein normales Leben führt, braucht davor keine Angst zu haben. Natürlich ist es einfacher geworden, einen Spieler zu fotografieren, der am Abend vor dem Spiel ein Bier trinkt. Aber das geht ja nur, wenn man auch wirklich am Abend vor dem Spiel ein Bier trinkt.

SPOX: Ist das in Amerika anders?

Barnetta: Den Fußball betreffend schon, das mediale Interesse ist hier nicht so enorm wie in Europa. Bezogen auf Football oder Baseball ist es aber absolut vergleichbar, wie man am Fall von Laremy Tunsil gesehen hat, von dem nur wenige Stunden vor dem sicheren Draft ein Video enthüllt wurde, auf dem er Marihuana konsumiert.

SPOX: Die EM werden Sie dieses Jahr auf der Couch verfolgen. Hatten Sie seit Ihrer Nichtnominierung im März vergangenen Jahres nochmal Kontakt zu Trainer Vladimir Petkovic?

Barnetta: Nein, wir haben seitdem nicht mehr miteinander gesprochen, deshalb konnte ich mich auch frühzeitig darauf einstellen, dass ich in diesem Sommer nicht in Frankreich sein werde.

SPOX: Erfuhren Sie damals wirklich in den Medien von Ihrer Nichtnominierung?

Barnetta: Ja, ich habe es in der Zeitung gelesen, gesprochen hat vorher keiner mit mir. Genau das hat mich auch so geärgert und enttäuscht. Ich bin der Letzte, der irgendwelche Ansprüche stellt, auch wenn ich damals bei Schalke Stammspieler war und in der Champions League gespielt habe. Aber ich war immer da, wenn mein Land gerufen hat, habe stets alles gegeben und mich komplett in den Dienst der Mannschaft gestellt. Deshalb war der Umgang mit mir respektlos und das habe ich auch so zum Ausdruck gebracht.

SPOX: Haben Sie seitdem an die Nationalmannschaft gedacht?

Barnetta: Nein, ich musste mir ja überhaupt keine Gedanken machen, was ich tun würde, wenn eine Einladung kommt, weil absolut sicher war, dass keine kommt. Die Nationalmannschaft ist kein Thema für mich. Ob sie irgendwann wieder eins sein kann, weiß ich nicht.

SPOX: Und wenn nach der EM doch wieder eine Nominierung kommt?

Barnetta: (lacht) Dann müsste ich gut überlegen.

SPOX: Wie abhängig wären diese Gedanken vom Trainer.

Barnetta: Das möchte ich lieber nicht kommentieren.

SPOX: Sie haben noch rund ein Jahr Vertrag in den USA. Haben Sie schon Pläne oder Gedanken für die Zeit danach?

Barnetta: Es wäre auf jeden Fall schön, nochmal zuhause in St. Gallen zu spielen. Das ist einer meiner letzten Träume und wäre sicher auch ein schöner Abschluss meiner Karriere. Aber im Fußball ist es immer schwierig, so etwas zu sagen. Angebote, Verletzungen: Man weiß nie, was passiert. Zunächst möchte ich hier erfolgreich sein und meine Zeit genießen. Dann werden wir sicher Gespräche führen und dann wird man sehen. Ich denke aber schon, irgendwann in den nächsten drei bis vier Jahren wieder in St. Gallen zu sein.

SPOX: Dort wird man Ihnen sicher nicht das Gehalt zahlen können, das Sie in der Bundesliga oder in Amerika verdienen und sicher woanders noch verdienen könnten. Nimmt man das für so eine Herzensangelegenheit in Kauf?

Barnetta: Absolut, gar keine Frage. Was ich dort verdiene - oder nicht - ist absolut nebensächlich, es ist ein Herzenswunsch, nochmal für St. Gallen zu spielen.

Inhalt: