"Beschissenste Idee des Jahrhunderts"

Von Oliver Birkner / Oliver Wittenburg / Andreas Lehner
"Ja, Lothar. Ich du bleibst Rekordnationalspieler. Nördlich der Alpen"
© getty

Junge, Junge, Junge. Was war denn an diesem Wochenende in Europa los? In Italien gibt's das absolute Spitzenspiel, aber keiner schaut es an. Für Aufsehen sorgt auf der Insel Joleon Lescott, aber nicht wegen seiner Leistung auf dem Platz. Und die Spanier? Dort gibt's Nachhilfe im Geschichtsunterricht - ganz ohne CR7.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Serie A

von Oliver Birkner

Beschissenste Idee des Spieltags: Was schauen wir denn nun bloß? Eine Debatte, die am Samstag zu reichlich Familiengezeter in Italiens Haushalten führte. Einerseits suchte das älteste Musikfestival Europas, Sanremo, seinen 66. Sieger. Parallel trafen sich allerdings Juventus und Napoli. Festival-MC Carlo Conti tüftelte seine ideale Lösung aus: "Schaut alle Sanremo live und nehmt das Spiel für nachher auf." Das klang dann doch sehr nach dem gemeinhin gefürchteten Einwurf der Partnerin: "Also ehrlich Schatz, live oder aufgezeichnet, ist doch dasselbe Spiel." Weltmeister Fabio Cannavaro machte dem Nonsens ein Ende und twitterte: "Conti, das ist die mit Abstand beschissenste Idee des Jahrhunderts!"

Live durfte man dann eine interessante Partie hoher Taktikschule bestaunen zwischen dem waschechten Toskaner Max Allegri und dem Wahl-Toskaner Maurizio Sarri. Beide trafen sich übrigens erstmals in der Saison 2003/04 in der vierten Liga beim Kick zwischen Sangiovannese und Aglianese. Hinspiel 0:0 vor 1400 Zuschauern, Rückspiel 0:0 vor 434 Besuchern. Einer davon schrie damals gen Trainerbänke: "Ihr beiden Hampelmänner versteht doch einen Scheiß von Fußball! Da kann ich ja besser trainieren." Gerüchte sind bis heute nicht bestätigt, dass es sich dabei um Louis van Gaal handelte. Wie dem auch sei, gewann Juve durch einen abgefälschten Schuss von Edelreservist Simone Zaza zwei Minuten vor dem Ende. Die allein schon bittere Niederlage schmerzte Neapel noch höllischer, als das Juventus Stadium höhnisch "O surdato 'nnamurato" anstimmte, denn damit besingen eigentlich die Neapolitaner traditionell ihre Erfolge. Und manch einer dachte sich, Sanremo zu schauen wäre vielleicht doch keine so beschissene Idee gewesen.

Busfahrer des Spieltags: Es gab viel zu erleben rund um die Partie in Turin. Belohnend wie immer verlief die gefühlt 200 Stunden lange Berichterstattung in Funk und Fernsehen. Man hatte die 90 Minuten schließlich zum Duell um die Meisterschaft hochposaunt, und die ist jetzt entschieden. Einen Punkt Rückstand kann Neapel in 13 verbleibenden Spielen unmöglich aufholen. 60 Minuten vor Anstoß erhielt der Zuschauer die brandheiße Eil-Meldung, Napoli würde mit der besten Elf antreten.

Das verwunderte. Sarri griff bei Juve tatsächlich nicht zur Rotation? Es folgte das Tribünen-Mysterium. "Da sitzen übrigens die verletzten Mandzukic und Chiellini", erklärte der Sky-Kommentator, darauf sein Co: "Und den daneben kennst du nicht?" - "Sag du's mir..." Minutenlangem nervösen Nägelbeißen folgte die landesweit ersehnte Aufklärung: "Wir haben das Geheimnis gelüftet: Es ist der Busfahrer von Juventus." Dann wurde endlich gespielt.

Und sonst? Unglaubliches ereignete sich im San Siro. Dort siegte Milan gegen Genoa und ist nach sieben ungeschlagenen Partien wirklich in die Nähe der Europapokal-Ränge gekraxelt. Hätte man kaum für möglich gehalten. Aber mit stabilen Geographie-Granaten wie Giacomo Bonaventura, Rufname Jack, im Kader dann irgendwie doch kein Wunder. Der legte kürzlich im TV unbeirrt Zeugnis seiner zweiten Leidenschaft ab. "Giacomo, wie heißt die Hauptstadt von Finnland?" - "Reykjavik?" - "Nein, das ist die von Island. Von China?" - "Shanghai." - "Nein, Peking. Von der Schweiz?" - "Hmmm, Genf." Zur Ehrenrettung muss freilich angeführt werden, dass der AC seit zwei Jahren nicht im Europapokal antritt. Hit the Road, Jack!

Inhalt: