"Bin mir oft selbst im Weg gestanden"

Von Matthias Faidt
Patrick Ebert spielte 109 Mal in der Bundesliga und erzielte dabei sieben Tore
© imago
Cookie-Einstellungen

SPOX: Wie manövrieren Sie sich durch das tägliche Verkehrschaos?

Ebert: Jeder Spartak-Spieler hat einen Fahrer. Hier steht man täglich zwei, drei Stunden im Stau, deshalb liegen immer Kissen und Bettdecke im Auto. So kann man einen Mittagsschlaf machen oder einen Film auf dem Tablet sehen.

SPOX: Wie sehr fürchten Sie denn den russischen Winter?

Ebert: Eigentlich gar nicht. In Deutschland können die Temperaturen mittlerweile ja auch sehr tief fallen und Valladolid war die kälteste Stadt Spaniens. Dazu sind wir während der härtesten Zeit gar nicht in Moskau. Die Saison endet Anfang Dezember und dann ist Pause bis März. In dieser Zeit haben wir sechs Wochen Urlaub, die Vorbereitung auf die Rückrunde findet dann in wärmeren Ländern statt.

SPOX: Wie verständigen Sie sich?

Ebert: Mit meinen Mannschaftskollegen gibt es keine Probleme, ob die nun aus Russland oder Südamerika kommen. Einige sprechen zwar Englisch, die meisten aber Russisch. Deshalb nehme ich auch Russisch-Unterricht. Ansonsten habe ich noch nicht so viele Menschen kennengelernt, da ich eben kaum privat unterwegs bin.

SPOX: Sind Politik und speziell der Ukraine-Konflikt auch ein Thema in der Mannschaftskabine?

Ebert: Ich spreche nicht gerne über Politik. Da kenne ich mich nicht gut aus und halte mich lieber raus. Das sollen die Politiker regeln.

SPOX: Dann bleiben wir beim Fußball. Nach Ihrer Verletzungspause wurden Sie zuletzt wieder kurz eingewechselt. Es geht langsam aber sicher bergauf, oder?

Ebert: Auch wenn ich den Ball nicht berührt habe, war das natürlich schön. Sechs Monate waren eine lange Zeit, zum Saisonende hatte ich mir ja schon einen Muskelfaserriss in der Hüftmuskulatur zugezogen. Jetzt kann ich endlich wieder bei den Jungs sein. Das gemeinsame Lachen und das Feiern nach Siegen, das werde ich wohl auch nach meiner Karriere am meisten vermissen.

SPOX: Wie schätzen Sie denn Ihr Standing unter dem neuen Trainer Murat Yakin ein?

Ebert: Sehr gut. Ich habe während der gesamten Vorbereitung kein Training verpasst, aber mich dann kurz vor Saisonstart wieder verletzt. Er weiß, dass ich noch Zeit brauche. Aber wenn ich hundertprozentig fit bin, wird er auf mich setzen.

SPOX: Was halten Sie vom Niveau der russischen Liga?

Ebert: In Sachen Taktik und Härte ist man dem deutschen Fußball sehr ähnlich. Hier wird aggressiver verteidigt als in Spanien, das kenne ich aus Deutschland. Es gibt ein, zwei schwächere Mannschaften, die mehr über den Kampf kommen. Doch gerade deshalb sind die Spiele immer schwierig: Wir müssen um jeden Sieg kämpfen.

SPOX: Die russische Fankultur sorgte dagegen zuletzt häufiger für Negativschlagzeilen.

Ebert: Was die Fans anderer Vereine machen, interessiert mich nicht. Die Spartak-Fans sind jedenfalls absolut überragend, die Stimmung ist unglaublich. Selbst als wir nicht so prickelnd spielten, haben sie uns immer nach vorne gepeitscht. Bei Rubin Kazan hatten wir beispielsweise 8000 Auswärtsfans dabei, das ist ja auch in Deutschland eher unüblich. Wir haben im ganzen Land über 16 Millionen Anhänger und werden wegen unserer Erfolge nicht umsonst der FC Bayern München Russlands genannt.

SPOX: Dass in Russland gutes Geld zu verdienen ist, ist bekannt. Wie wichtig war Ihnen der finanzielle Aspekt bei Ihrem Wechsel?

Ebert: Geld ist sicherlich nicht alles. Doch je älter man wird, umso mehr spielt es eine nicht unwesentliche Rolle. Ich kann nicht mehr nur an mich denken. Ich unterstütze meine Mutter, meine Oma, meine Schwester, wo ich nur kann. Deshalb will ich jetzt, da bin ich ehrlich, so viel verdienen, dass ich später das machen kann, was mir Spaß macht. Ausschlaggebend für meinen Wechsel war aber vor allen Dingen der damalige Trainer Waleri Karpin, der mich unbedingt haben wollte. Er wollte Titel gewinnen und in die Champions League - genau das wollte ich auch.

SPOX: Wie lange können Sie sich vorstellen, bei Spartak bleiben?

Ebert: Mein Vertrag läuft noch zwei Jahre. Ich will den Fans zeigen, warum ich geholt wurde. So lange ich mein ganzes Können noch nicht gezeigt habe, werde ich nicht gehen.

SPOX: Hertha ist Ihr Verein, die Fans lieben Sie. Können Sie sich eine Rückkehr vorstellen?

Ebert: In Berlin habe ich mich immer wohl gefühlt. Die Fans waren mir gegenüber immer loyal und standen auch in schwierigen Zeiten hinter mir. Das werde ich nie vergessen. Eine Rückkehr kann und will ich aber nicht planen. Wenn die Knochen mitmachen, will ich bis ich 38 spielen. Dann hätte ich jetzt noch elf Jahre Zeit (lacht).

SPOX: Gibt es schon erste Pläne für die Zeit nach der Karriere?

Ebert: Ich werde wieder in Berlin leben. Dort möchte ich jungen Spielern auf ihrem Weg in den Profibereich helfen und sie vor der Gefahr bewahren, die mich damals gepackt und vom Weg abgebracht hat. Mir liegt es am Herzen, dass die Jungs von Beginn an auf dem richtigen Weg sind und ihren Kopf nur bei Training und Spiel haben. Ablenkung lauert überall, von vielen Seiten. Ich hatte damals leider niemanden, der mir gesagt hat: Du kannst heute Abend nicht rausgehen. Ich will für die Jungs da sein, wenn sie Ratschläge brauchen und so etwas wie der große Bruder sein.

Seite 1: Ebert über falsche Freunde, abgetretene Autospiegel und Leben in Moskau

Seite 2: Ebert über die russische Fan-Kultur, das liebe Geld und Zukunftspläne