WM

"Alaba ist bald 50 Millionen wert"

Von Interview: Christoph Köckeis
Prohaska trifft Prohaska: "Schneckerl" mit seinem jüngeren Ich bei Madame Tussauds
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SPOX: Rot-weiß-roter Nachwuchs ist mittlerweile eine wertvolle Aktie in Europa. Schon im Teenager-Alter wird die Heimat oftmals zurückgelassen - warum stehen Sie dem skeptisch gegenüber?

Prohaska: Was mir daran nicht gefällt: Wir bilden super Talente aus, die das Interesse großer Klubs erregen, und weg gekauft werden. Was bleibt uns? Ich möchte nicht wissen, was die Wiener Austria für David Alaba kassierte. Wahrscheinlich 150.000 Euro Ausbildungsentschädigung, im Idealfall verdienen sich jetzt ein bisschen mit. Leider steht das in keiner Relation zum Marktwert. In zwei, drei Jahren ist Alaba 50 Millionen wert. Da müsste die UEFA konkrete Regeln aufstellen. Jetzt haben wir eine Generation, die sich hinter keiner verstecken muss. Tatsache bleibt, wir sind ein kleines Land! Wir können nicht von Generation zu Generation die Qualität halten.

SPOX: Bedeutet: Österreich muss in Zyklen denken?

Prohaska: Genau, nach Argentinien hatten wir bis Mitte der 80er eine starke Mannschaft. Danach hat es lange gedauert, bis wir neuerlich konkurrenzfähig waren. Und das fiel in meine Ära, dauerte bis 1998. Davor lösten sehr gute Spiele schlechte ab. Hätte ich nicht den Präsidenten hinter mit gehabt, wäre ich nicht in Frankreich gewesen. In der Qualifikation konnten wir das Potenzial ausschöpfen, haben von zehn Spielen acht gewonnen und nur eines verloren. Selbst wenn wir nicht nach Brasilien fahren: Diese Mannschaft wird uns entweder zur nächsten EM oder übernächsten WM führen. Wir müssen nur geduldig bleiben.

SPOX: Welchen Anteil trägt Marcel Koller, den Sie überaus kritisch beäugen?

Prohaska: Er hat einen Kader mit Qualität zusammengestellt, gute Arbeit geleistet. Der Fußball bleibt dennoch unfair - auch er wird nach Ergebnissen beurteilt, daran ob wir nach Brasilien fahren oder nicht. Mir ging es nicht darum, zu sagen, Koller sollte nicht Teamchef sein. Ich war schlichtweg für einen anderen. Einen aus dem eigenen Land. Für Andreas Herzog

SPOX: Der ÖFB wollte einen Teamchef, welcher die Vetternwirtschaft durchbricht, mit neutralem Blick auf die undurchsichtigen Strukturen. Nachvollziehbar?

Prohaska: Das war der größte Blödsinn, der jemals behauptet wurde. Warum soll es richtig sein, jemanden von außen zu holen? Ich musste herzlich lachen. Dann dürfte niemand bei seinem Arbeitgeber nach der aktiven Karriere bleiben. Bei wem etwa findet die größte - wenn man es so bezeichnen will - Vetternwirtschaft statt? Richtig, bei Bayern München. Beim besten und reichsten Klub der Welt bekleiden fast ausschließlich verdienstvolle Ex-Spieler wichtige Funktionen. So etwas darf kein Kriterium sein. Tatsache ist: Jeder, der sich für die WM qualifizierte, war Österreicher. Wenn es einem Schweizer gelingt, hätte ich nichts dagegen. Ich würde mich sogar sehr freuen.

SPOX: Entscheidend hierfür sind vermutlich die Aufgaben gegen Irland und in Schweden. Zunächst gastiert man in München. Was trauen Sie dem Nationalteam zu?

Prohaska: Ich denke, wir können gut mitspielen. Aber es wäre vermessen zu posaunen, wir nehmen Punkte mit. Wenn bei Deutschland nicht alles schief läuft und wir keinen Über-Tag erwischen, ist nichts zu holen. Und: Nicht nur ihre Defensive schwächelte zuletzt. Zweifelsfrei würden wir sie gerne besiegen, oder ein Unentschieden erzwingen - das wäre für uns eine Sensation.

SPOX: Inwiefern mutierte die mitunter einseitig gelebte Rivalität in der jüngsten Vergangenheit zu Anerkennung. Man wird das Gefühl nicht los, als sei der DFB mittlerweile Vorbild?

Prohaska: Dass Spiele wie Cordoba stattfinden, bei denen sich Emotionen überschlagen, zum Schluss gewinnt Österreich und eine Euphorie entsteht - das ist schön. Aber Deutschland war und ist immer das Land gewesen, zu dem wir hoch blicken. Deshalb verfolge auch ich die Bundesliga intensiv.

SPOX: Gleichwohl sagen Sie, Fußball gibt Ihnen nicht mehr das, was sie sich erwarten. Wie darf man das verstehen?

Prohaska: Fußball wird mir immer das geben, was ich will. Ich werde niemals aufhören, den Sport zu lieben, da ich weiß, was ich ihm zu verdanken habe. Er gibt mir nur nicht das Gefühl, nochmal Trainer sein zu wollen. Viel schöner ist es zuzuschauen, Analytiker zu sein, mir nicht den Kopf zerbrechen zu müssen. Ich kann ruhig schlafen, Spiele genießen und verdiene noch immer - das ist die schönste Kombination (lacht).

Herbert Prohaska im Steckbrief

Seite 1: Prohaska über Paul Breitner und ein Autogramm vom großen Pele

Seite 2: Prohaska über David Alaba und Nationaltrainer Marcel Koller