Lückenfüller, Retter und Halbgott

Von SPOX
David Moyes wird bei Manchester United Nachfolger von Sir Alex Ferguson
© getty

Zahlreiche europäische Top-Klubs wagen in der kommenden Saison mit neuem Trainer einen Neustart. Das große Stühlerücken und seine Folgen - eine Bestandsaufnahme.

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"Ich glaube fest daran, dass wenn ein Brite nach 77 Jahren Wimbledon gewinnen kann, wir in der kommenden Saison auch einen Titel holen können." Das sagt Arsene Wenger über den FC Arsenal.

Der Franzose ist sich sehr wohl bewusst, dass seine Gunners in den letzten Jahren sehr weit davon entfernt waren, auch nur im Ansatz um den Titel der Premier League mitzuspielen. Und trotzdem ließ sich Wenger am Monatg zu dieser sehr offensiven Aussage hinreißen.

Neben dem Vertrauen in die eigene Stärken könnte Wenger auch die Tatsache beflügelt haben, dass im Kreis der Big Four lediglich die Gunners auch in der neuen Saison auf Altbewährtes vertrauen können - während bei beiden Manchester Klubs sowie beim FC Chelsea neue Trainer gleichbedeutend sein dürften mit dem einen oder anderen Problem.

Womit die englische Liga aber nicht alleine dasteht. Auch in Deutschland, Frankreich und in Spanien wagen die Top-Klubs einen Neubeginn. Das große Stühlerücken im europäischen Fußball und seine Folgen. Eine Bestandsaufnahme.

Manchester United

Die Situation: Bayern München und Pep Guardiola? Jose Mourinho zurück an der Bridge? Alles nichts im Vergleich zu dem, was sich bei Manchester United ab sofort ändern wird. Nichts weniger als eine neue Zeitrechnung haben die Red Devils eingeläutet. Nach über einem Vierteljahrhundert hat Sir Alex Ferguson aufgehört und David Moyes ins Amt gehievt.

Der kennt sich aus mit Vereinstreue, war zuletzt elf Jahre Chef im Goodison Park - die drittlängste Trainerperiode in der Geschichte der Premier League - und machte den FC Everton nach vollmundigen Ansagen mit den Jahren tatsächlich zum "People's Club". Moyes dürfte mit das schwerste Erbe antreten, das es im europäischen Vereinsfußball gibt. Auf jeden Fall einzigartig ist die Rochade in der absoluten Spitze.

Anders als bei den meisten Kontrahenten hatte der Wechsel aber keine sportlichen Gründe. Sir Alex befand es einfach an der Zeit, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. In der Hinsicht gestaltet sich die Konstellation so wie bei den Bayern mit Jupp Heynckes. Ein Neuanfang auf freien Stücken muss her.

Moyes unterschrieb in Manchester einen Sechsjahresvertrag, angeblich sollen auch Jose Mourinho und Jürgen Klopp kurzzeitig ein Thema im Old Trafford gewesen sein. Auf Moyes hätten sich die Bosse aber dann relativ schnell und einstimmig verständigt.

Was bedeutet das? David Moyes ist im Prinzip die kleinere Ausgabe von Sir Alex. Was nicht nur die Tatsache geschuldet ist, dass beide Schotten sind. Wie Ferguson ist Moyes ein Arbeiterkind, in seiner Art pendelnd zwischen einfühlsam und schroff. Hart zu seinen Spielern, aber auch gegen sich selbst. Gelegentlich stur, immer unbeugsam und mit einer enormen Durchsetzungskraft ausgestattet. "Ein Mann mit Prinzipien und Ehre", wie die "Manchester Evening News" schreiben.

Offenbar also genau der Richtige, um die vielfältigen Geschicke von Ferguson bei United fortzuführen. Wobei das zunächst gar nicht so einfach werden dürfte. Ferguson hat den kompletten sportlichen Bereich verantwortet, inklusive der zweiten Mannschaft und der Junioren. Natürlich gab und gibt es dafür Personal in verantwortlichen Positionen, das letzte Wort lag aber immer und ausschließlich bei Ferguson.

Es ist schwer vorstellbar, dass Moyes auf Anhieb in Fergusons vielschichtigen Ämter schlüpfen kann; eigentlich ist es so gut wie ausgeschlossen. Hinter den Kulissen werden sich einige Abläufe ändern (müssen), bis Moyes eine gewisse Eingewöhnungszeit hinter sich hat.

Immerhin hat Moyes bei einer seiner ersten Amtshandlungen gleich mal Strenge bewiesen: "Wayne Rooney wird nicht verkauft. Er ist ein Spieler von Manchester United und er wird ein Spieler von United bleiben", stellte Moyes alle Abwanderungsgedanken seines Angreifers kalt.

Mögliche Chancen und Probleme: Das System Ferguson war ebenso variabel wie nachhaltig. Zig Mal erfand Fergie sein United wieder neu und hatte damit immer wieder Erfolg. Eine sensationelle Leistung in einem Geschäft, das sich ständig verändert und immer wieder neue Anforderungen stellt.

David Moyes kommt jetzt auf den ersten Blick eine ungemein undankbare Aufgabe zu, nämlich das Imperium zu verwalten und wieder zurück auf Europas Thron zu führen. Auf der anderen Seite gibt es keinen anderen europäischen Top-Klub, der seinem ersten Angestellten viel Geduld und Vertrauen entgegengebracht hat wie United.

Neben den unvermeidlichen Querverweisen auf Ferguson wird sich Moyes mit einem anderen, greifbareren Problem rumschlagen müssen: Ihm fehlt es in der Königsklasse schlicht an Erfahrung. Die Champions League steht beim Premier-League-Seriensieger an oberster Stelle. Und damit ist Moyes bisher überhaupt nicht vertraut. Seine Berührungspunkte beschränken sich auf zwei Qualifikationsspiele mit den Toffees gegen Villarreal vor acht Jahren, in denen Everton scheiterte.

Beim FC Everton war der große Fußball nicht zu Hause und es gibt einige, die Moyes' größte Leistung darin sehen, aus einem schlechten Premier-League-Klub eine konstante Größe gemacht zu haben. Platz sechs in der abgelaufenen Saison - und damit zum zweiten Mal in Folge besser abzuschneiden als Lokalrivale FC Liverpool - war da schon ein großer Erfolg.

Bei United gibt es keine Zweifel, dass Moyes der richtige Mann zur richtigen Zeit ist. Das ließ Moyes kürzlich in einem Interview durchklingen. "Sir Alex hat mich nicht gefragt - er hat mir einfach gesagt, dass ich neuer Trainer bei United werde."

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