Lückenfüller, Retter und Halbgott

Von SPOX
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Real Madrid

Die Situation: In Madrid wird in diesem Sommer die ganz große Reset-Taste gedrückt. Jose Mourinho ist weg und damit fangen die Probleme an: Der Portugiese hat in drei Jahren zwei wichtige Titel gewonnen, einmal die Meisterschaft und einmal den Pokal, aber den wichtigsten Triumph verpasst. La Decima, den zehnten Sieg in der Champions League beziehungsweise dem Pokal der Landesmeister, konnte auch Mourinho nicht verwirklichen.

Dafür hat Mourinho in Madrid sehr viele sehr traditionelle Dinge auf den Kopf gestellt. Sportdirektor Jorge Valdano verlor den Machtkampf gegen Mourinho und musste gehen. Mit Präsident Florentino Perez verscherzte er es sich im Laufe der Jahre immer mehr, nachdem sich dieser zunächst noch hatte überzeugen lassen, seine rechte Hand Valdano zugunsten von Mourinho zu opfern.

Die beiden Gallionsfiguren innerhalb der Mannschaft, Iker Casillas und Sergio Ramos, kamen am Ende überhaupt nicht mehr mit Mourinho klar. Casillas' Verbannung auf die Bank verursachte in Madrid ein mittleres Erdbeben. Nach und nach verlor er immer mehr jener Spieler, die ihm zu Beginn seiner Zeit noch bedingungslos folgten.

Selbst die Portugal-Fraktion um Pepe, Fabio Coentrao und Cristiano Ronaldo wandte sich von ihm ab. Präsident Perez kurbelte persönlich die Kommunikation mit den Spielern an, vorbei am isolierten Trainer. Die hektische Presselandschaft verkehrte ihre Jubelorgien in Anti-Mourinho-Kampagnen. Am Ende einer Ehe mit lauten Zwischentönen und Streitereien provozierte Mourinho förmlich seinen Rauswurf.

Dabei war Mou in Spaniens Hauptstadt doch ursprünglich als "Retter und Titelgarant" (Perez) angetreten und bekam schnell die Entscheidungsgewalt eines Managers im englischen Stil ausgesprochen. Mourinho diktierte und hatte damit durchaus auch Erfolg. Den können ihm auch die schärfsten Kritiker nicht streitig machen.

Letztlich bewahrheitete sich aber ein Zitat von Michael Robinson, einem der führenden TV-Experten in Spanien. "Jose ist ein Sniper, ein Scharfschütze. Er kriegt einen Umschlag mit einem Auftrag, erledigt seinen Job und geht. Ohne Spuren, ohne ein Erbe zu hinterlassen. Wann immer er gehen sollte, wird Real Madrid wieder bei Null beginnen müssen", sagte Robinson bereits im Frühjahr 2011 vor der Serie Clasicos in Meisterschaft, Pokal und Champions League.

Mit Carlo Ancelotti erfolgt jetzt der Neustart. Der Italiener wurde von Paris Saint-Germain losgeeist und unterschrieb in Madrid einen Dreijahresvertrag.

Was bedeutet das? Ancelotti hat die große Aufgabe, aus einem auseinanderdividierten Haufen wieder eine funktionierende Mannschaft zu machen. Die Grüppchenbildung muss schnell korrigiert werden, dass Real-Ikone Casillas ab sofort wieder die unumstrittene Nummer eins sein wird, ist klar. Ebenso wird anderen Spielern aus der Mou-Opposition wieder mehr Mitspracherecht eingeräumt werden.

Kein Trainerwechsel im europäischen Spitzen-Fußball war notwendiger. Real Madrid und Jose Mourinho blieb gar keine andere Wahl, als sich zu trennen. Ab sofort beginnen die Aufräumarbeiten und auch ein Paradigmenwechsel.

Mourinho hat Reals Selbstverständnis für das schönste, attraktivste, offensivste Spiel für den Zweck gekippt. In manchen Partien, besonders in den Clasicos seiner Anfangszeit, verbarrikadierte sich Real Madrid mit seinen Künstlern vor dem FC Barcelona. Nimmt man den Regelfall, dann verstand sich Mourinhos Mannschaft ganz besonders gut darin, das schnelle Umschaltspiel von Defensive auf Offensive zu beherrschen.

Das führte beim Meistertitel zu unerreichten 121 erzielten Treffern. Betörenden Angriffsfußball spielte Real aber trotzdem nicht. Pragmatisch und effizient kam Mourinhos Madrid vielmehr daher - was so lange gut geht, so lange die Mannschaft Erfolg damit hat. Gern gesehen wird diese Art von Fußball in Madrid aber nicht.

Auch deshalb lehnte sich der ansonsten eher leise Ancelotti bei seiner Antrittsrede einigermaßen aus dem Fenster. "Der berühmteste Klub der Welt muss spektakulären Fußball spielen und gewinnen", sagte Ancelotti da und drückte gleich die richtigen Knöpfe bei Fans, Medien und den Klub-Bossen.

Mögliche Chancen und Probleme: Mourinhos Nachfolger hat es insofern "leicht", da er bei einem Weltklub wie Real Madrid tatsächlich die Chance bekommen wird, von Neuem anfangen zu können. Das war bereits vor der Verpflichtung Ancelottis klar. Der Italiener hat unheimlich viel Erfahrung, in Mailand, London und Paris in großen Klubs gearbeitet.

Ancelotti bringt das perfekte Paket mit nach Madrid: Er kann hart sein oder verständnisvoll, besitzt eine natürliche Aura, Charisma, ist eloquent. Und ist druckresistent. Wer unter Silvio Berlusconi besteht, den dürfte auch der Zirkus in Madrid nicht aus der Bahn werfen.

Dass Ancelotti in Zinedine Zidane, eigentlich als Sportdirektor eingeplant, nun den ehemals besten Fußballspieler der Welt als Co-Trainer an die Seite gestellt bekommt, wird den Italiener ein wenig aus dem Rampenlicht nehmen. Und auf den Gedanken, dass sich Boss Perez einen schwachen und damit leicht beeinflussbaren Trainer geholt hat, wird in Madrid wohl niemand kommen.

"Ancelotti hört allen zu, aber lässt sich nicht unter Druck setzen", sagt Arrigo Sacchi. "Er ist ein Erfolgstrainer, aber seine Teams fahren nicht nur Resultate ein - sie spielen dazu auch schönen Fußball. Ich habe ihm gesagt, Gewinnen alleine reicht nicht in Spanien. Aber Carlo kennt und versteht den Fußball gut genug, um zu verstehen, dass Real Madrid der berühmteste Verein der Welt ist."

Dafür baut Ancelotti den Kader bereits um und gibt Real Madrid einen neuen, jugendlichen Anstrich. Nach der Verpflichtung von Nachwuchs-Star Isco steht auch Asier Illarramendi vor dem Sprung zu Real. Wie Isco jüngst U-21-Europameister geworden und der heimliche Star des Turniers in Israel. Auf der Position im defensiven Mittelfeld weltweit wohl das größte Talent überhaupt.

Zunächst wird es für Ancelotti darum gehen, zum größten Rivalen FC Barcelona aufzuschließen. Mittelfristig bleibt in Madrid aber nur ein einziges Ziel: Der zehnte Triumph im wichtigsten Vereinswettbewerb der Welt. Und nur daran wird Ancelotti in Madrid gemessen werden.

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