"Sergio ist ein guter Junge"

SID
Noch einer der harmloseren Gewaltausbrüche am Wochenende in England: Agüero vs. Luiz
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Premier League

Von Raphael Honigstein

Spiel des Spieltags: Die FA-Cup-Halbfinals gehörten freilich nicht zum Spieltag der Premier League, waren aber das Thema des Wochenendes. Manchester City verdiente sich mit einer über weite Strecken furiosen Performance gegen Wembley-Dauergast Chelsea einen Platz im Finale. Mann des Spiels war ohne Zweifel Sergio Agüero, gegen den Chelsea nie ein Mittel fand und der sich sogar erdreistete, per Kopfball im Duell mit Abwehrbrocken Branislav Ivanovic zu treffen.

Dann erlaubte sich der Argentinier allerdings noch eine spektakuläre Szene. Es war die 82. Minute und Agüero ging in einen Zweikampf mit Chelseas David Luiz. Der hielt sich den City-Stürmer mit einem grenzwertigen, proaktiven Ellbogenstupser vom Leib, was Agüero offenbar sehr erzürnte. Beide gingen zu Boden, Luiz zuerst und ihm hinterher flog Agüero und landete energisch und mit beiden Sohlen voraus auf den Hinterbacken des Brasilianers. Erstaunlich war, dass es anschließend gemessen an der Brutalität der Aktion relativ ruhig blieb. Schiri Chris Foy hatte offenbar nichts gesehen und verhängte lediglich Freistoß für Chelsea. Eine nennenswerte Rudelbildung blieb auch aus und niemand ging Agüero an den Kragen. Luiz rappelte sich nach kurzer Zeit wieder auf und spielte weiter, als wäre nichts gewesen. Ob Agüero seitens der FA Konsequenzen drohen, ist noch nicht abzusehen. Das hängt davon ab, was Foy dazu im Spielbericht vermerkt hat. Luiz vermerkte übrigens folgendes: "Ich kann mich an kein böses Foul von Agüero gegen jemand anderen erinnern. Ich glaube, er war nur einen Moment unbeherrscht. Ich verzeihe ihm." Eine Entschuldigung des Argentiniers wünsche er sich aber doch, sagte Luiz noch. Mancini hatte ähnlich wie Foy nicht richtig hingeguckt, erklärte aber dennoch: "Es war kein Tritt, es war ein Tackling, glaube ich. Sergio ist ein guter Junge."

Mann des Spieltags: Man kann von Paolo di Canio halten, was man will, sein Auftritt am Samstagmittag im 150. Tyne-and-wear-Derby zwischen Newcastle und Sunderland war schon legendär. Wie ein durchgeknallter Derwisch, den man gegen seinen Willen in Business-Suit und Krawatte gesteckt hatte, rannte und hüpfte der 44-jährige gebürtige Römer in der Coaching-Zone des St. James's Park herum und feierte den verdienten 3:0-Sieg Sunderlands auf Knien über die Wiese rutschend.

Gut, extreme Reaktionen und Gefühlausbrüche gehören bei di Canio zur Grundausstattung wie Kaugummi zu Alex Ferguson, aber offenbar war der Sieg der Black Cats für ihren neuen Anführer weit mehr als nur ein Dreier im Abstiegskampf. "Für sich genommen, war das der größte Sieg meiner Trainerlaufbahn", sagte di Canio anschließend. "Aber natürlich ist er nichts wert, wenn wir nicht drinbleiben." Mit dem Drinbleiben in der Premier League ist das so eine Sache. Sunderland verschaffte sich mit dem ersten Sieg seit dem 19. Januar ein wenig Luft, doch der Vorsprung auf die Abstiegsplätze beträgt nur müde drei Punkte. Immerhin ein Anfang für di Canio in seinem zweiten Pflichtspiel mit Sunderland.

Der frühere West-Ham-Profi beschädigte sein feines Beinkleid übrigens irreparabel. "Das ist die zweite Hose, die hin ist. Aber von mir aus verliere ich jedes Wochenende eine." Den Sieg widmete er seiner vor einem Jahr verstorbenen Mutter. Ihr Gesicht sei ihm ummittelbar vor dem Anpfiff erschienen und da habe er gewusst, dass er gewinnen würde...

Und sonst? Agüeros brutales Einsteigen gegen Luiz war eine Lappalie gemessen an den Gewaltausbrüchen am Samstag rund ums Derby zwischen Newcastle und Sunderland und während des ersten FA-Cup-Halbfinals zwischen Wigan und Millwall.

In Newcastle kam es nach dem Schlusspfiff zu Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der Heimmannschaft und der Polizei. Steine und Bengalos flogen in Richtung der Beamten. Drei Polizisten wurden verletzt, 27 Magpies-Fans festgenommen. "Das waren die schlimmsten Ausschreitungen seit Jahrzehnten", erklärte ein Polizeibeamter. Im Londoner-Wembley-Stadion brach während der zweiten Halbzeit eine brutale Massenschlägerei im Block der Millwall-Fans los, die auch dann noch kein Ende fand, als die Polizei nach mehreren Minuten dazwischen zu gehen versuchte.

Bilder von blutverschmierten Gesichtern, verängstigten Zuschauern, weinenden Kindern und einem Vollidioten, der eine Polizeimütze klaute und unter seiner Jacke verbarg, gab's zur besten Sendezeit. Dazu kommen Aussagen von Augenzeugen, die Randalierer hätten sich vor der Partie und während der Halbzeitpause ganz ungeniert die Nasen gepudert. Die FA hat natürlich Untersuchungen eingeleitet, der Millwall FC droht mit lebenslangen Sperren. Ein Dutzend Millwall-Anhänger wurde festgenommen.

Italien: Mysteriöses Gebrabbel, seltener Marienkäfer

England: Gewalt, Gewalt, Gewalt

Spanien: Sekundentod light und Super-Depor