Auf dem Schleichweg ins Rampenlicht

Von Daniel Reimann
Rodney Sneijder (r.) spielte 2010 bei der U-19-EM in Frankreich für die Niederlande
© Imago

Sein Bruder: Triple-Gewinner und Elftal-Legende. Er: Supertalent und Hoffnungsträger. Rodney Sneijder steht noch im Schatten von Bruder Wesley, ihm wird aber eine große Zukunft prophezeit. Doch seine Entwicklung bei Ajax läuft nicht reibungslos. Und alles wäre anders gekommen, hätte Sneijder senior nicht einst Rodneys Wechsel zu den Königlichen verhindert.

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Mai 2008: Die Scouts von Real Madrid halten wieder einmal Ausschau nach jungen Talenten, die bei den Königlichen im Idealfall behutsam weiterentwickelt und zum Weltstar geformt werden.

Diesmal rückt ein 17-jähriger Niederländer mit prominentem Namen in den Fokus. Rodney Sneijder steht im Frühjahr 2008 weit oben auf der Wunschliste der Madrilenen. Doch sein Bruder Wesley, der damals selbst noch bei Real unter Vertrag stand, ergreift Partei und sorgt dafür, dass sein kleiner Bruder bei Ajax Amsterdam und damit auf dem Teppich bleibt.

"Real Madrid wollte ihn und Rodney hat das natürlich sehr gefreut. Aber als ich davon hörte, habe ich sofort die Gespräche gestoppt. Im halte wenig davon, dass immer mehr junge Spieler so früh zu Top-Klubs gehen. Ich habe ihm geraten, dass er sich erst einmal bei Ajax durchbeißen soll", erzählt der ältere Bruder rückblickend.

Rodney gehorchte Wesley. Er trägt noch immer das Ajax-Trikot. Anfang 2011 wurde er zum ersten Mal in den Profikader berufen. Der Beginn einer großen Karriere?

Wesleys Erfolg - Rodneys Last

Die Voraussetzungen sind etwas ungünstig. Die Bürde seines großen Bruders wird Rodney kaum loswerden können. Wesleys Erfolg ist Rodneys Last. In holländischen Medien wird Rodney ständig mit Wesley, die Erwartungen an den 20-Jährigen sind bereits enorm hoch, bevor dieser sich überhaupt auf nationaler Bühne ins Rampenlicht spielen kann.

Auch Wesley hält davon wenig. "Diese Vergleiche helfen niemandem weiter. Rodney sollte sich auf sich selbst konzentrieren, denn jetzt beginnt der wichtigste Abschnitt seiner Karriere", sagte er in einem Interview auf der Real-Homepage, als er noch in Madrid spielte.

Wenn ein Mitglied in der Familie ein big Player in dem Beruf ist, den man gewählt hat, hat das aber durchaus auch Vorteile, wie Wesleys Fürsorge bei den Wechselgerüchten um seinen Bruder beweisen. Das Wort des Inter-Stars hat Gewicht im europäischen Fußball, das Türen öffnet.

Gerald Vanenburg, dreimaliger niederländischer Meister mit Ajax, sagte zu SPOX: "Es muss kein Nachteil sein, wenn man einen derart berühmten Bruder hat. Vor allem nicht bei solch einer Persönlichkeit wie Wesley Sneijder. Ich glaube eher, dass es gut für Rodney ist, einen erfahrenen Bruder an seiner Seite zu haben."

"Das zweite Bein ist nur zum Gehen da"

Rodneys Karriere verlief zunächst vielversprechend. Mit 16 spielt er in Hollands Jugendnationalmannschaft und genoss die Ausbildung im Jugendinternat von Ajax, das als "beste Waffenschmiede der Welt" gilt und sich seit Jahrzehnten durch die zuverlässige Ausbildung junger Hoffnungsträger bewährt.

Auch Vanenburg schwärmt: "Ajax bildet immer echte Fußballer aus. Es wird dort fast ausschließlich mit dem Ball trainiert, dadurch werden die jungen Spieler technisch besonders gut geschult."

Rodney wurde als Tempo-Dribbler ausgebildet, mit einem unberechenbaren linken Fuß. Mit Beidfüßigkeit ist es allerdings nicht weit her. "Sein zweites Bein ist nur zum Gehen da", scherzt Bruder Wesley.

Das lange Warten aufs Profi-Debüt

Trotz seiner geeigneten fußballerischen Anlagen wurde Rodney bei Ajax lange auf die Folter gespannt. Erst im Januar diesen Jahres wurde er erstmals in den Profi-Kader berufen. Auf Einsatzminuten in der ersten Mannschaft wartet er allerdings noch immer.

Rodney selbst hält sich bescheiden zurück und will sich weiter für höhere Aufgaben empfehlen: "Ich habe alles selbst in der Hand. Ich muss weiter hart trainieren und an meinen Schwächen arbeiten. Dann werde ich schon bald zeigen können, was ich wert bin."

Bruder Wesley denkt mittlerweile pragmatischer: "Für Rodney zählt nun - wie für jeden anderen Jungen auch - dass er in der ersten Mannschaft landen oder andernfalls wechseln muss", sagte der Triple-Gewinner dem "Telegraaf".

Vanenburg, wie die Sneijder-Brüder in Utrecht geboren, rät Rodney hingegen von einem Wechsel dringend ab: "Ein Wechsel zu einem Verein wie Madrid käme viel zu früh. So weit ist er noch lange nicht. Er muss sich erst in der ersten Mannschaft von Ajax etablieren. Er kann alleine in Holland noch so viel erreichen."

Mängel am Ajax-Aushängeschild

Rodneys Warten aufs Profi-Debüt steht stellvertretend für einen gefährlichen Trend in Amsterdam: Ausgerechnet der Vorzeigeklub in puncto Jugendarbeit und Talentförderung hat Schwierigkeiten, die Rohdiamanten ins Profiteam zu integrieren.

"Früher haben es immer 5, 6 Spieler pro Jahrgang in die erste Mannschaft geschafft. Heute wird dort offenbar anders gearbeitet", mutmaßt Vanenburg.

Auch der ältere Sneijder macht sich Sorgen um das Aushängeschild seines Ex-Vereins: "Früher fühlten wir jungen Spieler, dass wir nah dran an der ersten Mannschaft waren. Die Tür ist schon eine Zeit lang zu. Im Pokal gegen Veendam (im November 2010 Anm. d. Red.) stellte Trainer Martin Jol keinen Spieler aus der Ajax-Jugend auf."

Rodney selbst bleibt geduldig: "Die Perspektive stimmt. Ich bin einer der wenigen Linksfüßer im Team, fühle mich fit und stark. Die erste Mannschaft hat einen kleinen Kader, ein volles Programm und einige Talente, die bereit sind. Wer weiß..."

Immerhin: Den Familien-internen Dreikampf mit den Brüdern Wesley und Jeffrey wird Rodney auf Dauer für sich entscheiden, wenn es nach dem Inter-Spielmacher geht: "Rodney wird einmal der Beste von uns Dreien werden. Er hat unglaublich viel Qualität."

Rodney Sneijders Konkurrenz: Der Ajax-Kader