DFB-Team - Weniger Zeigefinger, mehr Vertrauen: Martina Voss-Tecklenburg muss liefern

SID
Martina Voss-Tecklenburg muss liefern.
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Bei ihrem zweiten Turnier als Bundestrainerin muss sich Martina Voss-Tecklenburg beweisen. Für die schwierige EM-Mission sollen WM-Lehren helfen.

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Für die schwierige EM-Mission tankt Martina Voss-Tecklenburg Kraft bei ihren Liebsten. Bei Ehemann Hermann, Tochter Dina und ihrem Enkelkind schnauft die Fußball-Bundestrainerin vor dem Kofferpacken daheim in Straelen durch - denn ab Sonntag steigt der Druck.

"Wir fliegen nach England und wollen jedes Spiel gewinnen", betonte Voss-Tecklenburg im SID-Interview. Die 54-Jährige muss bei der EURO in England (6. bis 31. Juli) nach dem Viertelfinal-Aus bei der vergangenen WM liefern - auch wenn sie solche Gedanken vor dem Abflug von Frankfurt nach London erst einmal ausblendet.

"Wir haben unsere Aufgaben zu erledigen, über die weiteren Schritte muss ich mir keine Gedanken machen. Das tut uns auch nicht gut", erklärte die 125-malige Nationalspielerin. In der Tat wirkte Voss-Tecklenburg am Ende der erfolgreichen Turniervorbereitung in Herzogenaurach gelassen wie lange nicht.

Lockerer bleiben, weniger "erhobener Zeigefinger" - das hat sich "MVT" vorgenommen. Das gehört zu den Lehren aus der verpatzten WM 2019 in Frankreich, als sie nach dem Wechsel aus der Schweiz erst wenige Monate im Amt war. Die Quintessenz: "Wir werden nur dann um Titel mitspielen können, wenn wir als Trainer*innenteam auch titelreif arbeiten."

Spielerinnen "unbewusst überfordert"

Damals habe sie ihre Spielerinnen wohl "unbewusst überfordert", drei Jahre später gebe es eine ganz andere Vertrauensbasis. Die braucht es auch für die EM-Titeljagd, denn schon der Einzug ins Viertelfinale wird für den Rekordeuropameister (acht Titel) schwierig.

"Wir haben eine echt herausfordernde Gruppe", erklärte Voss-Tecklenburg. Der Auftakt gegen den EM-Zweiten Dänemark am kommenden Freitag (21.00 Uhr) gilt als Schlüsselspiel, ehe es gegen den Mitfavoriten Spanien (12. Juli) und Außenseiter Finnland (16. Juli) geht.

Nur die Ersten und Zweiten der vier Vierergruppen erreichen die K.o.-Runde. "Nichts wird bei dieser EM zum Selbstläufer", warnte die Bundestrainerin: "Also ist das Viertelfinale unser erstes Ziel."

Vom Verbandspräsidenten gab es Rückendeckung. "Ich glaube, wir können gut abschneiden, ich bin optimistisch. Ich will aber um Himmels Willen keine Vorgaben hinsichtlich der Erwartung machen", sagte DFB-Boss Bernd Neuendorf, der "der fachlichen Kompetenz und der Mannschaft" vertraut.

Martina Voss-Tecklenburg muss liefern.
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Martina Voss-Tecklenburg muss liefern.

Voss-Tecklenburg weiß, wie eine EM funktioniert

Wie das mit dem EM-Titel geht, weiß Voss-Tecklenburg, schon beim ersten deutschen Triumph 1989 spielte sie mit. Noch drei weitere Male wurde sie Europameisterin (1991, 1995 und 1997), ehe sie im Jahr 2000 nach einem Krach mit ihrer damaligen Lebensgefährtin und Mitspielerin Inka Grings aus dem Nationalteam flog.

Einfach war Voss-Tecklenburgs Weg ohnehin nicht. Als ihr die Mutter das Fußballspielen verbieten wollte, ging die kleine Martina heimlich zum Training. Später arbeitete sie als Nationalspielerin Vollzeit als Bürokauffrau, zog nebenbei ihre Tochter groß - nichts konnte Voss-Tecklenburg umwerfen.

Ihre über viele Jahre erarbeitete Fachkenntnis bringt sie längst nicht nur beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) ein. Seit 2018 ist Voss-Tecklenburg Mitglied im Aufsichtsrat von Fortuna Düsseldorf, beim ZDF arbeitet sie regelmäßig als TV-Expertin.

Doch auch eine Powerfrau muss mal abschalten. Abends im Bett greift die Bundestrainerin zum Buch oder E-Book-Reader. Küstenkrimis stehen hoch im Kurs, gerne parallel zu Romanen wie "Man vergisst nicht, wie man schwimmt". Für die wenigen Momente, in denen es bei Martina Voss-Tecklenburg mal nicht um Fußball geht.