Trainer und Premier kritisieren Webb

SID
EM 2008, Fussball, Polen, Beenhakker, Schiedsrichter
© Getty

Warschau - Grenzenloser Polen-Frust: Die verärgerten Spieler demolierten in den Katakomben die Werbebanden, der sonst so bedachte Trainer Leo Beenhakker setzte zu einer spontanen Wutrede an und sogar Regierungschef Donald Tusk vergaß für kurze Zeit alle Regeln der Diplomatie.

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Österreichs Last-Minute-Elfmetertor hat ganz Polen in einen Schockzustand versetzt. Auch am Tag nach dem 1:1 im dramatischen EM-Spiel von Wien hatten sich die Gemüter noch lange nicht beruhigt. Der Schuldige für das drohende Aus bei der Europameisterschaft war schnell gefunden.

Der englische Schiedsrichter Howard Webb wurde von Polens Presse an den Pranger gestellt und als "Versager" ("Dziennik"), "Dieb" und sogar "Monster" ("Super-Express") massiv verunglimpft.

Beenhakker sauer

Die verbalen Vorlagen für die unsachliche Medien-Schelte hatten zuvor Beenhakker und seine enttäuschten Akteure geliefert. Der völlig konsternierte Wolfsburger Bundesliga-Profi Jacek Krzynowek stammelte noch lange nach dem Abpfiff immer nur "Sch..., Sch..., Sch..." und beklagte den fatalen Pfiff von Webb.

Sein Trainer hatte zuvor Klartext gesprochen: "Ich bin seit 43 Jahren in diesem Geschäft und hatte nie ein Problem mit Schiedsrichtern. Aber diese Entscheidung kann und will ich nicht verstehen", echauffierte sich Beenhakker.

Auch Polens Regierungschef echauffiert sich

Die kollektiven Gefühle der Polen brachte Tusk zum Ausdruck: "Schiedsrichterfehler kommen vor, dieser war außerordentlich gemein, weil offensichtlich, deutlich, sehr ungerecht und uns alle verletzend", sagte der Politiker über die Entscheidung Webbs, den Klammergriff von Mariusz Lewandowski am Neu-Bremer Sebastian Prödl mit einem späten Strafstoß zu ahnden.

Obwohl mit einem Sieg im abschließenden Spiel gegen die als Gruppensieger feststehenden Kroaten am Montag (20.45 Uhr) in Klagenfurt noch der Einzug ins Viertelfinale rechnerisch möglich ist, gab Beenhakker vorzeitig auf.

Viertelfinale unwahrscheinlich 

"Ich glaube, das ist das Aus in diesem Turnier. Wir haben es nicht mehr in den eigenen Händen. Das ist es wohl gewesen", sagte der konsternierte Niederländer.

Nur bei einem Sieg Österreichs gegen Deutschland und einem um ein Tor höheren eigenen Erfolg gegen Kroatien steht Polen im Viertelfinale. Beenhakker traut offensichtlich dem Gastgeber keinen Sieg gegen Deutschland zu. "Ich glaube, wir sind beide raus", sagte er am Freitag.

Wieder in der Nachspielzeit

Wie schon bei der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren musste Polen im zweiten Gruppenspiel gegen einen Gastgeber ein fatales Gegentor in der Nachspielzeit hinnehmen. 2006 hatte die DFB-Auswahl durch das späte 1:0 von Oliver Neuville die Polen aus allen Träumen gerissen.

"Das gibt es doch gar nicht. Wir hätten viel früher das 2:0 machen müssen", klagte Krzynowek. Mit dieser Selbsterkenntnis lag der Bundesliga-Profi richtig. Zumal die Polen bei aller Schiri-Schelte verschwiegen, dass auch ihr Führungstor durch Roger Guerreiro wegen einer möglichen Abseitsstellung nicht unumstritten war.