Azzurri zittern vor WM-Revanche

SID
EM 2008, Roberto Donadoni, Italien
© DPA

Oberwaltersdorf - Italien fürchtet eine EM-Verschwörung und fleht: "Holland, bleib ehrlich". Die Titelzeile der Zeitung "Tuttosport" passte zu den Komplott-Theorien des angeschlagenen Weltmeisters.

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Italien ist im verzweifelten Kampf um den Einzug ins Viertelfinale auf die Schützenhilfe der Niederländer angewiesen. Das bereits als Gruppensieger qualifizierte Oranje-Team will im letzten Gruppenspiel gegen Rumänien zahlreiche Stars schonen, muss aber mindestens Unentschieden spielen, sonst wäre selbst ein italienischer Sieg in der Neuauflage des WM-Endspiels gegen Angstgegner Frankreich (Di., 20.30 Uhr im SPOX-Ticker) wertlos.

Der Weltmeister wäre raus, Trainer Roberto Donadoni gefeuert und Italiens "Euro-Disastro" perfekt.

Medien klagen 

Bei den entzauberten Turnierfavoriten geht die Angst um. "Noch so einen EM-K.o. wie vor vier Jahren in Portugal würde ich nur schwer verkraften", sagt Torhüter Gianluigi Buffon.

2004 schmiedeten Schweden und Dänemark nach Überzeugung der Italiener ein "Wikinger-Komplott", spielten im letzten Gruppenspiel 2:2 und schickten die ungeschlagenen Azzurri so nach Hause.

Dass UEFA-Sprecher William Gaillard das Schonen von Stars als "sinnvoll" bezeichnete, brachte die Tifosi auf die Palme. Dies sei eine Ermutigung zum Betrug. "Van Basten lässt fünf Stars draußen", klagte der "Corriere dello Sport".

Teammanger warnt 

Wenigstens Donadoni glaubt an die Fairness seines Freundes Marco Van Basten. "Er ist ehrlich und korrekt. Das ist eine Garantie", sagte der umstrittene Cheftrainer über den Bondscoach, "wir müssen an Frankreich und nicht an die Niederländer denken."

Bei aller Hysterie dürfen seine Stars die Konzentration auf das Wichtigste nicht vergessen: Den ersten Sieg in regulärer Spielzeit gegen Frankreich seit 30 Jahren.

Das Trauma von Portugal wird sich nicht wiederholen, bekräftige Italiens Teammanager Gigi Riva und warnte, schon jetzt nach Entschuldigungen zu suchen: "Begebt euch nicht in die Opferrolle, das ist gefährlich!"

Donadoni stemmt sich gegen das EM-Aus, die Weltmeister aber fühlen sich machtlos. Nach dem 0:3 gegen Holland und dem 1:1 gegen Rumänien haben sie ihr Schicksal nicht mehr selbst in der Hand.

"Gegen Frankreich fällt der Vorhang" 

Beim Training in Maria Enzersdorf war erstmals Resignation zu spüren, Italiens Presse hat das Team ohnehin schon aufgegeben: "Gegen Frankreich fällt der Vorhang", schrieb der "Corriere della Sera".

Riva will gegen Rumänien "das Italien der WM 2006" wiederentdeckt haben, Donadoni dreht dennoch wieder kräftig am Spielerkarussell: Für Simone Perrotta sollen Massimo Ambrosini oder Kämpfer Gennaro Gattuso ins Mittelfeld zurückkehren, und im Sturm scheint Antonio Cassano erstmals von Beginn an spielen zu dürfen.

"Er hat mir gut gefallen", sagt Donadoni. Ersatz-Kapitän Alessandro Del Piero droht wieder die Rolle des Edelreservisten, für Mauro Camoranesi kehrt Antonio Di Natale in den Angriff zurück.

Toni bleibt unangetastet 

Einzig Bayern-Star Luca Toni bleibt unangetastet, obwohl er seine zahlreichen Torchancen bislang reihenweise versiebte. "Er ist der beste Mittelstürmer der EM", nahm Riva den Hünen in Schutz.

Wie ein Feuerwehrmann versucht der Teammanager die zahlreichen Schwelbrände im eigenen Lager zu löschen und die Spieler zu motivieren: "Auch bei der WM 1994 haben wir die Gruppenphase nicht gerade brillant überstanden, sind aber dann bis ins Finale gegen Brasilien gekommen", erinnerte Riva.

Der frühere Weltklassestürmer denkt an die glorreiche Vergangenheit, die "La Gazzetta dello Sport" an die Zukunft: Und die heißt Marcello Lippi. "Sein Vertrag ist nur noch Formsache", kündigte das Sportblatt schon am Sonntag die Rückkehr des Weltmeistertrainers an, "es sei denn, gegen Frankreich passiert doch noch ein Wunder."

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