"Panzer, Version 2008"

Von Für SPOX.com bei der EM: Stefan Rommel
Spanien, Euro, EM 2008
© Getty

Ascona - Wenn es vor dem Turnier einen Prototyp gab für die Rolle des ewigen Verlierers, dann war das Spanien.

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Die Iberer gehen seit Dekaden immer wieder als Geheimfavorit in ein Großereignis, immer mit wunderbaren Einzelspielern beschieden, aber am Ende nie mit dem großen Erfolg.

Viele sehen in der inneren Zerrissenheit des Landes den Grund dafür. Galizier, Katalanen, Basken machen ihr eigenes Ding, das hoch traditionelle Madrid schaut machtlos zu.

Die besten Bilder des 2. Halbfinals

500. EM-Tor von Xaxi

Daran hat sich auch im Sommer 2008 wenig geändert. Die Seleccion aber hat es dieses eine Mal geschafft, verschiedenste Charaktere für wenige Tage gemeinsam auf ein Ziel einzuschwören.

Durch das 3:0 gegen Russland, vor dem Halbfinale der frisch gekürte Geheimfavorit auf den Titel und damit in einer ähnlichen Rolle wie die Spanier vor einem Turnier, steht Spanien zum dritten Mal überhaupt in einem EM-Endspiel.

Xavi mit dem 500. Tor bei einer EM- Endrunde (52.), der eingewechselte Daniel Güiza (73.) und David Silva (82.) schossen das Team von Luis Aragones vor 51.428 Zuschauern im Wiener Ernst-Happel-Stadion zu einem auch in dieser Höhe verdienten 3:0.

"Das Spiel meines Lebens"

"Die zweite Halbzeit war außergewöhnlich von uns. Wir wollten ins Finale. Gegen Deutschland wird es schwer", meinte Trainer Aragones.

"Das ist unglaublich, fantastisch. Die zweite Halbzeit war das Beste, was wir bei dieser EM gespielt haben", sprudelte es aus Andres Iniesta heraus, der mit einem klugen Pass die Vorarbeit zum 1:0 geleistet hatte.

Für das Endspiel kündigte er an: "Das Finale ist das Spiel meines Lebens. Das wollen wir auf jeden Fall gewinnen, dafür sind wir hier."

Hiddink als fairer Verlierer

Die Spanier hatten die aufstrebenden Russen und deren Offensivspektakel zu jeder Phase des Spiels im Griff. Vom neuen Superstar Andrej Arschawin war ebenso wenig zu sehen wie vom Rest der hoch gelobten Sbornaja. Spanien war an diesem Abend - wie schon beim 4:1 in der Gruppenphase - eine Nummer zu groß für die Russen.

"Wir haben gegen eine großartige spanische Mannschaft verloren. Die Spanier waren sehr gut. Spanien hat verdient gewonnen", erkannte Russlands Coach Guus Hiddink die Überlegenheit des Gegners neidlos an.

"Ich bin zwar enttäuscht über das Ergebnis, aber trotzdem stolz auf meine Mannschaft. Der dritte Platz für uns in diesem Turnier ist ein großartiger Erfolg."

"Die Jungs sind ausgeflippt"

Auf Seiten der Sieger wurde die erste EM-Finalteilnahme seit 24 Jahren natürlich überschwänglich gefeiert. "Ich kann es immer noch nicht glauben. Die Jungs sind in der Kabine ausgeflippt. Unser Weg ist noch nicht zu Ende, aber wir haben jetzt schon viel Gutes für den spanischen Fußball getan", strahlte Torhüter Iker Casillas vor Glück.

An der ausgelassenen Stimmung konnte auch der Ausfall von Torschützenkönig David Villa nichts ändern. Der Angreifer vom FC Valencia hatte sich bei einem Freistoß in der ersten Halbzeit den Oberschenkel gezerrt und fehlt den Iberern auch im Finale gegen Deutschland.

Trotz der Enttäuschung erlebte auch Villa einen tollen Abend. "Im Moment genieße ich einfach den Finaleinzug. Die Mannschaft hat nach meiner Auswechslung hervorragend gespielt. Natürlich ist es hart, am Sonntag zuschauen zu müssen, aber wir sind eine Mannschaft und ich werde die Jungs von der so gut unterstützen wie es geht."

"Marca" schießt schon gegen Deutschland

Unmittelbar nach dem Finaleinzug zogen die großen Sportzeitungen in Spanien im "Krieg der Schlagzeilen" schon die ersten Register. Die größte Sportzeitung "Marca" nannte die deutsche Mannschaft "Panzer, Version 2008", der eigenen Mannschaft gestattete das Blatt schon vor dem Finale die Überschrift "Wir sind die Besten!".

"El Mundo Deportivo" titelte: "Mit erhabenem Fußball bis ins Finale". Ganz so euphorisch geht die Mannschaft trotz der grandiosen Nacht von Wien nicht ins Finale.

"Deutschland ist Favorit. Sie haben einen Tag mehr Pause und sind physisch sehr stark", wehrte sich der für Torschütze Xavi eingewechselte Xabi Alonso gegen die Rolle des Favoriten. "Außerdem hat Spanien im Gegensatz zu Deutschland lange nichts mehr gewonnen."

Niemand mochte ihm da widersprechen. Die jüngere Fußball-Geschichte Spaniens und ihre vielen Enttäuschungen lassen sich nun mal nicht leugnen.

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