Vorsicht vor den "geborenen Losern"!

Von Für SPOX.com bei der EM: Stefan Rommel
Spanien, EM, Jubel
© Getty

Ascona - Spanien also. Die "geborenen Loser", wie sie SPOX.com in seinem Teamporträt genannt hatte. 

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Die Sache mit dem schon obligatorischen Versagen bei einem großen Turnier haben die Spanier dieses Mal in den Griff bekommen und warten jetzt am Sonntag im Endspiel auf die deutsche Mannschaft (So., ab 20.30 Uhr im SPOX-TICKER).

Nimmt man den Turnierverlauf, dann gehen die Spanier wohl als Favorit in das Spiel, auch "wenn ich weiß, dass sie jede Menge Respekt haben vor unserer Art und Weise wie wir spielen und Spiele gewinnen", wie Christoph Metzelder sagt.

Das letzte Länderspiel gegen die Iberer liegt schon mehr als fünf Jahre zurück, auf Mallorca setzte es eine bittere 1:3-Pleite.

Was erwartet die DFB-Elf jetzt im EM-Finale? Wer sind diese Spanier? SPOX.com hat ein paar Fakten gesammelt.

Die Flexibilität der Spanier

Der Torjäger fällt aus, das System muss von 4-1-3-2 auf 4-1-4-1 umgestellt werden? Kein Problem für die Seleccion. Trainer Luis Aragones hat genügend Allrounder in der Mannschaft, vor allem die offensiven Mittelfeldspieler können in ihrem Bereich fast auf jeder Position eingesetzt werden.

Durch den Ausfall von David Villa steht die erprobte taktische Ausrichtung mit nur Fernando Torres in der Spitze für das Finale schon fest. Und wenn Torres nicht trifft, kommt eben Güiza ins Spiel: Der machte 37 Pflichtspiele für einen mittelmäßigen Klub wie RCD Mallorca und dabei satte 27 Tore.

Das Kurzpassspiel

Keine andere Mannschaft der EM hat eine derart hohe Ballzirkulation wie die Spanier. "Wir haben gegen die Russen mit langen Bällen begonnen, das mögen die. Dann haben wir umgestellt auf Kurzpassspiel, da waren wir kompletter, sowohl in Angriff als auch in der Abwehr", sagte Aragones nach dem Halbfinale.

David Silva, Andres Iniesta und Cesc Fabregas brachten es zusammen auf insgesamt 192 Pässe gegen die Russen. Die "pass accuracy", also der Wert der Abspiele, die auch den eigenen Mitspieler erreichen, lag bei phantastischen 81 Prozent.

Hohe Ballbesitzzeiten

Das Kurzpassspiel birgt den angenehmen Vorteil, dass die Fehlpassquote sehr überschaubar ist und Spanien deshalb sehr lange in Ballbesitz bleibt. Teilweise mutet die Spielweise wie die eines Handballteams an, der Ball wandert oft um den gegnerischen Strafraum herum, ohne dass ein entscheidender Pass in die Tiefe kommt. Das oberste Ziel: Ballkontrolle. "Wenn wir den Ball haben, kann der Gegner kein Tor erzielen", philosophiert Aragones. Klingt einleuchtend.

Allerdings haben die Spanier bei diesem Turnier auch noch eine vorher unbekannte Variante entdeckt: Den schnellen Konter. "Dann geht es mit wenigen Kontakten durchs Mittelfeld", wie Torsten Frings weiß.

Vertikale Bälle in die Tiefe

Ball raus auf die Außen, Ball wieder zur Mitte, Einlaufen, Ball in die Gasse. Das spanische Spiel folgt häufig demselben Muster. Berechenbar ist es aber deswegen nicht. Xavi, Iniesta, Fabregas, Silva: Jeder einzelne verfügt über die Fähigkeit, den so genannten tödlichen Pass zu spielen. "Deshalb müssen wir die Mitte dicht und geschlossen halten", sagt Metzelder.

Die effektivste Sechs

Alles redet von den Zaubermäusen im Mittelfeld. Auch zurecht. Ohne ihre defensive Absicherung wären sie aber gar nichts. Marcos Senna spielt so unauffällig, dass es schon wieder auffällt. Neben seinem eigentlichen Job als Abräumer, Ballklauer und Lückenstopfer hat er den entscheidenden Faktor für einen defensiven Mittelfeldspieler: Er macht durch sein Spiel seine Mitstreiter besser.

Das Duell der Trainergenerationen

Joachim Löw ist 48 Jahre alt und verkörpert den Stil der jungen Trainergeneration. Eloquent, immer zuvorkommend, vertraut auf neue Trainingsmethoden und Fitnesstrainer aus den USA.

Luis Aragones wird Ende Juli 70 und ist damit der älteste Trainer des EM-Turniers. In Spanien eckt Aragones in schöner Regelmäßigkeit an, Diplomatie ist nicht seine Sache. Schrullig und verschroben regiert er die Seleccion, die Presse hat aber Respekt vor dem "Weisen von Hortaleza", nach dem Madrider Außenbezirk benannt, aus dem er stammt.

Ebenso legendär wie unmöglich seine Anspielung auf Thierry Henry vor vier Jahren. "Du bist besser als dieser beschissene Schwarze", hatte Aragones seinem Schützling Antonio Reyes mit auf den Weg gegeben, dass er sich gefälligst gegen seinen Teamkollegen Henry beim FC Arsenal durchsetzen solle.

Der beste Keeper der Welt

Über 300 Pflichtspiele für Real Madrid, 80 in der Nationalmannschaft: Mit 27 Jahren eine Wucht. Iker Casillas wurde früher der Hang zur Lässigkeit nachgesagt, dass er sich im entscheidenden Moment nicht konzentrieren könne.

Das Champions-League-Finale 2002 gegen Leverkusen war sein großer Durchbruch, als er erst eingewechselt wurde und Real mit unglaublichen Paraden den Sieg festhielt.

In den letzten Jahren hat sich Casillas kontinuierlich gesteigert und hat große Chancen, zum ersten Mal überhaupt zum Welttorhüter des Jahres gewählt zu werden.

Die kleinste Turniermannschaft

Das Mittelfeld besteht aus kleinen, wuseligen Ballverteilern. Die Spieler der mutmaßlichen ersten Elf kommen im Schnitt auf eine Körpergröße von 1,81 Metern. Allerdings retten die "Riesen" Carlos Marchena (1,83 Meter) und Fernando Torres (1,86 Meter) den Schnitt. Der beste Kopfballspieler, Carles Puyol, misst lediglich 1,80 Meter.

Die EM-Torfabrik

Elf Treffer haben die Spanier bei diesem Turnier bereits erzielt. Einen mehr als die ausgeschiedenen Holländer und einen mehr als die deutsche Elf. Noch...

Das Momentum

Den Russen wurde jenes mysteriöse Gut beschieden, nach dem Sieg im Viertelfinale über die Holländer: das Momentum. Niemand weiß so recht, wie es aussehen soll, das Momentum. Aber jeder weiß, dass es die Spanier den Russen geklaut haben und jetzt mit dem Momentum im Schienbeinschoner auf die Deutschen warten.

"Wir brauchen gegen Spanien eine Leistung am absoluten Limit. Und wir brauchen das Momentum in diesem Finale", sagt Metzelder. Denn wie jeder weiß: Ohne Momentum kein Pott.

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