Wenig Körper, ganz viel Hirn

Von Stefan Moser
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München - Portugal raus, Kroatien ausgeschieden, die Niederlande gescheitert. Dabei hatten doch alle drei Teams die Gruppenphase recht souverän gemeistert und waren als Erster in die Runde der letzten Acht eingezogen.

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Nun wollen die Spanier, Erster in Gruppe D, diesen Fluch brechen und damit ins Halbfinale gegen Russland einziehen.

Allerdings müssen die Iberer dafür erst Weltmeister Italien ausschalten (20.30 Uhr im SPOX-TICKER). Die Squadra Azzurra konnte nach dem schwachen Start gegen die Niederlande zuletzt gegen Frankreich wieder überzeugen und ist auch vor dem Duell gegen die Spanier optimistisch.

"Ich habe keine Zweifel daran, dass wir jede Mannschaft schlagen können", so Italiens Nationaltrainer Roberto Donadoni, der im Mittelfeld auf die gesperrten Gennaro Gattuso und Andrea Pirlo verzichten muss.

Aufgrund der Ausfälle setzt Donadoni nun auf einen Block aus Spielern des AS Rom: Neben Daniele De Rossi werden Simone Perrotta und Alberto Aquilani auflaufen. Vierter Mann im Mittelfeld ist Massimo Ambrosini vom AC Mailand.

Vor dem Duell hat sich SPOX.com die Schlüsselstellen beider Teams ganz genau angeschaut und miteinander verglichen.

 Das Karma: Spaniens Schönheit vs. Italiens Effizienz
 

Klischee I: Spanien geht als Mitfavorit ins Turnier, zaubert mal hier eine Halbzeit, mal dort eine Halbzeit und fliegt dann gegen irgendeinen Pragmatiker raus. Vor 4 Jahren etwa hieß der Stolperstein Griechenland.

Klischee II: Italien rumpelt sich durch Qualifikation und Gruppenphase, ist zur rechten Zeit aber in der richtigen Form und wirft reihum die Zauberer aus dem Turnier.

Tendenz: Gegen Schweden hat auch Spanien italienisch effizient und schmutzig gewonnen. Und Italien nervte bislang keineswegs mit kühlem Realismus. Weil Italien aber schon seit 88 Jahren der absolute Angstgegner der Spanier ist - minimaler Vorteil Italien.

 

Spaniens Torwart vs. Italiens Torwart

  

Iker Casillas: Überragend auf der Linie, stark in  der Strafraumbeherrschung.

Kandidat für den Welttorhüter des Jahres.

Gianluigi Buffon: Stark auf der Line, überragend in der Strafraumbeherrschung. Kandidat für den Welttorhüter des Jahres.

Tendenz: Extraklasse vs. Spitzenklasse - der Sieger ist ein ziemlich heißer Kandidat für den Welttorhüter. Kommt's zum Elfmeterschießen, wohl minimaler Vorteil Spanien.

  

Spaniens Innenverteidigung vs. Italiens Sturmspitze

 

Carles Puyol / Carlos Marchena: Stark am Boden, sicher im Stellungsspiel, souverän in der Spieleröffnung. Größtes Manko: die fehlende Körpergröße und Schwächen in der Luft.

Luca Toni: Bislang eher unglücklich beim Abschluss, trotzdem in guter Form. Größtes Plus: die Körpergröße und Stärken in der Luft.

Tendenz: Toni wird die langen Zuspiele und Standards des gesperrten Pirlo vermissen. Trotzdem: ein Tor des Bayern-Stars ist längst überfällig. Leichter Vorteil Italien.

 

Spaniens linker Flügel vs. Italiens rechter Verteidiger

 

David Silva: Der vermeintlich kleinste Name im spanischen Mittelfeld absolviert das größte Laufpensum. Quirlig, clever, selbstbewusst. Dazu wohl der Dynamischste der offensiven Dreierkette.

Gianluca Zambrotta: Schwache Saison bei Barca, durchwachsene EM bislang. Vorne häufig mit harmlosen Flanken aus dem Halbfeld, hinten mit ungewohnten Patzern. Aber: ein erfahrener Wettkampftyp.

Tendenz: Abhängig vom Spielverlauf. Kontrollieren die Iberer wie gewohnt den Ball und bleibt Zambrotta in der Defensive gebunden: leichter Vorteil Spanien.

 

Spaniens rechter Verteidiger vs. Italiens linker Verteidiger

 

Sergio Ramos: Einer der besten Rechtsverteidiger Europas. Schnell, zweikampfstark, technisch versiert und mit unheimlichem Zug zum Tor - zum gegnerischen wohlgemerkt.

Fabio Grosso: Auch schnell. Immerhin. Und mit unbändigem Siegeswillen gesegnet.

Tendenz: Interessantes Duell, weil beide Außenverteidiger extrem offensiv denken. Ramos ist der bessere Fußballer. Deshalb: Vorteil Spanien.

 

Spaniens Stratege vs. Italiens Schaltzentrale

 

Xavi: Wenig Körper, ganz viel Hirn! Überragendes Stellungsspiel, sensationelles Auge, dazu ein Genie am Ball. Manchmal zu kompliziert, ohne den letzten Killer-Instinkt.

Daniele De Rossi: Unkomplizierter und schnörkelloser Killer mit extrem viel Leidenschaft. Allerdings auch ein richtig guter Kicker und keinesfalls nur Abräumer. Neigt jedoch zu cholerischen Aussetzern.

Tendenz: De Rossi ist so etwas wie die dunkle Seite von Xavi: Ganz viel Körper und so weiter. Möge der Bessere gewinnen - Remis.

 

Spaniens kongenialer Motor vs. Italiens biederer Allrounder

 

Andres Iniesta: Perfekte Kreuzung aus Brillanz und Fleiß. Die ideale Ergänzung zu Xavi.

Massimo Ambrosini: Perfekte Kreuzung aus Fleiß und Fleiß. Kann alles, aber nichts so richtig. Mit seiner Erfahrung trotzdem ein wertvoller Spieler. Kopfballstark.

Tendenz: Ambrosini hat eine merkwürdige Neigung, in wichtigen Spielen plötzlich Tore zu schießen. Wird mit Iniesta aber in der Defensive genug zu tun haben. Leichter Vorteil Spanien.

 

Spaniens Sturmduo vs. Italiens Innenverteidigung

 

Fernando Torres / David Villa: Mit fünf Treffern das mit Abstand gefährlichste Sturmduo der EM. Beide harmonieren blendend, sind schnell, vielseitig und kaltschnäuzig.

Christian Panucci / Giorgio Chiellini: Nach den Verletzungen von Cannavaro und Barzagli eher eine Notlösung - gegen Frankreich aber keine schlechte. Bei Standards zudem beide sehr gefährlich vorm gegnerischen Tor.

Tendenz: Können Panucci und Chiellini tief stehen, ist das Duo immerhin solide. Je mehr Villa und Torres sich bewegen und rochieren, desto größer dürften aber die Probleme werden. Vorteil Spanien.

 

Mister Zuverlässig  vs. Mister X

 

Marcos Senna: Sehr starkes Turnier in der zentralen Defensive, die Zuverlässigkeit in Person. Erobert viele Bälle, beteiligt sich konstruktiv am Aufbau und macht kaum Fehler.

Das große Fragezeichen: Ohne Andrea Pirlo fehlt den Azzurri ein Spielgestalter. Camoranesi und Perrotta konnten bislang nicht überzeugen. Aquilani bisher nur mit einem Kurzeinsatz.

Tendenz:  Man darf gespannt sein, wie Italien das kreative Vakuum füllen will. Aber egal, wer es machen soll, er wird mit Senna einen unbequemen Gegner antreffen. Vorteil Spanien.