Fußball im Hauptwaschgang

SID
Kroatien, Fanblock, Fans, Bengalos, Feuerwerk
© Getty

Ascona - Hab ich was mit den Augen oder ist der Wiener Prater blitzartig in einer dicken Nebelsuppe verschwunden?

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Beim Spiel der Kroaten gegen Österreich waren doch klar Nebelschwaden zu erblicken, im Block der Kroaten, kurz nach dem Elfmetertor zum 0:1 durch Modric.

Allerdings wurde flugs wieder umgeblendet, die Jubeltraube von der anderen Seite filmisch eingefangen. Hab mich da schon gewundert. Genauso, wie ich mich über diese völlig sinnfreien Super-Super-Zeitlupen gewundert habe.

Ist ja schön und gut zu sehen, wie der Ball sich verformt, wenn ihn Joe Simunic aus dem Sechzehner schädelt. Aber wenn ich so was sehen will, schau ich Sendung mit der Maus.

Viel lieber würde ich als Fernsehzuschauer auch den ein oder anderen Eindruck aus dem Stadion sehen wollen, was die Fans so machen, wie die Trainer über ihre Spieler nörgeln oder der Jogi die Wasserflasche erzürnt auf den Boden schleudert.

Gibt's alles nicht. Des Rätsels Lösung habe ich heute aufgeschnappt. Die UEFA ist schuld. Oder besser: Der Umstand, dass der Veranstalter die Signale und Bilder für alle Welt bei der EURO 08 selbst produziert.

Aalglatt und gewaschen, chemisch gereinigt und steril. Hauptwaschgang mit Schleuder. So, wie der Fußball eben sein soll im EURO-Phantasia-Land.

Im Einsatz für die gute Sache sind 30 Kameras, ein Helikopter, sieben Super-Zeitlupen-Kameras und eine High-Speed-Kamera, die über 500 Bilder pro Sekunde aufnimmt. Die macht dann die Bilder für die Maus-Sendung.

Das Bild der sauberen Europameisterschaft wird vermittelt. Da hat Bengalo-Nebel ebenso wenig zu suchen wie der Flitzer, der sich beim Kroatien-Spiel durch unzählige Sicherheitsschranken hindurch den Weg aufs Spielfeld geschlagen hat.

Im Fernsehen war davon keine Millisekunde was zu sehen, einzig Zeitzeugen, die mit einem Ticket gesegnet waren, haben ihn erspäht. "Wenn sich ein paar Gestörte auf der Tribüne die Köpfe einschlagen, zeigen wir das sicher nicht", sagt Pascale Vögeli von der EURO08 SA.

Das will natürlich niemand. Aber durch einfache Übertreibung lässt sich das Problem an sich nicht wegreden. Wenigstens gibt es ja das Internet. Dort wird alles nachgereicht, was dem Fernsehzuschauer verwehrt wird. Hier zum Beispiel: http://www.20min.ch/em2008/neben_dem_platz/story/17602698

Wild, archaisch und schonungslos. So wie der Fußball eben sein sollte. Für mich jedenfalls.

Ziemlich schonungslos ist auch ein Besuch beim Frisör - und zwar fürs Portemonaie. Cut and Go in der Locarnoer Innenstadt verlangt 54 Franken für den Herren. Cut and Go and leave all your Fränkli here.

Ciao und Grüezi wohl.

SPOX-Redakteur Stefan Rommel begleitet das deutsche Team während der Europameisterschaft und berichtet täglich aus dem Quartier in Ascona. 

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