So knackt Deutschland die Spanier

Von Für SPOX.com bei der EM: Stefan Rommel
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Ascona - Manchmal ist Fußball schon richtig absurd. David Villa verletzte sich. Villa ist erwiesenermaßen von Beruf Stürmer und das nicht schlecht: vier EM-Tore, damit Führender in der Torjägerliste

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Er verletzte sich also im Halbfinale gegen Russland und Spanien hatte ein Problem beim Stand von 0:0: Während des Spiels musste Trainer Luis Aragones sein System umstellen.

Er musste von 4-1-3-2 auf ein 4-1-4-1 gehen, seinem dritten Stürmer Daniel Güiza traute er offenbar nicht so richtig über den Weg.

Eine Stunde später stand es 3:0, Spanien hatte das Finale mit der besten Turnierleistung überhaupt erreicht. Und in der Nachbetrachtung finden nicht wenige, dass sich Villas Verletzung sogar als Glücksfall erwiesen hatte.

Fabregas als Schlüsselspieler

Das 4-1-4-1 hat die Iberer in der Offensive stärker gemacht, trotz des Ausfalls ihres Topstürmers.

Mit Cesc Fabregas kam der Schlüsselspieler in die Partie, das Mittelfeld wurde um eine schillernde Komponente ergänzt und erreichte eine ungeahnte Perfektion.

Vor dem Finale gegen Deutschland (JETZT im SPOX-TICKER) steht in Spanien außer Frage, dass das 4-1-4-1-System auch beim letzten Schritt zum Traum Bestand haben muss. Und genau darin besteht die große Chance für die deutsche Mannschaft.

Finger weg vom 4-4-2!

Gegen die Türkei war Joachim Löw hin und her gerissen. Ein Stürmer? Zwei Stürmer? "Ich habe während des Spiels darüber nachgedacht, einen zweiten Angreifer zu bringen. Aber wir hatten auch im Mittelfeld große Probleme, deshalb wollte ich nicht umstellen", meinte der Bundestrainer.

Für das Finale gibt SPOX.com dem Coach den Rat: Jogi, lass gegen diese Spanier die Finger vom 4-4-2!

Gegen die vier offensiven Mittelfeld-Zauberer der Spanier würden Michael Ballack und Torsten Frings im defensiven Mittelfeld komplett untergehen. Mit Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski auf den Außen wäre die Defensive viel zu schwach besetzt.

Trojanisches Pferd

Das Fünfer-Mittelfeld muss bleiben. Und zwar in derselben Anordnung, wie es auch die Spanier haben. Also mit einem reinen Abräumer (Frings) und vier eher offensiv ausgerichteten Mittelfeldspielern.

Was auf den ersten Blick viel zu offensiv ausgerichtet erscheint, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als das richtige Rezept. SPOX.com erklärt, wie Deutschland die Spanier mit ihren eigenen Waffen schlagen kann.

"Die Mitte dicht halten!"

Bei Ballbesitz des Gegners rückt die Mittelfeld-Viererkette nach hinten und schließt die Räume. So hätte Deutschland immer mindestens neun Spieler hinter dem Ball und die Ballzirkulation des Gegners besser im Griff, da Pass- und Laufwege der Spanier zugestellt wären.

"Wir müssen die Mitte dicht halten", forderte auch Christoph Metzelder auf der abschließenden Pressekonferenz der Mannschaft in Tenero.

Gegen die Türkei war der Raum zwischen defensivem Mittelfeld und Abwehrkette die Schwachstelle im deutschen Spiel. Ähnliche Lücken würden sich dem Gegner dann nicht mehr bieten.

Der "italienische Weg"

Anschauungsunterricht erteilten die Italiener den Deutschen. Im Viertelfinale gegen den Weltmeister kam Spanien in 120 Minuten lediglich zu zwei Torchancen, weil die Squadra Azzurra den Iberern die Luft zum Atmen nahm und keinen einzigen Pass in die Tiefe gewährte.

Fernando Torres oder David Silva laufen gerne von den Außen ein und warten im vollen Sprint auf das Anspiel aus dem Zentrum. Mit 18 Abwehrbeinen aber lassen sich diese tödlichen Zuspiele verhindern.

Senna attackieren

Das Geheimnis des Erfolgs liegt aber nicht nur in der Defensive. Die Italiener etwa hatten es versäumt, den Spaniern auch offensiv weh zu tun. Und genau hier muss die deutsche Mannschaft ansetzen.

Das Defensivkonzept wäre auch mit zwei Sechsern umsetzbar, allerdings bliebe dann zu wenig Power für das Offensivspiel. Mit einer Viererkette im Mittelfeld aber kann Deutschland seinerseits viel schneller und öfter in den kritischen Raum der Spanier eindringen, zwischen offensiver Mittelfeldreihe und Viererabwehrkette. Marcos Senna spielt ein überragendes Turnier, aber er wird von seinen Kollegen im Mittelfeld oft alleine gelassen.

David Silva und Andres Iniesta helfen defensiv weniger aus, allenfalls Fabregas und Xavi eilen regelmäßig mit zurück. Der Schlüssel läge in der Besetzung des einen freien Platzes im Mittelfeld.

Borowski als Geheimwaffe

Wenn Ballack spielen kann, müssen Simon Rolfes und Thomas Hitzlsperger weichen, den vakanten Platz sollte Tim Borowski einnehmen.

Zusammen mit dem Kapitän füllt Borowski die Zentrale aus und stößt abwechselnd oder zusammen mit Ballack immer wieder mit vorne rein. Senna sähe sich dann immer zwei Gegenspielern in seinem Bereich gegenüber, Fabregas wäre als Unterstützung immer wieder auch defensiv gefordert.

Was noch für Borowski spricht: Bisher war der Bremer mit 22 Minuten Einsatzzeit nur eine Randnotiz bei der EM. Boro würde so richtig brennen und hätte für die Spanier auch eine Art Überraschungseffekt. Borowski wäre auch der Plan B, sollte Ballack nicht spielen können. Dann wäre Hitzlsperger die erste Alternative neben dem Bremer.

Druck auf Capdevila

Einen großen Vorteil hat die DFB-Elf bei den Außenverteidigern. Sergio Ramos ist gefährlich, vor allem im Spiel nach vorne. Durch das vielmaschige Mittelfeldgeflecht und zwei Gegenspieler auf seiner Seite (Lukas Podolski und Philipp Lahm) sollte sein Offensivdrang aber schon früh zu stoppen sein.

Joan Capdevila ist der Schwachpunkt im spanischen Team. Der Linksverteidiger traut sich kaum einmal über die Mittellinie, verteidigt allenfalls solide. Bastian Schweinsteiger und Arne Friedrich müssen auf rechts immer wieder Druck auf Capdevila ausüben, so dass Senna aus dem Zentrum zu Hilfe eilen muss und damit unfreiwillig Platz für Ballack oder Borowski schafft.

Wenn Löw richtig mutig ist, denkt er sogar über Clemens Fritz an Stelle von Friedrich auf der rechten Abwehrseite nach. Fritz ist offensiv deutlich stärker als der Berliner und könnte als klassischer Passen-und-Gehen-Spieler Capdevila so richtig zusetzen.

Schnelles Umschalten

Trotz der sehr offensiven Ausrichtung wären schnelle Konter der Spanier gut zu verhindern, da im Zentrum ja immer Frings steht und mit Hilfe von entweder Ballack oder Borowski oder von beiden rechnen kann und immer auch mindestens drei Abwehrspieler hinter dem Ball stünden.

Durch die beiden offensiveren zentralen Mittelfeldspieler könnte Deutschland seinerseits schneller von Defensive auf Offensive umschalten und so die Spanier mit ihren eigenen Waffen schlagen.

Klose als Ballverteiler

Ganz wichtig wird dabei aber sein, die einzige Spitze Miroslav Klose mit den von Löw geforderten vertikalen flachen Pässen zu bedienen. Nur dann kann Klose den Ball auch behaupten und auf die nachrückende Mittelfeld-Armada verteilen.

Hohe Anspiele sind Gift, da sich Klose mit dem Rücken zum Tor gegen die kopfballstarken Carles Puyol und Carlos Marchena kaumdurchsetzen und den Ball per Kopf auch nicht sauber weiterverarbeiten kann.

Zumal Marchena am Boden einige Probleme offenbarte und eigentlich nur von seinem sehr guten Stellungsspiel lebt. Die Schnelligkeitsvorteile liegen klar bei Klose.

Im Endeffekt sollte die DFB-Elf so spielen wie ihr Gegner. Mit den eigenen Waffen zurückschlagen - im Viertelfinale gegen Portugal hat diese Maßnahme doch schon sehr gut funktioniert...