EM

Die Antithese zum Trainergeschäft

Von Daniel Reimann
Horst Hrubesch will sich bei der U21-EM einen Traum erfüllen
© getty

Deutschlands U21-Nationaltrainer Horst Hrubesch passt so gar nicht zu den Trends auf der Trainerbank der letzten Jahre. Trotzdem hat er seine perfekte Nische gefunden. Bei der U21-EM kämpft der Prediger vor dem letzten Gruppenspiel gegen Tschechien (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) für seinen letzten Trainertraum.

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2006 war es noch Xavier Naidoo. Beim Sommermärchen war der Sänger dank DJ Gerald Asamoah in der Kabine der Deutschen omnipräsent. Sein Lied "Dieser Weg" wurde zur Hymne der DFB-Kicker. Vor den Spielen wurde der Song als Mutmacher in der Kabine aufgelegt.

Auch Deutschlands U21 hat einen Motivationssong. Der neue Xavier Naidoo heißt beim DFB-Nachwuchs Selam Araya. Der Song "Gemeinsam schaffen wir alles", eine Mischung aus Pop und R'n'B, ist der neue Kabinenhit bei der EM in Tschechien. Leonardo Bittencourt ist mit dem Sänger befreundet und hat die Sache angeleiert, wie er auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Dänemark verriet.

Drei Tage später geht es bei der DFB-PK erneut um Musik. Horst Hrubesch erzählt begeistert: "Er hat mich in sein Haus eingeladen, das war mir eine große Ehre. Wir haben sogar zusammen Babicka gesungen." Diesmal ist die Rede von Karel Gott. "Das ist einfach meine Musik", so Hrubesch.

Einer der letzten Mohikaner

Es ist einer dieser Momente, in denen einmal mehr deutlich wird, wie weit Horst Hrubesch von der aktuellen Spielergeneration entfernt ist - ebenso wie von der neuen Trainergeneration. Hrubesch ist alt, sein Musikgeschmack ist noch älter. Er ist kein Selbstdarsteller, ist nicht eitel und hat keinen eigenen Profilierungsbedarf. An der Spielkonsole wird er von seinen Enkeln rund gemacht. Und mit Social Media hat er erst recht nichts am Hut.

"Bis ich mit meinen Fingern was getippt hätte, wäre der Tag vorbei", sagte er der Bild. WhatsApp ist noch das Höchste der Gefühle, aber "ich nutze das kaum", erzählte er der SZ. Und mit Jugendsprache kann er schon gar nichts anfangen.

Hrubesch ist einer der letzten Mohikaner, vom Schlage eines Jupp Heynckes oder Hermann Gerland. In einer Zeit, in der die Trainer immer jünger werden und teilweise erst gar keine lange Spielerkarriere hinter sich haben. Solche, die sich durch die Jugendteams des Vereins bis zum Cheftrainerposten hocharbeiten. Solche, die "die Sprache der Jugend sprechen", wie ihnen oft attestiert wird.

Prediger des Grundsätzlichen

Hrubesch spricht diese Sprache nicht, er will das auch gar nicht vortäuschen. Hrubesch ist die Trainer-gewordene Antithese zu den Entwicklungen der letzten Jahre in diesem Geschäft. Auch sein Coaching wirkt bisweilen altbacken. Der 64-Jährige schafft es, Komplexes auf das Einfache zu reduzieren. Er macht die Dinge nicht komplizierter, als sie sind. Schon als aktiver Stürmer hielt er sich meist an das simple Fußball-ABC. Das Erfolgsrezept zu seiner Zeit beim HSV beschrieb er einst mit "Manni Banane, ich Kopf, Tor."

Auch als Trainer ist Hrubesch keiner, der elend lange Taktikmonologe hält oder hochkomplexe Matchpläne aufstellt. Stattdessen erinnert er mit einer bemerkenswerten Beharrlichkeit an die aus seiner Sicht im Fußball unentbehrlichen Grundtugenden.

Schon 2013 warnte er im SPOX-Interview davor, man dürfe bei all der spielerischen Qualität im Nachwuchsbereich "mit der Mentalität nicht hinterherhinken. Persönlichkeit, Mentalität und Aggressivität" sollen nicht vernachlässigt werden.

Gleichzeitig predigt er zwischenmenschliche Werte, die ihm gerade im Nachwuchsbereich besonders wichtig sind. "Ich will den Jungs etwas weitergeben. Vor allem Werte wie Respekt, Anstand und Ehrlichkeit. Die können alle super kicken, das wissen wir. Aber wie kriegst du sie hin, dass sie als Mannschaft funktionieren? Das geht nur durch ein vernünftiges Miteinander."

Basics als Erfolgsgrundlage

Das Vermitteln von solchen Basics ist Hrubeschs Erfolgsgrundlage. Er führte sowohl die U19 (2008) als auch die U21 (2009) zum EM-Titel und auch bei der diesjährigen U21-EM in Tschechien stehen die Chancen gut: Deutschland geht als Tabellenführer ins letzte Gruppenspiel und stellt mit Abstand den besten Kader des Turniers.

Sein auf den ersten Blick "einfaches" Erfolgsrezept erinnert ein wenig an Jupp Heynckes, der mit Bayern 2013 das Triple holte. Unter Jürgen Klinsmann hat der Verein laut Uli Hoeneß "für zigtausend Euro Computer gekauft. Da hat er den Profis in epischer Breite gezeigt, wie wir spielen wollen. Wohlgemerkt wollen."

Heynckes hingegen hatte "einen Flipchart und fünf Eddingstifte. Da kostet einer 2,50 Euro. Und da malt er auf die Tafel die Aufstellung des Gegners und sagt ein paar Takte dazu." Hoeneß' Fazit: "Entscheidend ist nicht jung oder alt, sondern gut oder schlecht.

"Ich liebe meine Spieler"

Blickt man auf die Erfolge von 2008 und 2009, würde man Hrubesch zu den guten Trainern zählen. Schaut man weiter zurück, wird jedoch auch klar: So gut wie bei den deutschen U-Mannschaften lief es nicht immer. Die negative "Krönung" seiner Karriere war das krachende Ausscheiden bei der EM 2000 als Assistent von Erich Ribbeck.

"Diese Mannschaft war einfach kaputt vor lauter Eitelkeiten, die wollte den Titel gar nicht", blickt er heute zurück. Womöglich liegen ihm die Jugendteams auch deshalb mehr, weil er selbst noch einen erziehenden Einfluss auf die Spieler haben kann. Hrubesch steht die Rolle des Wertevermittlers, weil er sie mit Authentizität und Aufrichtigkeit ausfüllt.

"Ich will durch Ehrlichkeit Vertrauen aufbauen. So dass die Spieler wissen: Der hilft mir. Es geht bei mir nur um die Spieler, wir stehen zueinander. Ich liebe meine Spieler, ich adoptiere sie", sagt er auf der PK vor dem Tschechien-Spiel, als er auf sein Image als Vaterfigur angesprochen wird.

Es scheint, als hätte Hrubesch in den U-Mannschaften seine perfekte Nische gefunden. Und das im Spätherbst seiner Trainerkarriere.

Ein letzter Traum

Nächstes Jahr wird er wahrscheinlich in Rente gehen, er ist dann 65. "Es ist dann wohl an der Zeit, dass etwas jüngere Leute mit anpacken. Vielleicht gibt es danach den Trainer Hrubesch nicht mehr", sagt er. Vorher will er sich jedoch mit der U21 seinen letzten großen Traum als Coach erfüllen: Olympia.

"Als ich die U21 übernommen habe, war das ein Grund", so Hrubesch. "Olympia ist ein Turnier, das ich selbst noch nicht gespielt habe. Olympia hat mich fasziniert, nach allem, was ich gehört habe." Ein Sieg gegen Tschechien und der Traum von Rio wird 2016 in Erfüllung gehen.

Was danach kommt, ist noch unklar. Doch eins kann Hrubesch jetzt schon ausschließen. Als ein Bild-Reporter einen Auftritt im Dschungelcamp oder bei "Let's Dance" vorschlug, entgegnete Hrubesch: "Ja logisch - aber sonst geht es dir gut, oder? Dschungelcamp habe ich täglich zu Hause. Und Foxtrott kriege ich in Ansätzen noch hin, dann ist aber auch schon Feierabend. Bevor ich mich im Fernsehen lächerlich mache, verzichte ich lieber dankend."

Horst Hrubesch im Steckbrief

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