EM

Mission erfüllt, nächster Teil

Von Für SPOX in Jerusalem: Jochen Tittmar
Campeones! Die spanische U 21 verteidigte ihren EM-Titel nach einem 4:2 über Italien
© getty

Die spanische U-21-Nationalmannschaft hat den EM-Titel verteidigt. Somit kommen die Europameister bei den Senioren, der U 21 und der U 19 allesamt aus Spanien - weil die Früchte einer einheitlichen Spielphilosophie weiterhin tragen. Ob des Nachschubes aus dem Unterbau und der einhergehenden Chancenlosigkeit der Gegner scheint ein Ende nicht in Sicht.

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Grimmig blickte Julen Lopetegui drein und scheuchte mit einer abfälligen Handbewegung seine Spieler ein paar Meter weiter nach hinten. Die spanische Bank hatte sich nämlich bereits erhoben und das "Campeone"-Lied angestimmt, obwohl das Finale gegen Italien noch gar nicht abgepfiffen war.

Dabei stand jedoch längst fest, dass hier nichts mehr anbrennen wird. Doch Lopetegui war dies offenbar vollkommen wurscht, er scheuchte seine Elf trotz eines komfortablen Vorsprungs auch noch wenige Augenblicke vor dem letzten Pfiff des Turniers in die Grundformation zurück und hielt die Offensivspieler an, weiterhin tief in der gegnerischen Hälfte zu attackieren.

Lopetegui doppelter Europameister

Erst als der Ball dann wirklich nicht mehr rollte, ging auch Spaniens Trainer etwas aus sich heraus und bejubelte einen historischen Triumph. Erstmals gelang es La Rojita, den Titel bei einer U-21-EM zu verteidigen. Für Ex-Keeper Lopetegui, der 2003 bereits nach zehn Spieltagen bei Rayo Vallecano entlassen wurde und als Coach bislang ausschließlich im Hintergrund werkelte, war dies schon der zweite Titel innerhalb eines Jahres. Im Juli 2012 führte er die U 19 Spaniens zum EM-Sieg in Estland.

Damit stellen die Spanier nunmehr die Europameister im Seniorenbereich, bei der U 21 und der U 19. Auch wenn zwei deutsche Teams kürzlich auf Klubebene etwas besser abschnitten, Spanien und seine Nationalteams sind und bleiben das Maß aller Dinge. Die U 21, die alle ihre fünf Spiele in Israel souverän gewann, wurde zuletzt am 24. März 2011 besiegt.

Als im Nachgang des 4:2-Endspieltriumphs über Italien Alvaro Morata, Thiago Alcantara und Isco für die ersten drei Plätze im Topscorer-Ranking mit Schuhen unterschiedlicher Couleur ausgestattet wurden und ihr Loblied auf eine tolle Mannschaftsleistung sangen, stach dabei eine Aussage heraus.

Die Mission: Tiki-Taka

Diese kam von Thiago, der mit seinen drei Treffern ja bereits auf dem Feld herausstach. "Wir haben eine Mission und die heißt Tiki-Taka. Es ist wichtig, dies der Welt zu zeigen", sagte der Spieler vom FC Barcelona.

Dieser Satz symbolisiert gewissermaßen den Unterschied, den Spaniens Nationalmannschaften derzeit im Weltfußball ausmachen. Das Land verfolgt seit einigen Jahren eine einheitliche Spielphilosophie, die keine Kompromisse zulässt und weder von Spielern und Trainern, noch dem Verband in Frage gestellt wird. Noch dazu lebt man in Spanien diesen fußballerischen Gleichklang auf allen Ebenen, vom Jugend- bis in den Seniorenbereich, und verfolgt ihn mit einer Selbstverständlichkeit, dass es den sportlichen Kontrahenten Angst und Bange werden kann.

Auf den Spuren von Xavi und Co.

Es wurde bereits der Begriff der "Goldenen Generation" bemüht, um die Glanzleistungen von Xavi, Andres Iniesta und Co. in den letzten Jahren auf Vereins- und Landesebene einzuordnen. Dieser Ansatz greift jedoch deutlich zu kurz, wenn man sieht, auf welchen Unterbau man sich im Land des Welt- und Europameisters berufen kann.

Die Früchte des temporeichen, variablen und aufgrund technischer Überlegenheit dann auch dominanten Kurzpassspiels tragen selbst im Juniorenbereich. Spanien scheint sich generationenübergreifend das Monopol auf den erfolgreichsten und nebenbei auch schönsten Fußball gesichert zu haben.

Anderen Ländern, vornehmlich denen, die grandios an spanischen Teams gescheitert sind, dient man damit schon länger als Vorbild. Viele Kontrahenten haben sicherlich bereits einen vernünftigen und die eigene Identität widerspiegelnden Weg eingeschlagen, doch seitdem gelang es noch niemandem, den Spaniern im Ländervergleich wirklich nahe zu kommen. Nach dem enttäuschenden Aus in der Gruppenphase hat auch der DFB beim Thema der Sportdirektorensuche wieder erklärt, dass man den aktuellen Rückstand im Jugendbereich dadurch wettmachen wolle, indem von unten nach oben ein einheitlicher Ansatz verfolgt werden soll.

"Wir haben diesen einen Stil. Wir glauben fest daran und arbeiten weiter an ihm", sagte ein dann wieder recht unbeeindruckt dreinschauender Lopetegui auf SPOX-Nachfrage bei der Pressekonferenz nach dem Sieg. "Wir wissen, dass dieser Stil nicht perfekt ist, denn nichts ist im Fußball perfekt. Deshalb versuchen wir, ihn weiter zu verbessern."

Nicht nur Qualität - auch Teamspirit

Lopetegui schränkte ein, dass das Tiki-Taka ohne die passenden Spieler nicht funktionieren könne. Es ist aber beileibe kein Zufall, dass Spaniens Reservoir an Spielern, die diesen Stil mit großer Leichtigkeit umsetzen, unerschöpflich scheint. Bereits in den untersten Auswahlmannschaften wird in der Ausbildung gezielt darauf hingearbeitet, dass der Nachschub an Spielermaterial den Anforderungen dieser Herangehensweise entspricht - sowohl in technischer und taktischer Hinsicht, als auch im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung.

Diese erfolgreichen Teams der Spanier bestechen neben aller fußballerischen Klasse nämlich auch durch einen Teamspirit, der zur erfolgreichen Umsetzung genauso dazu gehört wie das Rüstzeug an der Kugel.

Die U 21 hat ihn am Dienstagabend in Jerusalem beispielsweise dadurch versinnbildlicht, dass Dreifachtorschütze Thiago den zweiten Strafstoß Isco überließ oder direkt nach Ende der Partie dem aufgrund einer Verletzung vorzeitig abgereisten Sergio Canales gehuldigt wurde.

Dominanz im spanischen Stil

"Ich habe den ersten Elfmeter geschossen, also schoss mein Freund den anderen", sagte Thiago, der schon beim Triumph in Dänemark vor zwei Jahren dem Team angehörte und damals als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde. Aber was war in diesem Moment mit der Chance auf die historischen vier Tore in einem Finale? "Unwichtig. Das wichtigste ist, dass wir als Gruppe gewonnen haben."

Und das in einer Art und Weise, die die Gegner vollkommen chancenlos zurückließ. Das gelang selbst dem A-Team nicht, das bei der EM 2012 gegen Frankreich und Portugal doch teils erhebliche Probleme bekam. Im Vergleich dazu schaltete die U 21 mitunter schneller um und sprühte eine noch größere Lust aufs Attackieren aus. La Rojita hat in Israel seine Gegner von der ersten bis zur letzten Sekunde des Turniers beherrscht - mit dem spanischen Stil. Der nächste Teil der Mission wurde erfüllt.

Die U-21-EM im Überblick