EM

Auf Deutsch verloren

Von Für SPOX in Petach Tikwa: Jochen Tittmar
Am Ende siegte die Erfahrung der Niederländer über die Frischlinge von Rainer Adrion
© getty

Nach dem 3:2-Sieg gegen Deutschlands U 21 jubiliert die Niederlande über die Art und Weise des Erfolgs. DFB-Coach Rainer Adrion macht die schwache erste Halbzeit am Ereignis Europameisterschaft aus. Der Unterschied an Erfahrung ist eine Philosophiefrage beider Verbände.

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Cor Pot hat nicht nur einen lässigen Namen. Der Trainer der niederländischen U 21 ist auch ein ziemlich lässiger Typ. Mit welcher Bärenruhe der ab Samstag 62-Jährige bei der Europameisterschaft in Israel auftritt, lässt den Schluss zu, dass Pot so schnell nichts aus der Fassung bringt.

Ganz im Gegensatz zu seinem Pendant Rainer Adrion, der den Großteil der 2:3-Niederlage seiner Mannschaft im Stehen verfolgte und bei jedem Angriff litt, saß Pot während der gesamten 90 Minuten wie Buddha auf der Bank.

Auch wenn er bei den drei Treffern seines Teams das Gesäß hob und standesgemäß mitjubelte, merkte man erst bei der anschließenden Pressekonferenz, was ihm an diesem Abend in Petach Tikwa die größte Freude bereitete.

"Wir haben auf Deutsch gewonnen. Es war für mich sehr interessant zu sehen, wie unsere holländischen Spieler bis zur letzten Minute um ein gutes Resultat gekämpft haben", sagte Pot zu der Heerschar zufrieden grinsender Journalisten seines Heimatlandes.

Es war ihm eine Genugtuung zu sehen, dass seine Mannschaft nach dem verdienten Ausgleichstor durch Lewis Holtby eine ähnliche Reaktion zeigte, wie es die deutsche nach dem 0:2-Rückstand tat. Ein solches Verhalten legte ein DFB-Team in der Historie schon häufig an den Tag und rang damit so manch technisch überlegenen Gegner nieder.

Jong Oranje nach Führung leichtfertig

Obwohl Pots Team nach der Zwei-Tore-Führung leichtfertig einen Gang zurückschaltete, nicht mehr in die Zweikämpfe kam und den Ballbesitz zu schnell aufgab, reichte am Ende eine schnöde Standardsituation zum Auftakterfolg - "die deutsche Art und Weise", wie der Coach der Jong Oranje anmerkte.

Einige Momente zuvor saß Adrion auf dem Platz, von dem aus Pot referierte. Der deutsche Trainer musste vor allem die enttäuschende erste Halbzeit erklären. Sehr unbeweglich und nicht spritzig genug sei sein Team aufgetreten, "die Emotionen haben gefehlt", sagte ein sichtlich frustrierter Adrion.

Positive Ansätze

Der Fight, die Moral und die Präsenz, die seine Elf im zweiten Durchgang wieder mit Leben füllte, seien an diesem Tag die positiven Dinge gewesen - und letztlich die Ansätze, mit denen er nun weiterarbeiten möchte.

Doch Adrion sprach auch über den Mangel an internationaler Erfahrung, der in seinem Team steckt. "Wir haben viele unerfahrene Spieler dabei. Das Ereignis Europameisterschaft beeindruckt vielleicht den einen oder anderen. So hat der Leistungsdruck im ersten Durchgang leider zu einer gewissen Lähmung geführt. Wir müssen sehen, dass wir den toten Punkt nun überwinden", befand der Coach, der im 19-jährigen Matthias Ginter einen Spieler einsetzte, der seine ersten 90 Minuten für die U 21 absolvierte.

Kapitän aus dem Nichts

Auf der Gegenseite kam auch Hollands Kevin Strootman zu seinem ersten Einsatz. Der Mann vom PSV Eindhoven, der aktuell stark von Manchester United umworben wird, ist zwar schon für Jong Oranje aufgelaufen, hatte in der Qualifikation zur Endrunde allerdings keinen einzigen Einsatz zu verzeichnen.

Dass Strootman dennoch in Israel dabei ist, von Beginn an aufläuft und die Niederlande sogar als Kapitän anführt, zeigt, dass die von Adrion thematisierte mangelnde Erfahrung auf eine unterschiedliche Philosophiefrage der beiden Verbände zurück zu führen ist.

"Wir alle haben das Ziel, mit dem bestmöglichen Team dieses Turnier zu gewinnen", sagte Gladbachs Luuk de Jong, bevor er im Mannschaftsbus verschwand. Aus ihm sprach eine Selbstverständlichkeit, die der holländische Fußballverband KNVB vorlebt.

Niederlande: Doppelläufer auf dem Platz

Das Ziel, die A-Nationalmannschaft zu verjüngen, um nach dem Desaster bei der EM 2012 den Anschluss an die führenden Nationen wieder herzustellen, verfolgt man in Holland mit aller Konsequenz. Dennoch - und das ist der entscheidende Unterschied zur Herangehensweise des DFB - schickte der KNVB die Elite des U-21-Jahrgangs ins Gelobte Land.

Weil eben nur so die Chance besteht, ernsthaft um den Titel mitzuspielen und ganz nebenbei noch die Schmach zu tilgen, in den Qualifikationsrunden zu den Turnieren 2009 und 2011 vorzeitig die Segel gestrichen zu haben.

Zwölf niederländische Akteure sammelten bereits Spielpraxis im A-Team, bei Deutschland weist die Statistik nur Holtby aus. Und so standen sich am Donnerstagabend 51 (Niederlande) und drei (Holtby) A-Länderspiele in den Anfangsformationen beider Teams gegenüber.

DFB verzichtet auf Draxler

In Absprache mit den Verantwortlichen der A-Nationalelf verzichtete der DFB jedoch darauf, die U 21 mit spielberechtigten Akteuren wie Andre Schürrle oder Julian Draxler zu verstärken. Sie und einige andere zählt man in Deutschland schon zur Senioren-Elite.

Ausbildungsziel steht beim DFB vor sportlichem Ziel. Das ist keinesfalls ein grundsätzlich falsches Paradigma. Doch diese Unausgeglichenheit machte sich beim U-21-Auftaktspiel gegen die Niederlande vor allem im ersten Durchgang negativ bemerkbar. Am Ende wäre dennoch ein verdienter Punktgewinn gestanden - wenn man an diesem Abend nicht in der Schlussminute auf Deutsch verloren hätte.

Der Spielplan der U-21-EM