EM

Rudi Riese und die 09er als Vorbild

Von SPOX
Sportplatzidylle: Rudi Völler (l.) 1981 im Qualifikationsspiel gegen Finnland
© getty

Mit der Entwicklung zu einem Hochglanzprodukt hat sich die U-21-EM zum Sprungbrett für ganz große Karrieren gewandelt. Das zeigen die Generation von 2009 - und Ex-Teamchef Rudi Völler.

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Spätere Größen haben U-21-Europameisterschaften schon immer hervorgebracht. Allein der Deutsche Fußball Bund schickte Spieler wie Lothar Matthäus, Rudi Völler, Michael Ballack, Bastian Schweinsteiger, Lukas Podolski oder Mesut Özil los, um im wichtigsten Nachwuchsturnier der Welt Siege und Pokale für Deutschland zu erringen.

Gelungen ist das seit Erfindung der Titelkämpfe im Jahr 1972 erst einmal. Trotzdem war der Wettbewerb für ganze Heerscharen an Spielern das Sprungbrett zur ganz großen Karriere.

Wenn die deutsche U 21 am Abend gegen die Niederlande ins Turnier startet (20.30 Uhr im LIVE-TICKER), stellt sich die nächste Generation hoffnungsvoller Talente ins Schaufenster.

Früher tummelten sich auf den Tribünen von Jugendländerspielen hauptsächlich Kinder und Schulklassen. Heute ist das im Spitzenbereich - und den verkörpert die U 21 - völlig anders. Die Sitzplätze in den Spielorten Tel Avivi, Netanja, Petach Tikwa und Jerusalem werden gesäumt sein von Fußballprominenz und Scouts aus aller Herren Länder.

Ost-Fußball anfangs unschlagbar

Längst ist aus einer dürren Idee ein Hochglanzprodukt entstanden, hat die UEFA das Marketingpotenzial der Veranstaltung erkannt. Weil auch die Verbände mittlerweile mitziehen.

In seinen jungen Jahren wurde der Wettbewerb ausschließlich von Staaten des ehemaligen Ostblocks dominiert. Traditionell wurde dort der Fokus auf Sportarten gelegt, die nicht dem westlichen Kommerzstreben unterworfen waren. Profi-Fußball gab es dort zwar auch, jedoch unter völlig anderen Voraussetzungen.

Und da der Westen mit seinen zahlungskräftigen Profi-Ligen sein Augenmerk auf den Seniorenbereich legte, besetzte der Osten eben die Nische Jugendfußball. Und wurde dort schnell so erfolgreich, wie er in vielen Randsportarten über die Maßen erfolgreich war.

Wenig überraschend gewannen mit der Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien und der Sowjetunion vier Ostblockverbände die ersten fünf Titel seit der Einführung des reformierten Wettbewerbs 1972. Nimmt man die Entstehungsjahre von 1967 bis 1970 dazu, kommen noch je vier Titel für Jugoslawien und Ungarn dazu.

Gespielt wurde damals allerdings im Herausforderermodus, entlehnt aus den Anfangszeiten des Tennissports: Der Titelverteidiger musste jeweils nur eine Partie, gleichbedeutend mit dem Endspiel, gegen einen Herausforderer spielen.

Golden Player: Völler, Figo, Pirlo...

Der DFB zeigte zunächst wenig Interesse an der Spielrunde. Erst 1980 nahm Deutschland erstmals an der Qualifikationsrunde teil und schaffte es zwei Jahre später gleich ins Finale. In Hin- und Rückspiel war der große Rivale England aber stärker.

Immerhin durfte Rudi Völler die Auszeichnung des Golden Player für den besten Spieler des Turniers entgegennehmen. Bis heute ist Völler damit der einzige Deutsche, dem diese Ehre zuteil wurde. Ihm folgten unter anderem aber Weltstars wie Laurent Blanc, Davor Suker, Luis Figo, Fabio Cannavaro, Andrea Pirlo oder Petr Cech. Der letzte wurde Juan Mata, heute FC Chelsea.

Das Medieninteresse ist mittlerweile überragend. Ende der 90er Jahre schafften es vereinzelte Spielschnipsel ins Spartenprogramm. Vor zwei Jahren berichteten 130 TV-Stationen in Dänemark vom Turnier, fast ausschließlich die größten Sender des jeweiligen Landes.

Wer hat die beste Ausbildung?

Das Wettrüsten in den Nachwuchsleistungszentren Europas findet hier seinen ultimativen Gradmesser. Nachdem die Italiener von Mitte der 90er Jahre ein Jahrzehnt fast alle Titel abgeräumt hatten, gehört die Bühne der Sieger seit geraumer Zeit den Niederlanden, Spanien und eben Deutschland.

Eine Nation wie Frankreich etwa, die mit ihrer Strategie der Jugendförderung den Fußball um die Jahrtausendwende beherrschte, hat den Anschluss verloren.

Aber auch die deutsche Auswahl hat in Israel einiges aufzuarbeiten. Nach dem Titelgewinn vor vier Jahren in Schweden verpasste die Mannschaft von Rainer Adrion die Qualifikation für das Endturnier zwei Jahre später, was für die Reputation der Nachwuchsarbeit im DFB ein herber Schlag war. Neben den U 21 schafften es auch die U 19 und die U 17 nicht in die jeweilige Endrunde.

DFB auf Wiedergutmachung aus

"Wir sind nach der U-21-EM 2009 nicht mehr überall mit der nötigen Konsequenz vorgegangen. Wir müssen aufpassen, dass der gesamte U-Bereich auch in Zukunft ein hohes Niveau erreicht und die Voraussetzungen dafür schafft, dass die Nationalmannschaft perspektivisch erfolgreich bleibt", mahnte der damalige Sportdirektor Matthias Sammer.

Gerade die U 21 als Speerspitze der gesamten Jugendausbildung und mit ihrem Anspruchsdenken nahm Sammer damals bewusst öffentlich in die Pflicht. "Wir hatten Spieler in der Mannschaft, die heute Bestandteil der A-Mannschaft sind. Wenn es unser Anspruch wäre, nur Spieler nach oben zu bringen, dann ist es ja gelungen. Aber wir wollen ganzheitliche Gewinner ausbilden, sowohl von der Mentalität als auch von der sportlichen Qualität."

Die eindringlichen Worte Sammers hatten Nachhall bis ganz nach oben. Bundestrainer Joachim Löw stützte den schwer in die Kritik geratenen Adrion damals, was dieser ihm nun zunächst mit der souveränen Qualifikation für die Endrunde dankte. 39 Tore erzielte Deutschland in der Gruppenphase, so viele wie keine andere Nation. In den Playoffs wurde die Schweiz, immerhin amtierender Vize-Europameister, ausgeschaltet.

Weltkarrieren mit Ursprung im 2009er Kader

Die deutsche Mannschaft bringt genügend Vorschusslorbeeren und auch Erfahrung mit ins Turnier. Aber muss auch mit dem Wissen leben, immer mit der letzten goldenen Generation verglichen zu werden. Von den Spielern aus dem 2009er Kader haben acht eine fantastische Karriere hingelegt.

Manuel Neuer gilt als einer der besten Torhüter der Welt, ebenso hat sich Mats Hummels in der Innenverteidigung einen Namen gemacht. Jerome Boateng ist Triple-Sieger mit den Bayern und längst etablierter A-Nationalspieler, Marcel Schmelzer zweifacher Meister mit dem BVB, Benedikt Höwedes Kapitän bei Schalke 04.

Marko Marin hat den Sprung zum FC Chelsea geschafft, wenngleich er dort bisher noch keine große Rolle spielt. Und für Kapitän Sami Khedira und Mesut Özil war die EM damals lediglich der leichte Aufgalopp für eine bärenstarke Weltmeisterschaft ein Jahr später und den Wechsel zu Real Madrid.

Ansporn und Mahnung

Dazu kommen Dennis Aogo, Andreas Beck und Gonzalo Castro, die ebenfalls A-Länderspielerfahrung sammeln durften. Lediglich sieben Akteure konnten sich nicht nachhaltig in der Bundesliga etablieren.

Neben den beiden Torhütern Florian Fromlowitz und Tobias Sippel haben bisher auch Daniel Adlung, Änis Ben-Hatira, Chinedu Ede und Sandro Wagner den Sprung (noch) nicht geschafft.

Dennis Grote, Stammspieler beim damaligen Bundesligisten VfL Bochum, hat es bis in die 3. Liga verschlagen. Grote spielt seit eineinhalb Jahren für Preußen Münster.

Die letzte Generation ist Ansporn und vielleicht auch Mahnung zugleich für die Lenos und Holtbys und die Herrmanns und Vollands, die in Deutschland schon bekannt sind, international aber allenfalls "im weiteren Kreis" geführt werden.

Vielleicht kann sich einer von ihnen ins Rampenlicht spielen. Deutschland hat seit über 30 Jahren nicht mehr den wertvollsten Spieler des Turniers gestellt. Rudi Riese könnte es wohl verschmerzen.

Die U-21-EM im Überblick

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