EM

"Foto von Jerome sieht lustig aus"

Mats Hummels verwandelte auch einen Elfmeter beim Erfolg über Italien
© getty

Mats Hummels bewies beim 7:6-Sieg nach Elfmeterschießen der deutschen Nationalmannschaft gegen Italien Nervenstärke und verwandelte vom Punkt. Im Interview sprach er über die extreme Drucksituation, Vergleiche zum Freibad in Evian und seine ärgerliche Gelbsperre, die ihn das Halbfinale kostet.

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Frage: Herr Hummels, wie haben Sie dieses dramatische Elfmeterschießen empfunden?

Mats Hummels: Die gesamte Partie war immer eng, auch wenn es nicht so viele Torchancen gab. Es war ein hart umkämpftes Spiel. Das Elfmeterschießen an sich war selbstverständlich sehr dramatisch. Bei Teams, die eigentlich für gute Nerven im Elfmeterschießen bekannt sind, sieht man so etwas auch nicht sehr oft. Wir hatten das Glück auf unserer Seite, das muss man einfach sagen. Elfmeterschießen ist zum Teil eine Lotterie, deswegen sind wir glücklich, dass es zu unseren Gunsten ausgefallen ist.

Frage: Wie viele Elfmeter haben Sie in Ihrer Karriere schon geschossen?

Hummels: Ich war in der Jugend der Elferschütze schlechthin. Davon ist nicht mehr viel übrig geblieben. (lacht) Irgendwann habe ich mal einen verschossen. Dieser Fehlschuss hat mich in eine falsche Richtung gelenkt. Bis ich 15 war, habe ich jeden versenkt. Seitdem bin ich etwas unsicherer geworden.

Frage: So viele haben Sie als Profi aber noch gar nicht geschossen, oder?

Hummels: Doch, schon einige. Ich habe zwei verschossen und fünf getroffen. Zählt U21 auch? (lacht) Dann sind es fünf oder sechs gewesen.

Frage: Was ist in Ihrem Kopf vorgegangen, als Sie zum Elfmeter gegangen sind? Es war ja eine sehr undankbare Situation.

Hummels: In der Situation konnte ich nur noch verlieren. Wenn du triffst, geht es mit dem Elfmeterschießen weiter. Wenn nicht, dann ist Deutschland ausgeschieden. Das ist keine einfache Situation. Ich habe zum Glück aber nicht sehr viel daran gedacht. Das würde ich aber nicht als mentale Stärke bezeichnen, sondern eher mentale Abwesenheit, was da in meinem Kopf los war. (lacht)

Frage: Sind Sie ein Typ, der beim Loslaufen am Mittelkreis schon weiß, wo er hinschießt?

Hummels: Am Mittelkreis wusste ich schon, wo ich hinschieße. Es hat sich nur leider noch ganz oft geändert, bis ich am Elfmeterpunkt angekommen bin. Zwei Sekunden vorher wollte ich eigentlich noch ins andere Eck schießen. Den Schuss habe ich gestern im Training aber so trainiert und er hat sich gut angefühlt. Da dachte ich heute: 'Komm, dann machen wir den.' Scheinbar haben die Italiener zugeschaut, denn Buffon war im richtigen Eck. Glück gehabt.

Frage: Sie haben unter der Woche gesagt, dass Sie auf dem Zehn-Meter-Sprungturm im Freibad in Evian "Schiss ohne Ende" hatten. Wie war das heute im Vergleich dazu?

Hummels: Ich kann es nicht genau vergleichen. Auf dem Turm habe ich aber zumindest etwas mehr gezögert. (lacht)

Frage: Sie haben schon einige Gelbe Karten gesehen. Die heute war wohl die schmerzhafteste von allen.

Hummels: Ja, das stimmt. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben gelbgesperrt. Auf diese Art und Weise ist es besonders ärgerlich, denn die erste war in meinen Augen überhaupt keine und heute kann ich die Situation auch nicht zu einhundert Prozent beurteilen. Es hat sich aber angefühlt wie eine. Das ist natürlich sehr ärgerlich. Ich hätte schon Bock, ein EM-Halbfinale zu spielen. Es gibt aber eine Entschädigung: Die wäre der nächste Sonntag. Erst einmal wird es aber sehr hart, am Donnerstag nur zuschauen zu können.

Frage: Dachten Sie in der ersten Sekunde, dass es Gelb gibt?

Hummels: Ehrlich gesagt nein, ich habe nicht mit einer Gelben Karte gerechnet. Es war auch erst das zweite Foul in dem Spiel. Ich wusste, ich hatte irgendetwas leicht berührt. Ich dachte, es war der Ball, aber es kann auch der Gegner gewesen sein. Jetzt kann ich es nicht mehr ändern. Es tut ein bisschen weh. Ich kann machen, was ich will, aber diese Gelbe wird wohl so bestehen bleiben.

Frage: War Italien etwas widerstandsfähiger als erwartet?

Hummels: Nein, überhaupt nicht. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir durchmarschieren. Die Italiener haben eine sehr starke EM gespielt und waren eines der stärksten Teams. Selbst wenn sie bisher noch nicht so stark gespielt hätten, wären sie ein knallharter Gegner gewesen. Man muss gegen sie immer aufmerksam sein und versuchen, die Fehler zu vermeiden, denn sie nutzen sie sehr schnell aus. Über einen Großteil des Spiels haben wir das gut gemacht. Wir waren die leicht überlegene Mannschaft.

Frage: Wie haben Sie Jerome Boatengs Handspiel vor dem Elfmeter gesehen?

Hummels: Das war einfach eine unglückliche Situation. Man versucht in dem Moment die Hände wegzuziehen. Ich habe aber eben ein Foto gesehen und muss zugeben: Es sieht schon lustig aus. (lacht) Am Ende ist aber viel Pech dabei. Wird der Ball seitlich verlängert, trifft er nie die Hand und dann gibt es diese Diskussion nicht.

Frage: Trotz dieser Situation ist er später als Schütze an den Elfmeterpunkt getreten. Das ist doch eine unglaubliche Drucksituation?

Hummels: Das glaube ich allerdings auch. Man selbst macht sich da einen Riesendruck. Er hat ihn aber sehr souverän verwandelt. Das spricht für ihn.

Frage: Wie groß ist der Respekt vor Joshua Kimmich, der mit 21 Jahren eiskalt verwandelt hat?

Hummels: Erstens deshalb schon groß. Zweitens hat er im Pokalfinale einen Elfer verschossen, sodass der Respekt noch größer ist. Denn so etwas ist schon noch im Kopf. Man weiß, dass man den letzten verschossen hat. Das ist keine einfache Situation.

Frage: Und wie froh sind Sie, dass Sie bald dauerhaft mit Manuel Neuer zusammenspielen?

Hummels: Ich bin natürlich froh. Andererseits kann ein Torwart im Elfmeterschießen auch nur gewinnen.

Frage: Sie sind auch kurz behandelt worden. Was war da los?

Hummels: Ich hatte gestern im Training eine kleine Schrecksekunde mit leichten muskulären Problemen. Es ging dann im Spiel heute, wenngleich es nicht unbedingt hätten 120 Minuten sein müssen. Ich habe jetzt aber immerhin drei Tage länger Regeneration als die Anderen. Zumindest in der Hinsicht ist die Gelbsperre ein gutes Timing.

Frage: Der nächste Gegner heißt wie?

Hummels: Es ist klar, dass die Franzosen der Favorit sind. Die Isländer haben bis hierher eine beeindruckende EM gespielt. Sollten sie Frankreich auch noch schlagen, wäre das der Wahnsinn. Dann wünsche ich mir aber, dass deren Reise im Halbfinale zu Ende gehen würde. Ich glaube, die Franzosen haben aber das stärkere Team, dazu den Heimvorteil. Vielleicht irre ich mich, wie so viele das in diesem Turnier schon getan haben, aber ich rechne etwas stärker mit den Franzosen.

Deutschland - Italien: Die Statistik zum Spiel

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