EM

Schwyzerdütsch in beiden Lagern

SID
Granit Xhaka spielt gegen seinen Bruder Taulant
© getty

Wer das ganze Dilemma dieses Fußballspiels verstehen will, der muss nachfragen bei Ragip Xhaka. Froh sei er, sagt der stolze Vater von Granit und Taulant, dass er zwei Hände habe: So könne er am Samstag beiden Söhnen je einen Daumen drücken.

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In Lens trifft dann die Schweiz auf Albanien - und dieses Bruderduell der Xhakas sorgt für noch mehr Drama in einem ohnehin brisanten Spiel.

Denn um 15.00 Uhr (im LIVETICKER) werden zahlreiche Spieler den Rasen des Stade Bollaert-Delelis betreten, in deren Brust zwei Herzen schlagen. Sechs Akteure im Schweizer Aufgebot haben albanische Wurzeln, und auf Albaniens Trainingsplatz wird Schwyzerdütsch gesprochen: Neun Spieler des EM-Debütanten sind in der Schweiz aufgewachsen.

Einfach "ein Scheißgefühl" sei das, sagt der Schweizer Granit Xhaka, scheidender Kapitän von Borussia Mönchengladbach, geboren in Basel, die Eltern aus dem Kosovo. Etwas ausführlicher erklärt Albaniens Amir Abrashi seine innere Zerrissenheit.

Schweiz A gegen Schweiz B

"Ich bin stolz, Albaner zu sein, aber auch darauf, in der Schweiz geboren zu sein", sagte der Mittelfeldspieler vom SC Freiburg der Neuen Zürcher Zeitung: "Es ist schwierig zu erklären: Ich habe zwei Zuhause. Das Blut ist albanisch, die Heimat die Schweiz."

Die Alpenrepublik ist das Zuhause von 250.000 bis 300.000 Albanern, etwa jeder Fünfte besitzt den Schweizer Pass. Nicht wenige junge Fußballer stehen damit Jahr für Jahr vor der schwierigen Entscheidung, welche Nation sie auf dem Fußballplatz vertreten wollen. Entsprechend eng sind auch die heutigen Verbindungen zwischen den beiden Mannschaften. "Das wird sehr emotional für beide Teams", sagt der Schweizer Xherdan Shaqiri: "Wir spielen gegen unsere Freunde."

Für den Schweizer Boulevard trifft daher am Samstag Schweiz A auf Schweiz B, aus der Sicht des Gegners heißt es wohl eher: Albanien A gegen Albanien B - zutreffend scheint aber in jedem Fall die Einteilung in zwei Leistungsklassen.

Denn mit Blick auf die sportliche Perspektive entscheiden sich die vielversprechendsten Talente im Zweifel für die Schweiz, das ist ein Problem für den Fußballzwerg Albanien. Auch hier wird das Bruderpaar Xhaka zum anschaulichen Beispiel.

Anfeindungen keine Seltenheit

Granits Weg in die Spitze des europäischen Fußballs war früh vorgezeichnet, er war ein Toptalent, im Sommer wechselt er für 45 Millionen zum FC Arsenal - natürlich waren die Eidgenossen früh an ihm interessiert. Der ältere Bruder Taulant schaffte erst relativ spät den Durchbruch beim FC Basel. Die Schweiz klopfte nie an, und so gab er vor zwei Jahren dem Werben der Albaner nach.

Sein Bruder hat sich indes nicht nur Freunde gemacht. Auch der Ex-Münchner Shaqiri und Leverkusens Admir Mehmedi sind Schweizer Nationalspieler mit albanischen Wurzeln, und sie alle brauchen ein dickes Fell.

Schon in der Qualifikation zur WM 2014 trafen die beiden Teams aufeinander. Granit Xhaka und Co. wurden als Verräter beschimpft. Egal wie man sich entscheide, sagt er dazu bloß, "wir können immer etwas falsch machen. Ich bin stolz, Schweizer zu sein, ich bin stolz, für die Schweiz zu spielen. So, wie es ist, ist es gut."

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