EM

Bayerns Weltherrschaft bröckelt

Von Johannes Raif
50 Tore schossen Müller und Lewandowski in der Bundesliga. Bei der EM gehen beide noch leer aus
© getty

Erstmals seit 32 Jahren trifft kein Bayern-Spieler in der EM-Vorrunde für den DFB, bei Ronaldo platzt endlich der Knoten und die Zeichen stehen auf EM-Sieg Deutschland. Hier sind die Zahlen zum Abschluss der EM-Gruppenphase.

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Eigentlich ist schon alles wieder vorbei: Die Vorrunde der EM ist schon wieder Geschichte und damit 36 Mal mehr oder weniger spannende 90 Minuten Fußball. Viele sagen ja, mit der K.o.-Phase würde das Turnier erst richtig losgehen. Dabei war es früher zu diesem Zeitpunkt ja schon lange vorbei, schließlich gab es bisher nie mehr als 31 Partien bei einer Endrunde. Ob nun Fluch oder Segen, der neue Modus mit 24 Teams sorgte für einige Kuriositäten: In der Gruppe F endeten vier von sechs Partien remis - das gab es noch nie bei einer EM - und Portugal überstand so als erstes bei einer EURO die Gruppenphase ohne einen Sieg. Das Taktieren um die dritten Plätze führte wohl letztendlich auch mit dazu, dass es mit durchschnittlich 1,92 Tore pro Partie die torärmste Gruppenphase seit 24 Jahren war (1,75 bei der EM 1992). Vielleicht sollte es nun wirklich endlich mal richtig losgehen.

Bayerns Weltherrschaft bröckelt: National hat der FC Bayern ja nur wenig Konkurrenten in letzter Zeit, da muss das nächste Ziel fast schon Weltherrschaft lauten. Vor zwei Jahren in Brasilien war der Rekordmeister schon nah dran und sicherte sich die inoffizielle Welttorjägerkanone - ganze 18-mal netzten die Bayern-Spieler bei der WM-Endrunde 2014 ein und verwiesen damit die europäischen Top-Klubs Barcelona (zehn Tore), Manchester United (neun) und Chelsea (acht) klar auf die Plätze. In diesem Sommer in Frankreich ist von der bayerischen Vorherrschaft aber nicht mehr viel zu sehen - exakt null Tore stehen für Müller, Lewandowski und Co. bislang zu Buche. Das ist gelinde gesagt ausbaufähig und für die deutsche Nationalmannschaft ein lange nicht gekanntes Gefühl: Selbst bei der katastrophalen EM 2000 in Belgien und der Niederlande war in Mehmet Scholl ein Bayern-Spieler für den einzigen Treffer der DFB-Auswahl verantwortlich. Nur beim Vorrunden-Aus 1984, als der Bremer Rudi Völler beide Tore für den DFB beisteuerte, blieb der DFB zuvor bei einer EM-Endrunde ohne Schützenhilfe des Rekordmeisters.

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Warum Deutschland schon so gut wie Europameister ist: Statistiken sind ja bekanntlich dafür da, sie sich nach eigenem Gusto hinzudrehen - aus deutscher Sicht kann man die Hoffnungen auf einen EM-Triumph erhöhen. So ist Mario Gomez seines Zeichens nicht nur Siegtorschütze beim 1:0 gegen Nordirland, sondern auch Türkei-Legionär. Das gab es zuvor nur 1996 in einem deutschen EM-Kader, als Stefan Kuntz (ebenfalls Besiktas) seinen Teil zum deutschen EM-Sieg beitrug. Es gibt sogar noch weitere Parallelen zum letzten deutschen EM-Titel: Erstmals seit jener Endrunde in England kassierte die DFB-Auswahl kein Gegentor in der Vorrunde und ebenfalls erstmals seit 1996 konnte kein Team alle drei Vorrundenspiele für sich entscheiden. Das kann kein Zufall sein... Und um das Ganze abzurunden: Belgien überstand erstmals seit 1980 die Gruppenphase bei einer EM und unterlag damals bekanntlich ja erst im Finale der DFB-Auswahl. Liebe Belgier, wir sehen uns dann am 10. Juli im Stade de France.

Eiskalte Isländer: Arnor Ingvi Traustason hat das Zeug zum Unwort des Jahres in Österreich. Islands Joker besiegelte mit seinem späten 2:1-Siegtreffer das EM-Aus für die Alpenrepublik und markierte gleichzeitig das 14. Jokertor bei diesem Turnier - das ist neuer Rekord bei einer EM-Endrunde (zuvor 13 Tore durch Einwechselspieler bei der EM 2008). So eiskalt, wie sich die Isländer bei diesem Turnier präsentieren, können die geschlagenen Österreicher aber wohl kaum Mitleid vom Überraschungs-Achtelfinalisten erwarten: Die Nordeuropäer haben eine Chancenverwertung von 23,5% bei ihrer EM-Premiere - nur England 2004 (23,8%) war jemals noch kaltschnäuziger bei einer Europameisterschaft seit Beginn der Datenerfassung.

Höwedes doch unverzichtbar: Nach seinem starken Auftritt beim 1:0 über Nordirland ist Joshua Kimmich ja in aller Munde, wohingegen Benedikt Höwedes etwas in die Röhre schaut. Dabei ist der Schalker eigentlich unverzichtbar für die DFB-Auswahl: Deutschland verlor noch nie ein Pflichtspiel, in dem Höwedes zum Einsatz kam (16 Siege, zwei Remis). Das lassen wir einfach mal so stehen.

Time to say goodbye: Die Gruppenphase ist vorbei und acht Teams verabschieden sich mehr oder minder glorreich aus dem Turnier. Das gilt auch für Tschechiens Rekord-Keeper Petr Cech, der beim 0:2 gegen die Türken seine Gegentore Numero 20 und 21 bei EM-Endrunden hinnehmen musste und damit den Allzeit-Rekord von Peter Schmeichel übertraf. Dieser hatte zwischen 1988 und 2000 ganze 20-mal bei Europameisterschaften hinter sich greifen müssen. Hätte Cech da mal lieber gegen die Ukraine in der Gruppe gespielt. Als erstes Team seit Dänemark bei der EURO 2000 verabschiedeten sich die Ukrainer ohne einen einzigen Treffer - insgesamt trafen die Blau-Gelben seit fünf EM-Spielen nicht mehr ins Schwarze und sorgten so für die längste Durststrecke der EM-Geschichte.

Der Daily Ronaldo: Kein Spieltags-Rückblick ohne Cristiano Ronaldo. Nach seinem Doppelpack gegen Ungarn scheint der Knoten beim Portugiesen ja endlich geplatzt zu sein. Ronaldo ist damit nicht nur frischgebackener EM-Rekordspieler (17 Einsätze), sondern traf auch als erster Spieler der Geschichte bei vier EM-Endrunden. Gleichzeitig ist er auch der erste Europäer, der bei sieben großen Turnieren (EM und WM) treffen konnte. Keine schlechte Bilanz ... Allerdings brauchte der Portugiese auch einigen Anlauf - sein Premierentreffer zum 2:2 gegen die Ungarn war bereits sein 24. Torschuss im Turnierverlauf.

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