EM

Das gerechte Finale

Von Thomas Gaber
In der Vorrunde trennten sich Spanien und Italien 1:1
© Getty

Mit Italien und Spanien haben sich die beiden besten Teams dieser EM fürs Finale qualifiziert. Italiens Trainer Prandelli trieb schwierige Stars zur Höchstform. Auch wenn Spanien nicht so dominant und elegant spielt, ist Kritik an ihrem Stil völlig unangebracht.

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Was andere Menschen über ihn denken, hat Mario Balotelli noch nie interessiert. "Mir ist nur wichtig, was meine Familie von mir hält", sagte Italiens Matchwinner im EM-Halbfinale gegen Deutschland einmal. Und deswegen ist es Balotelli auch egal, ob sein Poser-Jubel nach dem 2:0 allgemein gut ankam oder nicht.

"Wenn sich Leute darüber aufregen, dann nur, weil sie neidisch auf meinen Körper sind. Ich könnte es verstehen - ich habe einen schönen Körper", sagte der 21-Jährige. Das sehen die Redakteure der Zeitung "Corriere dello Sport" ähnlich. Sonst hätten sie am Tag danach wohl kaum folgende Schlagzeile gewählt: "Das Finale gehört uns - si, Super Mario, lass dich umarmen!"

Prandelli ein Segen für die Squadra

Ganz Italien liebt plötzlich einen Mann, auf den nicht wenige vor den Spielen in Polen und der Ukraine lieber verzichtet hätten. Italiens Comissario tecnico Cesare Prandelli holte den angeblich Untrainierbaren gegen alle Widerstände in den EM-Kader. Balotelli rechtfertigte das Vertrauen mit drei Toren. Vor allem sein zweites gegen Deutschland kann nur ein Spieler schießen, "der vor Selbstvertrauen nur so strotzt" (Prandelli).

Der Trainer hat aber nicht nur Balotelli gezähmt und zu einer Topleistung in einem Crunchtime-Spiel wie dem Halbfinale getrieben. Prandelli hat binnen zwei Jahren die italienische Nationalmannschaft aus einem tiefen Loch geholt und der Mannschaft einen Stil beigebracht, der als Gegenentwurf zu vielen früheren italienischen Turnierteams durchgeht.

Schon im ersten Spiel bot die Squadra Azzurra den übermächtig erscheinenden Spaniern mit offensivem Fußball Paroli. Die Spiele gegen Kroatien und Irland waren dann zwar etwas holprig, aber im Viertelfinale gegen das äußerst biedere England konnte Italien wieder überzeugen.

Alle Experimente geglückt

Prandelli scheute keine Expermiente; mitten im Turnier stellte er von Dreier- auf Viererkette um. Der hinsichtlich der Anzahl seiner Länderspiele höchst unerfahrene Alessandro Diamanti durfte gegen England den letzten Elfmeter schießen. Prandelli setzte auf die angeschlagenen Daniele De Rossi, Andrea Barzagli und Giorgio Chiellini und wurde nicht enttäuscht.

Den vorläufigen Höhepunkt setzte Italien aber im Halbfinale gegen Deutschland. "Wir haben ein nahezu perfektes Spiel abgeliefert. Die Spieler haben sich zu 100 Prozent an die Vorgaben des Trainerteams gehalten", sagte Prandelli. Einziger Kritikpunkt, den auch Prandelli zuließ: die schlecht ausgespielten Konter gegen Ende des Spiels.

Trotz der überzeugenden Leistungen gegen England und Deutschland will Prandelli von einer Favoritenrolle im Finale nichts wissen: "Spanien ist Favorit, aber wir sind nicht weit dahinter. Der Sieg gegen Deutschland war ein Paradebeispiel dafür, dass man mit Herz und Leidenschaft viel erreichen kann."

Kritik an Spaniens Stil unangebracht

Das alleine dürfte gegen den Titelverteidiger nicht reichen. Spanien spielt bei diesem Turnier keinen brillanten Fußball, muss es aber auch nicht. Auch ohne spielerische Dominanz und Eleganz konnte noch keine Mannschaft der Furia Roja den Garaus machen. Kroatien und Portugal durften schnuppern - mehr war nicht drin.

Es hat sich während dieser EM zur Unsitte entwickelt, das Spiel der Spanier zu zerreden. Langweilig, minimalistisch, effiizient sei ihr neuer Stil. Eine beinahe unerträgliche Sichtweise. Wer zum dritten Mal das Finale eines großen Turniers erreicht hat, bietet eigentlich keine Angriffsfläche.

Gegen Portugal blieb Spanien zum neunten Mal in Folge (!) in EM- und WM-K.o.-Spielen ohne Gegentor. Gefahr für das Tor des wieder mal überragenden Iker Casillas bestand höchst selten.

"Wir spielen vielleicht nicht alle Gegner an die Wand. Aber wir stehen wieder im Finale und haben bis dahin kein Spiel verloren. Das sind die Fakten. Also haben wir nicht so viel falsch gemacht", sagte Andres Iniesta.

 

Del Bosque: "Wir wollen es vollenden"

Spanien ist allerdings gegen Italien bei großen Turnieren ebenfalls nicht besonders erfolgreich gewesen. In sieben Spielen gab es drei Niederlagen und vier Remis. Immerhin setzten sich Casillas und Co. im EM-Viertelfinale 2008 im Elfmeterschießen durch - der Anfang der glorreichen Ära, die am Sonntag mit dem Titel-Hattrick gekrönt werden soll.

"Wir sind nicht unbedingt scharf drauf, Geschichte zu schreiben. Aber wenn wir diese Chance jetzt haben, wollen wir's natürlich vollenden", sagte Trainer Vicente del Bosque, der große Respekt vor dem Gegner hat.

"Wir hätten es im Finale vielleicht einfacher haben können. Italien hat uns im ersten Spiel vor große Probleme gestellt. Aber wir bereuen es sicher nicht, dass wir Italien nicht in der Vorrunde ausgeschaltet haben; dafür hätten wir gegen Kroatien ja nur 2:2 spielen müssen. Ein Finale sollten die beiden besten Mannschaften eines Turniers spielen und das ist in diesem Fall so." Einspruch zwecklos.

Spanien vs. Italien: die Bilanz gegeneinander