EM

Polen: Fan-Situation entspannt sich

SID
Kein Platz für Hooligans: Im Miejski Stadion in Posen soll es bei der EM friedlich zugehen
© Getty

"Das Fan sein ist für alle da", heißt es in der polnischen Fernsehwerbung eines großen deutschen Mobilfunkanbieters, der Hauptsponsor der 1. polnischen Liga ist. Doch ein Blick auf die Tribünen zeigt, dass die Realität in der Ekstraklasa und den unteren Spielklassen des Landes anders aussieht.

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Während in dem TV-Spot Frauen und Kinder erzählen, warum es toll ist, ins Stadion zu gehen, dominieren auf den Tribünen immer noch die "Kibole", die fanatischen Fußball-Fans, das Geschehen.Problematisch ist nur, dass die "Kibole" nicht den besten Ruf genießen.

Sie gelten als gewalttätig, vulgär und rassistisch. Ein Bild, das sich durch unzählige Medienberichte auch hierzulande fest eingebrannt hat. Endgültig im Mai vergangen Jahres, als Anhänger von Legia Warschau und Lech Posen beim Pokalfinale in Bydgoszcz randalierten.

Hooligans sind in Polen inzwischen die Minderheit

Dass sich ähnliche Szenen nicht während der Europameisterschaft ereignen werden, davon ist Dariusz Lapinski überzeugt. "Hooligans sind mittlerweile auch in Polen eine Minderheit", sagt der Fanbeauftragte des staatlichen Organisationsbüros PL.2012.

"Und die wenigen, die es noch gibt, werden während des Turniers in der Masse der vielen friedlichen Fans untergehen", sagt Lapinski und verweist zusätzlich auf die strengen polnischen Gesetze. "Diese schrecken auch die letzten Hooligans ab."

Bestätigt wird Lapinskis Aussage durch die Polizeistatistiken der vergangenen Jahre, die immer weniger Gewalttaten in und um die Stadien verzeichnen. Ein positive Entwicklung, die nicht nur ein Ergebnis der rigorosen Gesetze ist, die mittlerweile auch den Kauf von Eintrittskarten ohne den Besitz einer sogenannten "Fan-Karte" mit biometrischen Passbild unmöglich machen, sondern auch der anstehenden EM.

Bauboom in den Städten

Denn die Vergabe des Turniers, das Polen gemeinsam mit der Ukraine austrägt, löste zwischen Oder und Bug einen regelrechten Bauboom aus. Nicht nur in den Gastgeberstädten Warschau, Danzig, Breslau und Posen wurden neue Stadien errichtet, sondern auch in Krakau, Bialystok, Lubin, Zabrze oder Gdingen entstanden oder werden demnächst neue Arenen entstehen.

Und dass die Modernisierung der Infrastruktur neue Zuschauer in die Stadien zieht, lässt sich in Breslau beobachten. Während Slask Breslau seine Spiele früher vor höchstens 9.000 Zuschauern austrug, fanden die ersten beiden Heimspiele in der neuen EM-Arena vor 43.000 Zuschauern statt. Ausverkauft.

Sportliche Schwäche ist die Chance der Ultras

Um die "Pikniki", wie die normalen Stadionbesucher von den Ultras verächtlich genannt werden, jedoch dauerhaft in die Stadien zu locken, müsste der polnische Fußball auch sportlich mit den neuen Hochglanzarenen mithalten können.

"Zum Glück für die Ultras ist das sportliche Niveau jedoch niedrig und dürfte erst mal auch in der nächsten Zeit niedrig bleiben. Denn sonst würden sie in den Stadien schon heute eine Minderheit darstellen", sagt Lapinski, der in Potsdam Politikwissenschaften studierte und als Anhänger des dortigen Babelsberg 03 erste praktische Einblicke in die Fanarbeit bekam.

Doch gerade in dieser sportlichen Schwäche liegt nach Meinung Lapinskis auch die große Chance für die polnischen Ultras. "Da der Fußball in Polen so schlecht ist, sind viele Klubbesitzer auf die Ultras angewiesen. Sie machen die Stimmung und wegen dieser kommen die Leute ins Stadion."

Eine Zusammenarbeit, die bei Lech Posen bereits vor knapp 12 Jahren erfolgreich funktionierte. Damals drohte dem Traditionsverein der finanzielle und sportliche Niedergang. Die Ultras von der Fanvereinigung "Wiara Lecha" sorgten mit ihren Choreographien und Gesängen jedoch für so volle Tribünen, dass 2006 der Industrielle Jacek Rutkowski als Investor bei Lech einstieg.

Posen auch Negativbeispiel

Trotz sportlicher Erfolge ist Posen aber auch ein Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit zwischen Klub und Fans missraten kann. Wegen einiger Skandale und arroganten Auftretens genießt "Wiara Lecha" mittlerweile so einen schlechten Ruf, dass zum Leidwesen des Vereins viele Zuschauer wieder abwanderten.

Dass wegen dieser Entwicklung bei den Ultras ein Umdenken stattfindet, kann man bei den Fans von Lechia Danzig erkennen. "Vor drei Jahren zählten diese noch zu den fremdenfeindlichsten des Landes.

Heute sorgen sie selber dafür, dass rassistische Töne aus ihrem Block nicht mehr zu hören sind", erzählt Lapinski . Eine positive Entwicklung, die in immer mehr polnischen Stadien zu beobachten ist.

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