EM

Türkei im Tal der Tränen: "Ein Alptraum"

SID
Die Türkei ist nach der Niederlage gegen Deutschland Gruppenzweiter
© Getty

Das türkische Team und Ministerpräsident Erdogan nahmen das 0:3 gegen Deutschland relativ nüchtern hin, doch in der Heimat kochten die Emotionen hoch. Vor allem die Bundesligaspieler im Kader der Milliler und Trainer Guus Hiddink mussten sich scharfe Kritik in der türkischen Presse gefallen lassen.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Die Spieler selbstkritisch, der Trainer realistisch, aber die Presse fatalistisch: Nach dem 0:3 gegen Deutschland gestand sich das türkische Team ein, dass es trotz "Heimvorteils" nicht mit der Weltspitze mithalten kann. Doch ganz so einfach kam es in der Heimat nicht davon. Die Niederlage im "Spiel des Jahres" stürzte die Türkei in ein Tal der Tränen.

"Ein lange nicht dagewesener Alptraum", titelte die Zeitung "Sabah" und stellte die drei Bundesligaprofis in der Startelf der "Milliler" an den Pranger: "Die Altintop-Brüder und Nuri Sahin hatten offenbar ihren Fußballverstand zu Hause vergessen." Auf dem Dritten der Fußball-WM 2002 lastet in der EM-Qualifikation am Dienstag beim von Berti Vogts trainierten Außenseiter Aserbaidschan ein enormer Druck.

Trainer und Bundesliga-Profis heftig kritisiert

Doch nicht nur die Deutsch-Türken, die sich anders als zum Beispiel Torschütze Mesut Özil (79.) für das Trikot mit dem Halbmond entschieden haben, auch Erfolgstrainer Guus Hiddink bekam den traditionell leicht auszulösenden Frust der türkischen Medien zu spüren. "Hiddink, der die türkische Liga nur per Fernbedienung am Fernseher verfolgt, schickte die falsche Mannschaft aufs Feld - und die wurde zerlegt", schrieb die Sportzeitung "Fotomac".

Der in 28 Trainerjahren gestählte Hiddink dürfte die Kritik aushalten. Und auch die erste Niederlage nach zuvor zwei Qualifikationssiegen nahm der Niederländer erstaunlich gelassen. "Der Sieg der Deutschen geht absolut in Ordnung. Wir konnten nur in den ersten 25 Minuten mithalten, danach sind wir eingebrochen", sagte Hiddink. Man habe eben den Unterschied zwischen einer guten und einer sehr guten Mannschaft gesehen, erklärte der 63-Jährige.

Auch die Spieler erkannten den Qualitätsunterschied an, dabei waren sie von etwa 45.000 türkischen Fans im mit 74.244 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion nach vorne gepeitscht worden. "Die deutsche Mannschaft war insgesamt besser und hat verdient gewonnen, auch wenn das Ergebnis am Ende heftig war", sagte Bayern Münchens Hamit Altintop.

Der Dortmunder Sahin, der - provokant gesagt - nur bei seiner Auswechslung in der 78. Minute auffiel, brachte das emsige, aber letztlich fruchtlose Treiben seines Teams auf den Punkt: "Wir haben gewollt, aber nicht viel gekonnt."

Hiddink nimmt Sahin in Schutz

Hiddink hielt seine Hände schützend über Sahin, der in der Rolle des Spielgestalters überfordert war. "Der Junge braucht Zeit, das wird eine gute Lehre für ihn sein", sagte Hiddink.

Es spricht für den Trainer, dass er den frühen Ausfall von Defensiv-Abräumer Mehmet Aurelio nicht als Ausrede heranzog. Der gebürtige Brasilianer musste mit einer Knieverletzung ins Krankenhaus gebracht werden und fällt lange aus.

"Es sieht nicht gut aus. Ich denke, dass etwas gerissen ist", sagte Hiddink. Der über weite Strecken überzeugende Innenverteidiger Servet, der in der ersten Halbzeit mit DFB-Torhüter Manuel Neuer zusammenstieß und am Kopf genäht werden musste, begleitete Aurelio ins Krankenhaus, fällt aber nicht für Spiel gegen Aserbaidschan aus.

Auf der Tribüne nahm Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan im deutsch-türkischen Fanschal die Niederlage äußerlich gelassen hin, obwohl neben ihm Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Christian Wulff dreimal zum Torjubel aufspringen durften. "Der Bessere, und das ist der, der seine Chancen besser nutzt, soll gewinnen", hatte Erdogan schon vor dem Anpfiff diplomatisch gesagt.

Einzelkritik: Deutschland - Türkei: Die Schwachstelle stand hinten links