Heiko Vogel im Interview: "Salah trainierte am ersten Tag unterirdisch"

Von Niklas König
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Beim FC Bayern wurden in den vergangenen Jahren immer wieder Spieler aus dem eigenen Nachwuchs mit Profiverträgen ausgestattet. In die erste Mannschaft schaffte es seit David Alaba keiner mehr. Warum nicht?

Vogel: Wie eben schon gesagt: Das ist schlichtweg der hohen Qualität der ersten Mannschaft geschuldet. Das ist ein Sammelsurium aus Weltklasse-Spielern. Zur Weltklasse gehören Talent und Persönlichkeit. Und die Persönlichkeit eines 18-Jährigen kann noch nicht auf dem Niveau sein wie die eines 25-Jährigen. Deshalb reicht selbst außergewöhnliches Talent nicht aus. Schauen Sie sich David Alaba, Toni Kroos und Philipp Lahm an. Bis auf Holger Badstuber, Bastian Schweinsteiger und Thomas Müller haben fast alle einen Umweg nehmen müssen.

Selbst im Luxus-Kader von Manchester City spielt aber ein Phil Foden halbwegs regelmäßig. Fehlt bei Bayern auch der Mut?

Vogel: Sehr schwierige Frage. Grundsätzlich glaube ich, dass wir es in Deutschland allgemein schon gut machen mit der Jugendarbeit. Ein Phil Foden ist die ganz große Ausnahme.

Seit Mai dieses Jahres trainieren Sie den KFC Uerdingen. Was haben Sie gedacht, als Sie von der Anfrage gehört haben?

Vogel: Ich höre mir grundsätzlich alles an, so war es auch in diesem Fall. Ich habe mich mit Nikolas Weinhart und Mikhail Ponomarev getroffen. Natürlich informiert man sich im Vorfeld. Ich habe also schon gewusst, worum es geht, ohne irgendetwas beschönigen zu wollen. Aber darin lag für mich auch der Reiz. Ich sehe in Uerdingen die Möglichkeit, etwas in die positive Richtung zu verändern. In den Gesprächen hatte ich das Gefühl, dass meine Offenheit und meine Ideen erwünscht sind und unterstützt werden. Nach mehreren Gesprächen habe ich mich dann dafür entschieden.

Haben Sie das Gefühl, dass der Klub und die handelnden Personen in der Öffentlichkeit falsch wahrgenommen werden?

Vogel: Für die Wahrnehmung wurde auch gesorgt, die entsteht nicht durch verdrehte Tatsachen. Dementsprechend wurde da sicher nicht alles richtig gemacht. Ich möchte deshalb auch niemanden verurteilen, der den Verein so wahrnimmt, wie es vielleicht noch vor zwei, drei Monaten der Fall war. Schön ist, dass wir es in dieser kurzen Zeit geschafft haben, das Bild zu verändern. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.

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Heiko Vogel über Ponomarev und den KFC Uerdingen

Nach der Entlassung Ihres Vorgängers setzte Ponomarev folgenden Tweet ab: "Norbert Meier: Mein größter Fehler beim KFC. Der schlechteste Trainer in der KFC-Geschichte. Der KFC war seine letzte Station als Trainer in Deutschland." Wie können Sie mit so jemandem zusammenarbeiten?

Vogel: Ich habe dasselbe gedacht wie jeder andere auch - und das habe ich auch so kommuniziert. Das war natürlich unglücklich. Ich bin mir aber sicher, dass dieser Tweet heute nicht nochmal so verfasst werden würde. Kein Mensch ist perfekt und frei von Fehlern. Es geht darum, daraus zu lernen. Mikhail ist ein sehr positiver Mensch. Wenn man viel mit ihm zu tun hat, stellt man fest, dass er 24/7 für den KFC verfügbar ist und seine ganze Energie in den Verein steckt. Das ist nicht selbstverständlich.

Ponomarev bringt sich viel ein. Ist das nicht gefährlich?

Vogel: Ich sehe das ausschließlich positiv. Ich finde es schön, wenn man Dinge erklären und ausdiskutieren kann. Wenn man mit ihm zum Beispiel über die Kaderplanung spricht, stellt man fest, dass er sich nicht nur im deutschen, sondern auch im internationalen Fußball unfassbar gut auskennt. Das gilt übrigens auch für andere Sportarten - ob es Eishockey, NBA oder Formel 1 ist. Ich weiß nicht, wo er die Zeit hernimmt, aber er sieht und weiß alles.

Wie läuft es bei Transfers?

Vogel: Alle Spieler, die wir verpflichtet haben, wurden diskutiert. Er hat immer eine klare Meinung, die er äußert, aber wir haben da eine klare Hierarchie.

Das heißt?

Vogel: Ich habe das Gefühl, dass mir viele Wünsche erfüllt werden. Ich habe ihm meine Vorstellungen und meine Philosophie dargelegt und ihm erklärt, welche Spielertypen ich brauche. Dann ist versucht worden, dem zu entsprechen. Es wurden aber mit Tobi Rühle und Christian Kinsombi schon vor meiner Zeit zwei Spieler verpflichtet, über die ich total glücklich bin. Das zeigt ja, dass Verstand da ist und gute Entscheidungen getroffen werden.

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Hat Ihnen Ponomarev umgekehrt Spieler vorgeschlagen, die Sie nicht auf dem Zettel hatten, aber interessant fanden?

Vogel: Ja, ich werde aber keine Namen nennen. Es ging aber auch um Spieler, an die ich gar nicht gedacht habe, weil ich den Transfer, und das meine ich nicht monetär, für nicht darstellbar gehalten habe. Letztlich sind sie dann doch gekommen.

Sie haben viele namhafte Spieler mit großer Vergangenheit im Kader. Wie moderieren Sie diese Mannschaft?

Vogel: Indem ich nicht katalogisiere. Ich sehe jeden Einzelnen als Fußballer, als rechten Verteidiger, als linken Mittelfeldspieler, als Stürmer. Natürlich differenziere ich, welche Erfahrung dahintersteht. Aber letztlich ist es die übliche Trainerarbeit: Man muss gut kommunizieren. Kevin Großkreutz zum Beispiel ist ein ganz normaler Spieler ohne Allüren, der einfach gerne Fußball spielen möchte. Insofern wirkt das nach Außen wahrscheinlich viel schwieriger, als es tatsächlich ist. Es ist ein total angenehmes Arbeiten, das mir unheimlich Spaß macht. Wir haben eine homogene Truppe. Das heißt nicht, dass alle gleich sind. Eine gute Mischung zu haben, ist auch homogen - und die haben wir. Mir war ganz es wichtig, dass wir auch junge Spieler haben, dass wir auch eine Plattform für Talente bleiben können.

Trotzdem trainieren Sie keine gewöhnliche Mannschaft. Wie ist es mit der menschlichen Komponente?

Vogel: Es ist wie in anderen Mannschaften auch. Natürlich behandelst du nicht jeden Spieler gleich. Bei Jan Kirchhoff muss ich in eine ganz andere Rolle schlüpfen als bei Franck Evina. Franckie ist gerade 19 geworden, steht am Anfang seiner Karriere. Er hat andere Probleme als Jan Kirchhoff. Du gehst letztlich auf individuelle Bedürfnisse ein - aber das war bei Bayern, Basel oder Graz nicht anders.