"Ein Stück Mainz 05 geht verloren"

Sandro Schwarz ist seit 2015 Trainer der Mainzer U23
© getty

Unter Sandro Schwarz ist die U23 des 1. FSV Mainz 05 zur besten zweiten Mannschaft Deutschlands gereift. Im Interview spricht der begehrte Nachwuchs-Coach über seinen Werdegang, einen Anruf bei Jürgen Klopp, das Interesse von RB Leipzig und Flausen, die manch einem Jugendspieler aus dem Kopf vertrieben werden müssen. Außerdem erklärt er, wie der Verein mit dem Abgang von Christian Heidel umgehen muss.

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SPOX: Herr Schwarz, die Mainzer U23 trägt ihre Heimspiele im Bruchwegstadion aus. Kommt es dort oft vor, dass Sie noch an den Erstliga-Aufstieg von 2004 zurückdenken? Damals standen Sie selbst noch auf dem Platz.

Sandro Schwarz: Es passiert zwar nicht jede Woche, aber hin und wieder habe ich das Bild schon noch vor Augen. Der Bruchweg ist ein besonderer Ort für Mainz 05. Der erste Bundesliga-Aufstieg der Vereinsgeschichte war für mich persönlich auch der größte Erfolg meiner Karriere.

SPOX: Zuvor hatte Mainz den Aufstieg zweimal ganz knapp verpasst. War dieser Aufstieg das Emotionalste, was Sie bisher im Fußball erlebt haben?

Schwarz: Die Freude kann man nicht in Worte fassen, das geht sicherlich jedem Aufsteiger so. Bei uns war die Situation aber ganz speziell, da wir in den zwei Jahren zuvor nur an einem Punkt beziehungsweise einem Tor gescheitert waren. Dass wir diesen Weg im Heimspiel gegen Trier, als eigentlich gar keiner mehr mit dem Aufstieg rechnete, doch zu Ende gebracht haben, war unglaublich.

SPOX: Sind es diese drei Jahre, die den Verein besser charakterisieren als alles andere?

Schwarz: Ich glaube schon, dass man das so sagen kann. Mainz 05 ist nach jedem Rückschlag wieder aufgestanden. Vor dem Aufstiegsjahr hatte uns keiner so richtig auf dem Zettel. Wir hatten zwar zweimal sehr überraschend um den Aufstieg mitgespielt, letztlich sagten nach dem knappen Scheitern 2003 aber alle: 'Jetzt ist mal Schluss mit den Kameraden aus Mainz.' Dass wir es doch geschafft haben, spricht auf jeden Fall für den tollen Charakter dieses Vereins.

SPOX: War das der Hauptgrund, weshalb Sie 2013 wieder nach Mainz zurückkehrten, um die A-Jugend zu trainieren?

Schwarz: Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Da musste ich nicht lange überlegen. Als Volker Kersting, der das Nachwuchsleistungszentrum leitet und auch mich damals schon betreut hat, auf mich zukam, stand die Entscheidung für mich quasi schon fest. Ich brauchte nicht noch irgendein Bauchgefühl abwarten. Wer sich hier nicht wohlfühlt, ...

SPOX: Der...?

Schwarz: Keine Ahnung, woran es dem noch fehlt. (lacht)

SPOX: Als Martin Schmidt im Februar 2015 Nachfolger von Kasper Hjulmand bei den Profis wurde, übernahmen Sie seinen Posten bei der U23. Es ist nicht das erste Mal, dass der FSV auf die interne Lösung setzt. Hatten Sie ein bisschen darauf spekuliert, irgendwann in den Profi-Bereich aufzurücken?

Schwarz: Nein, das war nie ein Thema. Ich hatte großen Spaß an der Arbeit im Jugendbereich und hätte dort gerne auch noch weitergearbeitet. Es gab keinen Plan, der mich nach zwei Jahren bei der U23 vorsah oder Ähnliches.

SPOX: Nachdem Sie 2009 Cheftrainer bei Wehen Wiesbaden wurden, riefen Sie direkt Jürgen Klopp an. Wie war das, als Sie überraschend die U23 übernahmen? Gab es wieder den obligatorischen Anruf?

Schwarz: Den brauchte es nicht mehr, nein. Wir haben uns damals am Telefon nur darüber kaputtgelacht, dass es uns ähnlich ergangen war. Mein Selbstverständnis des Trainerdaseins ist mittlerweile aber deutlich ausgeprägter als es beim Wechsel vom Spieler zum Trainer der Fall war. Das war damals sehr überraschend, zumal ich noch gar keine Lizenz hatte. Ich habe aber schon früh begonnen, mich mit den Dingen zu beschäftigen, die das Spiel ausmachen. Darüber bin ich auch ganz froh, denn in so vielen anderen Bereichen könnte ich mir mich selbst momentan gar nicht vorstellen. (lacht) Ich bin wirklich glücklich, meine Leidenschaft jeden Tag auch beruflich weiter voll ausleben zu können.

SPOX: Zu Ihrer aktiven Zeit spielten Sie einige Jahre unter Klopp. Hat er Sie in Ihrer heutigen Trainerarbeit geprägt?

Schwarz: Was uns beide geprägt hat, war die Zeit, als wir noch zusammen unter Wolfgang Frank gespielt haben. Wir hatten das Gefühl, mit weniger Talent mehr erreichen zu können als manch ein Gegner. Das hatte vor allem mit aggressivem Verteidigen und ballorientiertem Raumverhalten zu tun. Damals hat uns vor allem interessiert, wie wir den Gegner stören oder Räume belaufen. Mit der Zeit mussten wir uns aber auch verstärkt mit dem eigenen Ballbesitz beschäftigen. Ich habe bei all meinen Stationen neue Dinge mitgenommen oder selbst entwickelt. Natürlich hat mich Kloppo auch als Trainer inspiriert.

SPOX: Ist seine Art, Fußball spielen zu lassen, aber zu sehr vom Typ Jürgen Klopp abhängig, als dass man sie kopieren könnte?

Schwarz: Für diese Spielweise braucht man Emotionalität und maximale Bereitschaft. Das kann nicht jeder. Trotzdem gilt es jeden Spielstil immer weiter zu verfeinern. Ein System ist nie ausgereift. Nur Vollgas geht auch nicht - darauf stellen sich die Gegner irgendwann ein. Nach vier Wochen können die eigenen Spieler den Hokuspokus auch nicht mehr hören. Man kann nicht jede Woche irgendwelche Wunderdinge vollbringen, das nutzt sich schnell ab. Das fordert immer wieder neue Elemente im Umschalt- oder Positionsspiel.

SPOX: Ihre Mannschaft ist die jüngste im deutschen Profifußball. Sie haben sie vom Abstiegsaspiranten zum respektablen Drittligisten entwickelt. Philipp Klement sagte nach der letzten Saison aus, dass das Team einen klaren Plan vom Trainer bekommen habe und vor allem deshalb so erfolgreich spiele. Wie sieht dieser Plan denn aus?

Schwarz: Wichtig ist, dass man seinen Prinzipien treu bleibt. Die Arbeit gegen den Ball hat oberste Priorität. Das Vorwärtsverteidigen, der Schrittwechsel beim Anlaufverhalten: Das sind Dinge, die unabhängig von der Grundordnung sitzen müssen. Es ist uns wichtig, dass die Jungs wissen, wie sie nach Ballverlusten direkt wieder ins Gegenpressing reinkommen, ohne dabei Konter zu fressen. Sind wir wieder im Ballbesitz, wollen wir uns natürlich die Freiheit nehmen, direkt wieder umzuschalten und mit hohem Tempo in die Räume zu stoßen, in denen es für den Gegner gefährlich wird. Man soll uns gerne frech nennen. Wir geben dem Team Lösungen an die Hand, die nicht an bestimmte taktische Formationen gebunden sind.

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