"Habe Wechsel zu Bayern nie bereut"

Von Interview: Adrian Fink
Marc Kienle übernahm vor rund einem Jahr den Trainer-Posten des SVWW
© getty

Marc Kienle hat beim VfB Stuttgart und Bayern München in der Nachwuchsabteilung gearbeitet. Bei Wehen Wiesbaden ist er erstmals Cheftrainer im Herrenbereich. SPOX hat mit ihm über die Umstellung, Nachwuchsarbeit und Wiesbaden gesprochen.

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SPOX: Herr Kienle, der SV Wehen Wiesbaden ist Ihre erste Station als Trainer im Seniorenbereich. Ist die Arbeit anstrengender als im Jugendbereich?

Kienle: Nein. Heutzutage wird schon im Nachwuchsbereich professionell gearbeitet. Die Trainingseinheiten bei der U19 sind vergleichbar mit denen der ersten Mannschaft. Aber natürlich nimmt die öffentliche Wahrnehmung zu und anstatt mit Jugendlichen arbeitet man auch viel mit Familienvätern.

SPOX: Das stellt man sich aber auch nicht so einfach vor...

Kienle: Für mich macht das keinen Unterschied. Beides ist so intensiv, wie man die Aufgabe interpretiert.

SPOX: Gibt es Bereiche Ihres aktuellen Jobprofils, die Sie sich leichter oder schwieriger vorgestellt haben?

Kienle: Nein, denn ich hatte das Glück, dass ich hier eine Mannschaft mit einem gefestigten Charakter übernommen habe. Im Nachwuchsbereich habe ich schon schwierigere Mannschaften trainiert. Aber die Schwierigkeiten können sowohl im Jugend- als auch im Seniorenbereich auftreten. Wichtig ist immer der Zugang zum Spieler, egal wie alt er ist.

SPOX: Ist eine Hierarchie innerhalb einer Mannschaft wichtig, damit das Team funktioniert?

Kienle: Ja, Hierarchien sind im Fußball wichtig. Es gibt zwar nicht mehr diese Dominanz einzelner Spieler, wie es früher war, aber es bleibt eine gewisse Rolle, die ein älterer Spieler mit Erfahrung einnehmen sollte.

SPOX: Wie sieht das bei Ihrer Mannschaft aus?

Kienle: Wir haben ein gutes Gefüge. Gerade aufstrebende Talente, die noch Orientierung brauchen, können sich an den erfahrenen Spielern anlehnen. Auf dem Platz braucht es die Spielerfahrung, aber auch neben dem Rasen kann man das ein oder andere falsch machen. Es hilft auf jeden Fall, wenn man dann die richtigen Partner in der Mannschaft hat.

SPOX: Derzeit stehen Sie mit ihrer Mannschaft auf Platz eins. Über welchen Fortschritt im Verein haben Sie sich zuletzt am meisten gefreut?

Kienle: Dass wir uns generell nach vorne entwickelt haben und insgesamt stabiler geworden sind. Das haben wir in den schwierigen Phasen in dieser Saison bewiesen. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns mit unserer fußballerischen Entwicklung auf einem guten Weg befinden. Unsere Neuzugänge und die Spieler, die seit längerem hier sind, ergänzen sich gut.

SPOX: Wäre der Verein mit dieser Stabilität bereit für die 2. Liga?

Kienle: Wir denken Schritt für Schritt. Im Moment müssen wir den Weg weiter bestreiten und uns in allen Bereichen noch weiter verbessern. Wir wissen, dass das eine Zeit lang dauern kann. Wenn es dieses Jahr reicht, wäre es schön. Wenn nicht, dann müssen wir uns die gewisse Zeit geben. Wichtig ist, dass wir dann, wenn es soweit ist, dafür bereit sind.

SPOX: Und Infrastrukturell?

Kienle: Da sehe ich kein Problem. Aber wir müssen uns im Wettbewerb mit namenhaften Mannschaften jede Woche neu beweisen. Das klappt aktuell ganz gut, aber viele Mannschaften spielen oben mit. Deshalb müssen wir weiter an uns arbeiten.

SPOX: Die Aufsteiger der letzten Saison - Leipzig, Heidenheim und Darmstadt - haben keine Probleme, sich an das Niveau der 2. Liga anzupassen. Wie groß schätzen Sie den Unterschied zwischen 3. und 2. Liga ein?

Kienle: Das ist alles dichter zusammengerückt. Ganz aktuell sieht man das bei den letztjährigen Aufsteigern. Obwohl noch viel passieren kann, habe ich das Gefühl, dass Vereine wie Heidenheim eine gewisse Verlässlichkeit mit sich bringen und eine Liga höher bestehen werden.

SPOX: Ist die 2. Liga schwächer oder die 3. Liga besser geworden?

Kienle: Die 3. Liga ist in den letzten Jahren definitiv besser geworden. Das merkt man auch an der in der medialen Wahrnehmung und den steigenden Zuschauerzahlen. Natürlich helfen dabei Traditionsclubs wie Bielefeld, Dresden, Duisburg oder Cottbus, die vor Jahren noch zweite oder erste Liga gespielt haben. Mit diesen Mannschaften müssen wir uns als Wehen Wiesbaden messen.

SPOX: Sie waren im Jugendbereich beim VfB Stuttgart und bei Bayern München tätig. Wie lässt sich Jugendarbeit beim SVWW verglichen mit diesen Dimensionen umsetzen?

Kienle: Für einen Drittligist ist das schwieriger, weil sie naturgemäß wenige Mannschaften in den höchsten Jugendligen haben. Das ist bei uns auch so. Es macht einen enormen Unterschied, wenn man da in der Spitze mitspielt. Hinzu kommt bei uns die starke regionale Konkurrenz vor der Haustür mit Mainz und Eintracht Frankfurt.

SPOX: Mit welchen Argumenten können Sie dann Talente locken?

Kienle: In der Hauptsache damit, dass sie bei uns die nächste Entwicklungsstufe nehmen können, wie zum Beispiel aktuell Luca Schnellbacher, Sebastian Mrowca, Marius Kleinsorge oder Daniel Wein.

SPOX: Sie selbst waren fünf Jahre lang beim VfB, der ja auch Ihr Heimatverein ist. Wieso ist es damals eigentlich nicht weiter gegangen? Lag das nur am Lockruf der Bayern?

Kienle: Mir hat die Arbeit als Trainer und Sportlicher Leiter beim VfB von der U 17 bis zur U 23 viel Spaß gemacht, aber es gab damals eine Entwicklung im Verein, die mir nicht gefiel. Außerdem wollte ich wieder als Trainer arbeiten. Dann kam die Anfrage aus München und die habe ich wahrgenommen. Den Wechsel zu Bayern habe ich nie bereut.

SPOX: Waren Sie eigentlich vom Angebot der Bayern überrascht?

Kienle: Ich weiß gar nicht mehr, ob ich da überrascht war. Ich glaube eher nicht.

SPOX: War es denn schwierig, von Stuttgart Abschied zu nehmen?

Kienle: Ja, natürlich. Aber für mich war klar, dass ich wieder als Trainer arbeiten wollte. Stuttgart war für meine persönliche Entwicklung eine immense Bereicherung. Ich bin Schwabe und Stuttgart ist nach wie vor ein Verein, auf den ich immer einen Blick haben werde.

SPOX: Die Bayern kämpfen seit längerer Zeit damit, Ihre Jugendarbeit auf ein neues Niveau zu hieven. Mit welcher Zielsetzung haben Sie damals Ihren Job in München angetreten?

Kienle: Mir ist es als Trainer wichtig, dass ich die Spieler weiterentwickle. Bei Bayern und in anderen NLZ versucht man die Spieler an die U 23 oder den Profibereich heranzubringen.

SPOX: Warum waren Sie nur so kurz in München?

Kienle: Ich hatte eineinhalb schöne Jahre in München und habe die Arbeit mit sehr guten Talenten genossen. Auch einen der weltbesten Klubs näher kennenzulernen, war für mich sehr interessant. Bei mir war es so, dass ich nach einigen Jahren im Nachwuchsbereich einfach mich im Herrenbereich beweisen wollte. Ich bin der Nachwuchsabteilung der Bayern, insbesondere Michael Tarnat und Wolfgang Dremmler, sehr dankbar, dass sie mir dieses ermöglicht haben.

SPOX: Sie waren jetzt schon Jugendtrainer, Jugendleiter und Cheftrainer. Was soll's langfristig sein?

Kienle: Ich lasse alles auf mich zukommen. Die jeweiligen Aufgaben haben mich immer erfüllt und so ist es aktuell auch. Ich bin mit der Mannschaft und dem Trainerteam voll zufrieden.

SPOX: Welche andere Aufgabe reizt sie?

Kienle: Mich interessiert einfach der Bereich Fußball. Das kann später auch mal eine andere Position sein. Aber jetzt bin ich zu 100 Prozent Trainer.

Marc Kienle im Steckbrief

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