"Den Tag wollen wir nie wieder erleben"

Von Interview: Marco Kieferl
Patrick Mayer ist einer der Torgaranten von Tabellenführer Heidenheim
© getty

Nach langer Verletzung trifft Patrick Mayer in der 3. Liga wieder regelmäßig. Damit hat auch der 25-Jährige einen Anteil an der starken Saison von Spitzenreiter 1. FC Heidenheim. Im Interview spricht Mayer über seine Verletzungsodyssee, den zerstörten Erstliga-Traum beim FC Augsburg und den bittersten Tag seiner Karriere.

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SPOX: Herr Mayer, irgendwie verfolgen Sie doch Michael Thurk, oder nicht?

Mayer: Weil ich zu ihm nach Augsburg gewechselt bin und nach ihm dann nach Heidenheim zurückgekehrte? Ich war ja vorher schon in Heidenheim, deswegen war das für mich kein neuer Verein. Das war reiner Zufall.

SPOX: Haben Sie Ihrem damaligen Teamkollegen nicht schon ein wenig von Heidenheim vorgeschwärmt?

Mayer: Nein, denn ich bin ja in Augsburg nach einer Verletzung erst spät ins Training eingestiegen. Deshalb haben wir beide gar nicht so lange gemeinsam trainiert und kannten uns gar nicht so gut. Darüber hinaus war er ja auch relativ schnell nicht mehr in der Mannschaft dabei. Für mich war es daher auch sehr überraschend, dass er sozusagen als Königstransfer nach Heidenheim gegangen ist.

SPOX: Popliteussehne, Syndesmoseband, Außenband, doppelter Bänderriss, Schambeinentzündung - haben Sie während all Ihrer Verletzungen auch mal ans Karriereende gedacht?

Mayer: Nein, überhaupt nicht. Es waren eigentlich nie Verletzungen, die mich sehr lange außer Gefecht hätten setzen können. Leider hat die Genesungszeit das eine oder andere Mal länger gedauert. Jetzt waren es fast zweieinhalb Jahre, in denen ich meinen Rhythmus nicht richtig gefunden habe. Die Verletzungen haben mich also schon ein ganzes Stück zurückgeworfen.

SPOX: Kann man solchen Verletzungen auch etwas Positives abgewinnen?

Mayer: Klar gibt's Situationen, in denen man zweifelt. Vor allem im letzten Jahr mit der Knieverletzung, wo wir eigentlich wochenlang nicht so richtig wussten, was es ist. Erst als wir das Knie aufgemacht haben, hat man gesehen, dass die Popliteussehne etwas angerissen war. Man denkt sich dann schon: Hätte ich doch die Arthroskopie schon früher gemacht! Aber letztlich bringt das dann auch nichts. Man muss immer das Positive erkennen und man hat ja dann gesehen, welche Verletzung es ist. Ich habe nach der OP bis zum heutigen Tage kein einziges Ziehen mehr in der Popliteussehne gespürt.

SPOX: Nach langer Verletzung stehen Sie mittlerweile bei fünf Toren in 13 Spielen. Wie schaffen Sie es, nach schweren Verletzungen immer wieder so stark zurückzukommen?

Mayer: Man bemüht sich immer, noch stärker zurückzukommen und hart zu arbeiten. Ich wusste aber die ganze Zeit: Wenn ich dran bleibe und keine Rückschläge erleide, bin ich auf einem guten Weg und kann der Mannschaft auch wieder helfen. Da war viel, viel Geduld gefragt und das war eigentlich das schlimmste für mich. Anfang der Saison hatte ich ein paar Kurzeinsätze, in denen man gesehen hat, dass ich noch nicht so weit bin. Aber da hat mir der Trainer dann auch die Zeit gegeben, um wieder richtig fit zu werden und hat mich langsam an die Mannschaft herangeführt. Dann kam das Elversberg-Spiel, als er mir das Vertrauen geschenkt hat und in den letzten Spielen vor der Winterpause ist es natürlich überragend gelaufen.

SPOX: Überragend läuft es auch für Ihren Verein: Mit elf Punkten Vorsprung auf Leipzig und 14 Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz dominiert Heidenheim die Liga. Ist Ihnen der Aufstieg überhaupt noch zu nehmen?

Mayer: Das liegt an uns. Wir haben letztes Jahr richtig gut von Spiel zu Spiel geschaut. Wir haben uns stets auf das nächste Spiel konzentriert und konnten so viele Punkte sammeln. Genau das muss uns im neuen Jahr auch gelingen. Wir haben eine gute Vorbereitung absolviert. Wir haben eine sehr fitte Mannschaft und kaum Verletzte. Ich bin überzeugt, dass wir im Jahr 2014 daran anknüpfen, was wir uns letztes Jahr erarbeitet haben.

SPOX: Heidenheim war auch in den letzten Jahren nah am Aufstieg. Worin liegt der Unterschied zu den vergangenen Spielzeiten?

Mayer: Wir haben aus den vergangenen Jahren viel gelernt. Vor allem das Spiel gegen Offenbach am 38. Spieltags hat uns weitergebracht: Dort konnten wir viel Erfahrung sammeln, was es heißt, im letzten Spiel so unter Druck zu stehen und das Spiel gewinnen zu müssen. Daraufhin haben wir uns gesagt: Den Tag wollen wir nie wieder erleben. Die Mannschaft hat in der Vorbereitung hart gearbeitet, wir haben gute Neuzugänge bekommen, die die Mannschaft qualitativ verstärkt und den Konkurrenzkampf angehoben haben. Wir haben eine gute Vorrunde gespielt. Aber jeder muss dranbleiben, weil die Qualität in unserem Kader so stark ist, dass jeder Spieler auch um seinen Platz kämpfen muss. Ich glaube, dass das der ausschlaggebende Punkt ist.

SPOX: Welches Fazit ziehen Sie mit einigem Abstand von Ihrem Bundesliga-Abenteuer beim FC Augsburg?

Mayer: Es ist sicherlich so, dass mich die eine oder andere Verletzung um die große Chance in Augsburg gebracht hat. Ich bin bereits mit einer Schambeinentzündung zum FCA gekommen. Dann habe ich im ersten Training gleich einen Rückschlag erlitten und bin wieder wochenlang ausgefallen. Das hat mich alles zurückgeworfen und ohne Vorbereitung ist es natürlich schwer, als Drittligaspieler in Augsburg Fuß zu fassen. Letztlich ist es auch so, dass dort alles perfekt für mich hätte laufen müssen, um mich in die Mannschaft spielen.

SPOX: Nach nur einem halben Jahr in der ersten Liga ließen Sie sich bereits im Winter wieder nach Heidenheim ausleihen.

Mayer: Für mich war damals klar, dass es für mich schwierig werden würde, wenn ich ein ganzes Jahr nicht spielen würde. Also habe ich den FCA gebeten, dass sie mich ein halbes Jahr nach Heidenheim ausleihen. Dort waren wir ambitioniert, vorne anzugreifen. Das hat mich natürlich auch gereizt. Ich hatte anschließend fünf Spiele gemacht, in denen ich meiner Meinung nach in der besten Form meiner Karriere war. Doch dann kam die schwere Verletzung gegen Jena, die mich dann richtig lange rausgeworfen hat.

SPOX: Also waren die Verletzungen der Hauptgrund, dass Sie nach der Leihe auch in Heidenheim geblieben sind?

Mayer: Ja, auf jeden Fall. Nach meiner Sprunggelenksoperation war mir klar, dass es in Augsburg schwer wird und ich wahrscheinlich keine Chance bekommen werde. Ich habe mich dann dazu entschieden, in Heidenheim zu bleiben, weil ich dort einfach ein perfektes Umfeld vorfinde. Hier habe ich das Vertrauen von Trainer und Geschäftsführer. Die Unterstützung der Fans spielte selbstverständlich auch eine Rolle.

SPOX: Auch wenn Sie sich in Heidenheim wohl fühlen: Kommt manchmal nicht das klassische Was-wäre-wenn-Denken in Ihnen hoch?

Mayer: Das kommt mit Sicherheit immer wieder auf und man fragt sich, was hat man hätte anders machen können. Aber das bringt ja nichts. Es sind mit Sicherheit ein paar Geschichten unglücklich verlaufen, doch ich bin jetzt da, wo ich bin. Ich fühle mich in Heidenheim wohl und bin auch froh hier zu sein.

SPOX: Angesichts Ihrer aktuellen Leistungen könnten nach der Saison wieder Angebote größerer Vereine ins Haus flattern.

Mayer: Wie schon gesagt: Ich fühle mich in Heidenheim momentan sehr wohl und habe jetzt erst wieder ein paar Spiele gemacht. Ich bin noch lange nicht da, wo ich hin will. Ich bin immer noch nicht bei 100 Prozent. Zweieinhalb Jahre, in denen man immer wieder mal anfängt und kurz in der Vorbereitung dabei ist, dann aber immer wieder einen Rückschlag bekommt, das steckt man nicht so einfach weg. Mein absolutes Ziel ist die zweite Bundesliga mit Heidenheim. Ich kann mir momentan nicht vorstellen, den Verein zu verlassen. Ich habe noch anderthalb Jahre Vertrag und für mich gibt es auch keinen Grund, den nicht zu erfüllen.

SPOX: Ist die 2. Liga der perfekte Zwischenschritt für junge Spieler aus der 3. Liga? Hakan Calhanoglu beweist ja gerade, dass auch der ganz große Sprung in die Bundesliga nicht unmöglich ist.

Mayer: Ich sage mal so: Wenn ich 19 oder 20 wäre, würde ich wohl eine andere Antwort geben. Für mich wäre es aber natürlich der perfekte Schritt, 2. Liga zu spielen. Für die Talente in der 3. Liga ist das mit Sicherheit ein perfekter Schritt, um auf sich aufmerksam zu machen. Es ist doch so: Der eine Spieler geht lieber einen Schritt zurück, um dann noch einmal anzugreifen, der andere setzt sich vielleicht schon ein wenig früher durch.

Patrick Mayer im Steckbrief

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