"Die Mannschaft war tot"

Von Interview: Kevin Bublitz/Mark Heinemann
Thomas Gerstner beerbte Wolfgang Wolf als Trainer bei den Kickers Offenbach
© Getty

Auch der Trainerwechsel hat wenig gebracht: Die Kickers Offenbach stehen unter Thomas Gerstner noch schlechter da als unter Wolfgang Wolf. Im Interview mit SPOX sucht der 44-Jährige nach Gründen für die miserable Rückrunde, blickt auf den bevorstehenden Showdown im Aufstiegskampf und erklärt, weshalb Fußballprofis vergleichsweise wenig Druck haben.

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SPOX: Haben Sie sich die Aufgabe bei den Offenbacher Kickers eigentlich etwas leichter vorgestellt? Es sah doch mal ganz gut aus mit dem Relegationsplatz....

Thomas Gerstner: Nein, leichter vorgestellt habe ich mir das nicht. Wenn man in einer solchen Phase eine Mannschaft übernimmt, die zwar auf Platz drei steht, aber nur einen minimalen Vorsprung hat, dann stellt man sich das so vor, wie es nun passiert ist. Es wird bis zum Ende eng, das war uns bewusst.

SPOX: Wo liegen denn aktuell die Probleme?

Gerstner: Wir werden in der Öffentlichkeit nicht sagen, was alles schief gegangen ist und derzeit nicht rund läuft. Klar ist, dass etwas schief gelaufen ist, sonst hätten wir schon fünf oder sechs Punkte mehr. Wir haben in der letzten Woche ein Heimspiel gegen den VfB Stuttgart II, führen mit 2:0 und geben das Ding noch aus der Hand. Das darf einfach nicht passieren und schon gar nicht dann, wenn man unsere Ziele hat.

SPOX: Der Frust sitzt tief...

Gerstner: Wenn ich in der Tabelle in dieser Phase der Saison auf Platz zehn stehe, ist es mir vielleicht egal. Der Verein freut sich, dass er dann die Siegprämie nicht mehr bezahlen muss. Aber in unserem Fall hatten wir ein Heimspiel, waren die klar bessere Mannschaft und dann einfach nicht cool genug, um den Vorsprung über die Runden zu bringen. Solche Dinge passieren im Fußball. Aber in der aktuellen Phase sind sie halt besonders bitter.

SPOX: Woran lag es dann bei der jüngsten 1:2-Pleite bei Eintracht Braunschweig?

Gerstner: Die Eintracht und ihr Umfeld stecken durch den Aufstieg in einer euphorischen Phase. Dadurch spielt es sich automatisch leichter. Wir waren hingegen von der ersten Sekunde an platt. Das hat man sofort gesehen. Die Mannschaft war tot.

SPOX: Heidenheim und Dresden sind Ihre drei letzten Gegner. Es läuft alles auf den großen Showdown am letzten Spieltag gegen Dynamo hinaus.

Gerstner: Das habe ich immer gesagt. Wir haben gegen Dresden ein Heimspiel und im eigenen Stadion haben wir es seit meinem Start gut gemacht. Wenn mir heute einer garantieren würde, dass wir in drei Wochen ein Endspiel gegen Dynamo Dresden um Platz drei haben, dann unterschreibe ich das. Genau da wollten wir immer hin.

SPOX: Wie wichtig wäre der Aufstieg für den Verein auch mit Blick auf die ganzen Entwicklungen, die nun beispielsweise in Sachen Stadion angestoßen worden sind?

Gerstner: Dafür bin ich der falsche Ansprechpartner. Ich bin für den sportlichen Bereich zuständig. Klar ist aber, dass hier alle geil darauf sind, mit dem neuen Tempel in der 2. Bundesliga zu spielen.

SPOX: Wie wichtig wäre das auch für das Selbstverständnis des Vereins? Ihre Nachbarn aus Frankfurt spielen höher...

Gerstner: Wir brauchen jetzt nicht auf irgendwelche Frankfurter Vereine schauen und Vergleiche anstellen. Wir sollten auch nicht anfangen, davon zu sprechen, dass Offenbach ein Traditionsverein ist und deshalb in die 2. Liga gehört. Das ist doch alles Käse. Entscheidend ist, dass wir uns sportlich qualifizieren. Da hilft es nicht, über den Main zu blicken oder zu jammern, dass wir eigentlich in die 2. Liga gehören.

SPOX: Sind denn auch die Köpfe der Spieler soweit frei?

Gerstner: Das wird sich erst auf dem Platz zeigen. Wir können reden, machen und tun oder über Glasscherben laufen. Entscheidend ist, was auf dem Platz passiert. Wir können nur auf dem Trainingsplatz so arbeiten, dass wir der Meinung sind, es funktioniert. Es ist dann eine Charakterfrage, ob die Mannschaft alles umsetzt. Gegen den VfB Stuttgart II hat sie es umgesetzt, sich aber nicht dafür belohnt. Das wäre jetzt gegen Jena wichtig.

SPOX: Muss ein Profi nicht in der Lage sein, während der 90 Minuten auf dem Platz Störfeuer von außen oder innerhalb der Mannschaft auszublenden?

Gerstner: Das sollte im Idealfall so sein. Größtenteils ist es auch bei uns so. Aber wovon reden wir?

SPOX: Von Profis...

Gerstner: Wo Menschen sind, werden Fehler gemacht. Es gibt keine perfekten Menschen, sondern nur perfekte Absichten. Wir haben hier Spieler, die absolut gewillt sind. Es gibt interne Gründe, warum das ein oder andere nicht funktioniert.

SPOX: Andreas Möller hat auch noch einmal für Druck gesorgt, indem er den Spielern empfohlen hat, sich durch Leistung auch für die kommende Saison zu qualifizieren. War das in Ihrem Sinne?

Gerstner: Was haben wir denn für einen Druck? Es gibt derzeit Menschen, die haben nichts zu Essen oder müssen täglich um ihr Leben fürchten. Die haben Druck. Wir haben einen tollen Beruf als Fußballer und verdienen hier unser Geld. Wo ist da Druck? Die Spieler sollen auf den Platz gehen und ihr Bestes geben, um das Spiel zu gewinnen. Wir müssen unsere Qualitäten in die Waagschale werfen, dann haben wir gute Chancen, die drei Spiele zu gewinnen.

SPOX: Hätten Sie eigentlich Lust auf ein Duell mit Arminia Bielefeld in der kommenden Saison?

Gerstner: Den Gedanken hatte ich bislang noch gar nicht. Gegen welchen Verein ich in der kommenden Saison spiele, steht noch in den Sternen. Ich habe auch gar keine Zeit, darüber nachzudenken.

SPOX: Verfolgen Sie das Geschehen in Bielefeld noch?

Gerstner: Natürlich, bekomme ich das mit. Ich lebe ja nicht auf dem Mond. Aber mein Arbeitsplatz ist hier in Offenbach und darum habe ich mich zu kümmern. Was bei anderen Vereinen passiert, ist nicht mein Aufgabengebiet.

SPOX: Sie haben ja schon vor der Entwicklung gewarnt, als Sie dort noch Trainer waren.

Gerstner: Die Entwicklung in Bielefeld war abzusehen, das stimmt. Ich habe aber nicht davor gewarnt, ich habe es gewusst und habe ab und an mal angesprochen, wo es hingehen wird. Aber das ist nicht mehr mein Thema.

SPOX: In Jena gab es einen Trainerwechsel von Wolfgang Frank zu Heiko Weber. Es ist die Spielzeit der Trainerwechsel. Muss man mit dem Schleudersitz Trainerstuhl mittlerweile einfach leben?

Gerstner: Wenn alle Klubs so wären wie Manchester United oder Werder Bremen, könnte man den Fußballlehrerlehrgang abschaffen. Dann bräuchte man nicht jährlich noch 25 neu ausgebildete Fußballlehrer. Wir Trainer wissen, worauf wir uns einlassen, wenn wir uns für diesen Beruf entscheiden. Wir wissen einfach, dass an unserem Stuhl an der Seite ein Hebel ist, mit dem man wie ein Pilot in seinem Schleudersitz aus der Kanzel fliegen kann. Insofern ist das normal. Des einen Pech, ist des anderen Glück. Damit muss man als Trainer umgehen können.

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