Mensch, Hut ab!

Borussia Dortmund hat den DFB-Pokal gewonnen
© getty

Am 11. April hätten sie noch sterben sollen, doch nun gelang den Spielern von Borussia Dortmund 46 Tage nach dem Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus die Krönung einer enorm turbulenten Saison im Pokalfinale gegen Eintracht Frankfurt. Eine Leistung von Mensch und Leistungssportler, die höchsten Respekt verdient. Ein Kommentar von SPOX-Redakteur Jochen Tittmar.

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Den Sportlern und Menschen, die in dieser Saison im Trikot von Borussia Dortmund Pflichtspiele austrugen, hätte man angesichts der schrecklichen Erfahrung beim Anschlag auf den Mannschaftsbus am 11. April verzeihen müssen, wenn anschließend sportliche Ziele verfehlt worden wären.

Doch denjenigen, die am damaligen Dienstagabend im Bus saßen, Spielern wie Trainern, gelang keine 50 Tage nach dem wohl traumatischsten Erlebnis ihres bisherigen Lebens mit dem DFB-Pokalsieg in Berlin die sportliche Krönung einer Saison, die nicht erst durch das Attentat so viele Turbulenzen bereithielt wie etliche Jahre nicht mehr in Dortmund.

Vor dieser Leistung ist daher schlichtweg der Hut zu ziehen, sie verdient höchsten Respekt. Nicht nur im Hinblick auf die Profisportler, denen diese Leistungen im Anschluss an ein solches Ereignis gelangen. Sondern auch auf jeden einzelnen Menschen dahinter, der diese Erfahrung und ihre Nachwehen als unmittelbar Betroffener durchleben musste.

Nicht wenige BVB-Spieler betonten im Vorfeld des Endspiels in Berlin, dass der nun anstehende und auch heftig herbeigesehnte Sommerurlaub dazu beitragen dürfte, den Anschlag "gesünder" zu verarbeiten.

Das konnte bislang nicht geschehen, die unaufhörliche Hatz des sportlichen Rahmenterminkalenders hatte dies den Borussen unmöglich gemacht. Und deshalb beklagen auch nicht wenige BVB-Spieler bis heute, sich weiterhin regelmäßig mit den Begleitumständen des hinterlistigen Angriffs herumzuschlagen.

Alles andere wäre freilich ohnehin unlogisch und vor allem unmenschlich. Menschlich und vielleicht auch logisch dagegen wäre es viel eher gewesen, wäre die Mannschaft unter dem Druck eingeknickt und hätte die sportlichen Ziele, über deren Erreichen ausgerechnet diese letzten 46 Tage entschieden, verfehlt.

Doch die Beteiligten haben in dieser Zeit allesamt enormen Willen bewiesen, als Mensch und Sportler. Die individuellen Ausprägungen des bislang eben nur sehr kümmerlich vorangeschrittenen Verarbeitungsprozesses hat das Team in erster Linie emotional enger zusammenwachsen lassen. Man ist sich auf einer innerhalb einer Profifußballmannschaft bislang relativ unbeachteten Ebene näher gekommen: der rein menschlichen.

Der Anschlag hat es nicht geschafft, dass die Borussia den sportlichen Fokus verlor. Die Mannschaft wurde stattdessen vom ureigenen Ehrgeiz angetrieben, den jeder einzelne dieser Hochleistungssportler in sich trägt und mit dem man es überhaupt erst auf dieses Niveau schafft. Mit dem Triumph in der Hauptstadt hat man sich nun individuell wie gemeinschaftlich belohnt.

Eine Niederlage wäre wohl fatal für den außenpolitisch zuletzt stark schlingernden Klub gewesen, auch die individuelle Aufarbeitung des Geschehenen hätte eine Pleite wahrscheinlich erschwert.

Nun ist der Weg jedoch zumindest in der Theorie frei, um mit Beginn der Vorbereitungszeit auf die kommende Saison einen Neuanfang zu starten. Den wird es durch die sehr wahrscheinliche Veränderung auf der Trainerposition in sportlicher Hinsicht sowieso geben.

Es besteht die Chance auf eine Rückkehr zur Normalität - wenngleich man sich als Sportler wohl eher das Unnormale in Form von Endspielteilnahmen und Titelgewinnen wünscht.

Normal wird diese Elf trotzdem nicht mehr sein können. Sie ist durch den Pokalsieg nur Wochen nach dem Angriff auf das eigene Leben nämlich für immer in die Vereinsgeschichte von Borussia Dortmund eingegangen.

Eintracht Frankfurt - Borussia Dortmund: Die Statistik zum Spiel

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