Den Schwung nicht mitgenommen

64. Minute in Berlin: Mats Hummels erzielt ein Tor, dem aber die Anerkennung verweigert wird
© getty

Borussia Dortmund hat eine starke Saison nicht mit einem Titel krönen können. Dabei avancierte der BVB nach den Entwicklungen der letzten Wochen mindestens zum Geheimfavoriten des DFB-Pokalendspiels gegen den FC Bayern München. Die hohen Erwartungen wurden aber nicht erfüllt.

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Der FC Bayern hatte noch nicht einmal den Pokal in der Hand und die Mannschaft Borussia Dortmunds hatte noch nicht einmal die Hälfte der Ehrenrunde hinter sich, da schlich Mats Hummels schon einsam in die Katakomben des Olympiastadions.

Vorbei an den jubelnden Münchenern. Vorbei an Konfetti, Discorauch und Maria Höfl-Riesch.

Hummels war auch der erste Borusse, der das Stadion verließ und sich auf den Weg zum Mannschaftsbus machte. Sichtlich angeschlagen versuchte der vorher 120 Minuten stark aufspielende Innenverteidiger das 0:2, das erst in der zweiten Hälfte der Verlängerung zu Stande kam, zu erklären: "Natürlich tut diese Niederlage etwas mehr weh als auf dem Bolzplatz."

Wer seinen leeren Blick dabei sah, konnte es mitfühlen.

Torlinientechnik wieder ein Thema

Selbst die Diskussion um die Szene des Spiels, in der Hummels selbst die Hauptrolle spielte, wollte der Verteidiger nicht weiter ausufern lassen.

"Ich habe sofort gesehen, dass er drin war, aber ich war ja auch nur einen Meter entfernt. Der Verantwortliche war weiter weg, für den war es schon schwieriger", sagte Hummels und ging schließlich mit hängenden Schultern von dannen. Die Diskussionen über Torlinientechnik und Co. sollten andere führen.

Jürgen Klopp holte auf der Pressekonferenz richtig aus und selbst aus dem Lager des FC Bayern gab es dafür Unterstützung. "Es geht um viel, es geht um Titel und dann wird so ein Tor nicht gegeben", sagte Philipp Lahm. Von der Solidarität der Münchener können sich die Borussen freilich nichts kaufen und in der Verarbeitung der Niederlage half sie auch nicht weiter.

Niederlage hat Dortmund schwer getroffen

Denn die Finalniederlage hat die Dortmunder schwer getroffen. Womöglich sogar mehr, als sie vorher vermutet hätten. Die Ausgangssituation vor dem Endspiel der beiden deutschen Vorzeigeklubs wirkte so: Auf der einen Seite die Mannschaft, die den Pokal gewinnen muss, um die Saison zu retten. Auf der anderen Seite eine Mannschaft, die den Pokal gerne gewinnen würde, aber eigentlich gar nicht muss.

Denkste.

Die Borussia hatte sich natürlich mehr erhofft und insgeheim wohl auch daran geglaubt, beim finalen Pflichtspiel der Saison dem großen Erzrivalen eins auszuwischen zu können. Die kleine Talfahrt des FC Bayern in den letzten Wochen, die dortigen Personalsorgen vor dem Finale, die während des Spiels nicht weniger wurden, und die eigenen starken Auftritte in der Bundesliga hievten den BVB mindestens auf Augenhöhe mit der vermeintlichen Übermannschaft.

"Lass dir nichts einreden, Pep. Ein Titel reicht vollkommen", scherzte Klopp auf der Pressekonferenz am Freitag, nachdem Guardiola ausführte, der Pokal sei wichtig für eine positive Endabrechnung.

Im Ergebnissport Fußball gilt das auch für den BVB: Der Vizemeister verpasste es, den Schwung der vergangenen Wochen ins Pokalfinale zu retten. So selbstbewusst und hungrig viele Akteure in der Bundesliga zuletzt aufspielten, so zaghaft und anstrengend sah es in Berlin aus. Klopp bestätigt: "Die große Leichtigkeit war nicht zu erkennen, aber wir haben uns gequält, alle haben alles gegeben."

Viele unter Form

Es war nicht zu übersehen, dass Leistungsträger der letzten Wochen wie Milos Jojic, Henrikh Mkhitaryan und - in seinem letzten Spiel für Borussia Dortmund - Robert Lewandowski deutlich hinter ihren Möglichkeiten blieben. Verblüffend viele Spieler auf einmal für ein Finale, das eine ganze Stadt mobilisierte und ungeheure Brisanz innehatte.

Dass der kollektive Formschwund an der taktischen Ausrichtung des Trainers lag, wollte Klopp nicht gelten lassen. Seine Mannschaft sei auf das vorbereitet gewesen, was die Münchener darboten. Doch es dauerte fast eine Stunde, bis sich die Dortmunder auf das Pep'sche 3-4-3 einstellen konnten.

"Es stimmt, dass wir nicht so zum Zuge gekommen sind, wie wir es uns gewünscht hätten", sagte Oliver Kirch, dessen Einwechslung die Balance herstellte: "Im Laufe des Spiels wurde es deutlich ausgeglichener. Es war eine Partie auf Augenhöhe."

Das "größte Spiel"

Eine treffende Beschreibung der 120 Minuten, die den Zustand nicht verändert, dass Dortmund eine weitere Saison ohne Titel bleibt, lässt man den Supercup vom Sommer mal außen vor.

"Dieses Spiel ist das Größte, was unter den derzeitigen Umständen zu spielen ist", sagte Klopp vor dem Finale. Aus dem einfachen Grund: Weil hier die Titelchance am größten ist. In der Meisterschaft ist Bayern auf der Langstrecke derzeit kaum einholbar, in der Champions League ist es nicht nur der FC Bayern, der mit viel Qualität an den Start geht. Der DFB-Pokal ist da der aussichtsreichste Wettbewerb für einen Titel.

Zumindest Hummels brachte auf dem Weg zur Saisonabschlussfeier des BVB dann wieder ein paar Brocken Motivation zusammen, um für die nächste Saison eine Kampfansage zu versenden. "Nächstes Jahr gibt's einen Titel. Ich weiß nicht, welchen, aber es gibt einen Titel", ließ er per Facebook verlauten.

Vielleicht ja dann wieder, wenn sich Konfetti, Discorauch und Maria Höfl-Riesch treffen.

Dortmund - Bayern: Die Daten zum Spiel

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