Claus-Dieter "Pele" Wollitz von Energie Cottbus im Interview: "Ich wurde eiskalt von den Fans reingelegt"

Von Max Schrader
Claus-Dieter Wollitz trainiert seit 2016 wieder Energie Cottbus.
© getty
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Warum denken Sie geschieht in dieser Hinsicht nicht das, was sich die Mehrheit der Klubs wünscht? Wie sieht denn der optimale Plan für die Aufstiegsregelung aus?

Wollitz: Der DFB ist einfach nicht bereit dazu, denn dann müsste man etwas bei den Landespokalen und am DFB-Pokal ändern. Wieso stockt man die 3. Liga beispielsweise nicht einfach auf 22 Teams auf? Auf internationaler Ebene wird dagegen bei allem und jedem zugestimmt, man denke nur an die Weltmeisterschaft mit 48 Mannschaften. Dadurch bekommt man ja auch mehr Geld. Müsste man aber etwas abgeben, dann geht das natürlich nicht. Und so wird eben die Kluft zwischen Groß und Klein immer größer.

Nach Saisonende 2017/2018 spendeten die 18 Zweitligisten den beiden Absteigern Braunschweig und Kaiserslautern jeweils 600.000 Euro, um den "wirtschaftlich schwer verkraftbaren Gang in die 3. Liga" abzufedern. Wie kam das bei Ihnen an?

Wollitz: Das war aus meiner und der Sicht der anderen Drittligisten sehr ungerecht. Ich habe mich sehr gewundert, wieso der Absteiger belohnt wird und der Aufsteiger dagegen nichts bekommt. Diese 1,2 Millionen Euro hätten auf die Ab- und Aufsteiger aufgeteilt werden müssen. Das wäre echte Solidarität gewesen. Für mich ist das moralisch alles schwer zu verstehen.

Kommen wir mal zu Ihrer originären Aufgabe als Trainer. Was halten Sie denn von Begriffen wie der abkippenden Sechs oder der falschen Neun?

Wollitz: Das hat sich halt so entwickelt. Wenn ich mit meinen Spielern kommuniziere, rede ich auch anders als früher. Wenn ich in die Kabine komme, höre ich zum Beispiel: "Ey, Alter! Was geht?" Und wenn ein Spieler eine Chance vergibt, heißt es heute: "Ey, Alter! Was ist los mit dir?" Das ist einfach eine andere Zeit. Man muss sich anpassen und versuchen, Augenhöhe herzustellen.

Inwiefern hat sich in Ihren Augen auch das Spiel verändert?

Wollitz: Es wird viel mehr 'gespiegelt', wie es heute heißt. Man passt sich mehr dem Gegner an. Ein Julian Nagelsmann zum Beispiel wechselt im Spiel vier Mal das System. Das fällt in der Bundesliga immer mehr auf, weil es dort auch zahlreiche Kameras gibt. Wenn ich das in der Regionalliga mache, kriegt das kein Mensch mit. (lacht)

Welche Meinung haben Sie von Spielerberatern?

Wollitz: Mir vergessen zu viele Berater, dass die Entwicklung eines Spielers auch Rückschritte beinhalten kann. Viele wollen keine Dellen in der Entwicklung ihres Spielers akzeptieren, weil sie ihn am liebsten schnellstmöglich zu einem größeren Verein bringen möchten. Grundsätzlich gesehen sind Berater aber natürlich wichtig, denn ohne ihre Kontakte bekommt man in der heutigen Fußballwelt keinen Job mehr. Es gibt aber auch genügend Fälle, in denen Berater die falschen Vereine für ihre Spieler auswählen.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wollitz: Sebastian Rudy. Das ist ein fantastischer Fußballer, doch er passte mit seinem Spielerprofil einfach nicht zu Schalke 04. Dieser Verein muss doch Leidenschaft, Aggressivität und Emotion verkörpern.

Worauf legen Sie bei einer Neuverpflichtung mehr wert: auf die spielerische Klasse oder den Charakter?

Wollitz: Im Idealfall bringt der Spieler beides mit. Spielerische Klasse ist natürlich super, aber wichtiger sind für mich die Mentalität und der Charakter. Besitzt man diese beiden Eigenschaften, dann hat man auch eine richtige Einstellung und ist somit teamfähig.

Lassen Sie uns zum Schluss über den Ruf von Energie Cottbus sprechen. Aufgrund diverser Entwicklungen in den vergangenen Jahren hat sich das deutschlandweite Bild stark verändert. Viele verbinden den Klub mit rechtsradikalen Fans.

Wollitz: Das stimmt, viele denken leider so und pauschalisieren. Aufgrund von absolut verurteilenswerten Aktionen einiger weniger Leute wird die ganze Stadt häufig als braun bezeichnet. Der Klub, die Stadt und viele Menschen hier stellen sich dagegen und versuchen einiges, um dieses Image loszuwerden, doch diesen Stempel wird man wahrscheinlich nicht mehr los. Energie Cottbus ist kein Nazi-Klub. Ich möchte auch nichts mit Nazis zu tun haben.

Inwiefern nehmen Sie denn eine sich radikalisierende Cottbuser Fanszene wahr?

Wollitz: Das bekomme ich nicht mit. Ich höre immer wieder, dass Fans radikal seien oder andere Fans im Block nicht jubeln dürfen. Sollte das der Fall sein, dann ist für mich die Politik gefragt, denn ein Verein bekommt so etwas nicht allein gelöst. Ich lehne solche Tendenzen ganz klar ab, ich kann dafür aber nicht zuständig sein. Meine Aufgaben sind die sportlichen Themen.

Da wäre zum Beispiel das Duell mit dem FC Bayern München in der 1. Runde des DFB-Pokals. Was dachten Sie, als das Los Bayern gezogen wurde?

Wollitz: Für den Klub und die Region schön, für mich als Trainer schlecht.

Weshalb?

Wollitz: Weil ich nicht gerne in ein Spiel gehe, bei dem ich weiß, dass ich chancenlos sein werde. Die Chancen stehen für uns null zu hundert. Was soll da auch groß für uns möglich sein? Wann ist Bayern München denn das letzte Mal in der ersten Runde ausgeschieden? In diesem Spiel können wir nur an Erfahrung gewinnen. Natürlich würde ich mich nicht dagegen wehren, wenn es anders käme. Das könnte ich jetzt schon sagen: Es wäre der schönste Moment meiner Karriere.

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