"Bayerns Vorsprung ist auch wegen uns so groß"

Von Interview: Jochen Tittmar
Marcel Schmelzer absolvierte in seiner Karriere bislang 13 DFB-Pokal-Spiele und schoss dabei ein Tor
© getty

Am Mittwochabend steigt der Kracher im DFB-Pokal-Viertelfinale zwischen dem FC Bayern München und Borussia Dortmund (20.15 Uhr im LIVE-TICKER). Vor der Partie spricht Dortmunds Linksverteidiger Marcel Schmelzer im Interview über seine Begeisterung für das Klavierspiel und die Probleme des BVB, ein Ergebnis zu verwalten. Dazu schiebt Schmelzer dem deutschen Rekordmeister die klare Favoritenrolle zu.

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SPOX: Herr Schmelzer, nach Ihren Toren im Pokal in Aalen und gegen Real Madrid versprach Ihnen ein Leser der "WAZ", dass Sie bei ihm kostenlos Klavierstunden nehmen können. Wie ist denn da der aktuelle Stand?

Marcel Schmelzer: Ich werde auf das Angebot nicht eingehen, weil ich nicht möchte, dass daraus eine öffentliche Nummer wird. Das soll eine private Angelegenheit werden und bleiben. Mir fehlte bislang einfach die Zeit, um das richtig in Angriff zu nehmen. Einen passenden Lehrer brauche ich auch noch.

SPOX: Woher kommt Ihre Begeisterung für dieses Instrument?

Schmelzer: Mir hat Musik, bei der das Klavierspiel den Ton angibt, schon immer ziemlich gut gefallen. Das ist irgendwie etwas Besonderes. Vor meinem ersten Länderspiel in Schweden hat Rene Adler spontan etwas auf dem Klavier vorgespielt. Dieses Live-Erlebnis hat mich dann endgültig überzeugt. Seitdem erwäge ich ernsthaft, mit dem Klavierspielen zu beginnen.

SPOX: Heute Klavierspielen, früher Grundschullehrer. Stimmt es, dass Sie nach Ihrer Zeit im BVB-Jugendhaus mit dem Fachabitur diese Richtung einschlagen wollten?

Schmelzer: Naja, es war eher eine von ein paar Möglichkeiten, die ich mir nach der Schule hätte vorstellen können. Mittlerweile haben sich die Dinge für mich ja zum Besseren gewendet (lacht). Ich bin glücklich und zufrieden mit meiner aktuellen Arbeit.

SPOX: Wie war eigentlich der Tagesablauf im Jugendhaus damals geregelt? Sie sind dort ja mit 15 Jahren nach Ihrem Wechsel aus Magdeburg eingezogen.

Schmelzer: Eigentlich läuft das dort so ab wie bei vielen anderen Familien. Nach dem Aufstehen wird gemeinsam gefrühstückt und dann geht's in die Schule oder zum Ausbildungsplatz. Von dort wieder zurück ins Jugendhaus, ein bisschen zusammensitzen, nochmal eine Mahlzeit einnehmen und ab ins Training. Nach der Rückkehr isst man zu Abend, danach ist Freizeit angesagt. Die habe ich entweder damit verbracht, bei meiner Familie zu Hause in Magdeburg anzurufen oder habe eben mit den anderen Jungs etwas gemacht.

SPOX: Zehn Jahre nach Ihrem Einzug sind Sie nun Doublesieger, Nationalspieler und kicken in der Champions League. Sebastian Kehl verriet vor dem Hinspiel gegen Donezk, dass jeder BVB-Spieler einen Link zugeschickt bekam, über den er Videosequenzen zu den Stärken und Schwächen Schachtjors anschauen konnte. Wer ist denn beim BVB für so etwas zuständig?

Schmelzer: Unser Co-Trainer Peter Krawietz hat da sicher seine Finger mit im Spiel. Bei der Erstellung des Videos sind aber mehrere Personen involviert. Wie der Prozess genau aussieht, bis es uns dann zur Verfügung steht, weiß ich ehrlich gesagt gar nicht.

SPOX: Was dabei vermutlich nicht thematisiert wird, ist, wie man ein Ergebnis verwaltet. Trainer Jürgen Klopp sagte kürzlich, dass es genau das ist, was seine Mannschaft nicht könne. Es gab tatsächlich schon einige Spiele, die gewonnen schienen, dann aber noch eine unverhoffte Wendung nahmen. Wie erklären Sie sich das?

Schmelzer: Wir haben es in manchen Partien der Hinrunde einfach nicht geschafft, unser Spiel über die vollen 90 Minuten durchzuziehen. Wir hatten während der Spiele über einen zu langen Zeitraum zu viele Unkonzentriertheiten drin. So ist es dann zu oft passiert, dass wir vermeintlich schwächere Gegner wieder ins Spiel zurückgeholt und dumme Gegentore kassiert haben, obwohl wir zuvor schon längst den Sack hätten zu machen können.

SPOX: Gibt es einen Zusammenhang mit dem großen Drang der Mannschaft, immer weiter nach vorne zu spielen und dann in unnötige Konter zu laufen?

Schmelzer: Das denke ich nicht. Im Gegenteil, wenn wir nach einem 1:0 oder 2:0 immer weiter auf das nächste Tor gegangen wären, dann hätten wir auch nicht so viele Punkte liegen gelassen. Davon bin ich überzeugt. Aber da sind wir leider selbst dran schuld.

SPOX: Durch die drei Platzverweise gegen den BVB in den letzten vier Heimspielen kam viel Hektik auf, die Mannschaft agierte dann in der Folge teilweise nicht mehr mit klarem Kopf. Liegt das ausschließlich an der gefühlten Ungerechtigkeit, die zuvor passierte?

Schmelzer: Wenn man in drei von vier Heimspielen jedes Mal einen Platzverweis in der 30. Minute bekommt und 80.000 Zuschauer um dich herum dazu vehement anzeigen, dass es ungerecht war, dann ist es einfach menschlich, etwas aufgeregter als sonst zu sein und kurze Zeit auch ein wenig wilder zu agieren. Ich finde, dass sich das in den Partien aber auch wieder recht schnell gelegt hat. Da wir diese Situationen ja leider üben durften, haben wir gegen Frankfurt dann auch richtig reagiert. Wir haben uns nicht hinten rein gestellt und das Ergebnis verwaltet, sondern weiterhin offensiv verteidigt und uns Chancen herausgespielt.

SPOX: Wie schafft man es, dass die Emotionalität in solchen Situationen nicht überhandnimmt?

Schmelzer: Für mich ist das letztlich eine Sache der Erfahrung im Umgang mit diesen Begebenheiten. Gegen die Eintracht ist der Lerneffekt ja wie gesagt auch eingetreten. Wir haben in der Halbzeit gesagt, dass wir uns nun endlich einmal dagegen wehren und uns nicht selbst bemitleiden dafür, wieder eine Stunde mit einem Mann weniger spielen zu müssen. Daher bin ich positiv gestimmt, dass wir das künftig besser regeln als noch gegen Wolfsburg oder Hamburg - oder eben einfach gar keinen Platzverweis mehr kassieren (lacht).

SPOX: In der Meisterschaft hat Dortmund nun 17 Punkte Rückstand auf den FC Bayern, der bislang eine perfekte Saison spielt und drauf und dran ist, die 81-Punkte-Bestmarke des BVB aus dem Vorjahr zu knacken. Wie groß ist denn der Anreiz, dem Rekordmeister durch eine Niederlage im Pokal die perfekte Saison zu vermiesen?

Schmelzer: Sehr groß. Natürlich ist die Partie auch wieder ein absolutes Highlight für alle, die dem Fußball auch nur irgendetwas abgewinnen können. Wir können in dieser Begegnung einiges wieder gutmachen, denn ich bin der Meinung, dass Bayerns Vorsprung in der Liga unter anderem auch wegen unserer Erfolge in den letzten beiden Jahren so groß ist. Unser Ziel ist es ganz eindeutig, am Mittwoch ins Halbfinale einzuziehen.

SPOX: Die Bayern haben alle Rückrunden-Pflichtspiele souverän gewonnen - teilweise jedoch gegen Gegner, deren Klasse klar unter der des BVB liegt. Was heißt das für Mittwoch?

Schmelzer: Die Bayern sind der Favorit, fertig aus. Ganz egal, wie gut oder schlecht die Gegner zuvor waren. Sie führen die Tabelle souverän an, stehen in der Champions League bereits so gut wie im Viertelfinale und spielen einfach eine sehr gute Saison. Niemand ist gegen sie aktuell Favorit.

SPOX: Sind die Münchner am Mittwoch fällig?

Schmelzer: Ich hoffe es, ja. Das wird wieder eine Partie wie in den letzten Spielzeiten auch. Wir setzen alles daran, um die Bayern in diesem Wettbewerb zu besiegen und am Ende auch den Pokal zu verteidigen.

Marcel Schmelzer im Steckbrief