"Sonst werden Fußballer zu Außerirdischen"

Von Interview: Haruka Gruber
Milan Sasic führte den MSV Duisburg in dieser Saison ins Finale des DFB-Pokal-Finale
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SPOX: Parallel fingen Sie an, die DJK Gebhardshain-Steinebach zu trainieren. Ein Verein aus der Kreisklasse B, von dem Sie jedoch dachten, dass er in der 4. Liga spielen würde. Wie war das kolossale Missverständnis möglich?

Sasic: Ein Landsmann bot mir an, in der B-Liga wieder in den Fußball einzusteigen. Ich dachte mir: Unter der Bundesliga und 2. Liga kommt bestimmt die A-Liga und dann die B-Liga, entsprechend habe ich zugesagt. Anfangs war ich richtig geschockt, als ich sah, dass die Spieler in der Kabine rauchten und Bier tranken. Erst dann wurde mir bewusst, dass ich in der zweitniedrigsten Liga Deutschlands gelandet bin. Ich habe jede Woche die Zeitung aufgeschlagen und nie unsere Ergebnisse gefunden. (lacht) Aber ich habe das Beste daraus gemacht: Ich habe das Rauchen und Biertrinken verboten, wir sind aufgestiegen und ich bin nach Hamm gewechselt...

SPOX: ... wo Sie erst die zweite Mannschaft und dann die erste Mannschaft in der Oberliga übernommen haben.

Sasic: Ich verlor meine Arbeitserlaubnis, weil in Kroatien der Krieg offiziell für beendet erklärt wurde, deswegen musste ich eine Anstellung als Trainer finden. Die Stelle in Hamm war meine Rettung. Ich hatte jedoch nie vor, die erste Mannschaft zu übernehmen. Im Gegenteil: Ich wusste, dass mein Job bei der zweiten Mannschaft nicht so von Ergebnissen abhängig und daher sicherer war, deswegen habe ich mich lange gewehrt, befördert zu werden. Wenn ich in Hamm entlassen worden wäre, hätte ich die Aufenthaltsgenehmigung verloren. Nachdem wir mit der Zweiten aber zweimal aufstiegen, konnte ich mich nicht mehr wehren.

SPOX: Sie machten sich in Hamm einen Namen und wurden vom damaligen Liga-Konkurrenten Koblenz abgeworben. Wie erinnern Sie sich an die Zeit bei der TuS?

Sasic: Ich habe eine Mannschaft übernommen, in der nur noch vier Spieler unter Vertrag standen. Der Verein hatte Schulden von einer Million Euro und ins Stadion kamen 400 Zuschauer im Schnitt. Fünf Jahre später verließ ich Koblenz in der 2. Liga, mit einem Etat von 8,5 Millionen Euro und 750.000 Euro im Plus. Ich bekam die Chance - und ich ergriff sie.

SPOX: Wesentlich kürzer und weniger harmonisch verlief der Job in Kaiserslautern.

Sasic: Die Trennung folgte in einer Art und Weise, die ich keinem wünsche. Wir bauten gemeinsam etwas auf: Wir haben in der 2. Liga etwas Einmaliges geschafft und die Klasse gerettet, obwohl wir zwischenzeitlich großen Rückstand hatten. In der Saison darauf spielten wir mit einer komplett neu zusammengestellten Mannschaft um den Aufstieg mit. Der Rauswurf war enttäuschend. Ich habe gelernt, wie gnadenlos das Geschäft sein kann.

SPOX: In Duisburg hingegen haben Sie mit einer ungewöhnlichen Pressekonferenz alte Vorurteile widerlegt, als Sie sich in aller Öffentlichkeit bei Mitarbeitern und Medienvertretern für mögliches Fehlverhalten entschuldigten und Besserung gelobten. Warum taten Sie das?

Sasic: Es mag viele überraschen, aber mir fällt es überhaupt nicht schwer, mich zu entschuldigen, wenn ich gegen meine Absichten tatsächlich jemanden beleidigt haben sollte. Mir ging es darum zu verdeutlichen, dass ich geradlinig bin und mit meiner Art Einsatzwillen und Leidenschaft vorlebe, gleichzeitig aber nicht bewusst andere niedermachen möchte. Damals kam aber durch gezielte Indiskretionen der Eindruck auf, als ob ich wirklich jeden beleidigen würde. Die Storys wurden jedoch von den Leuten gestreut, die mit mir nichts anfangen konnten und irgendwelche Gründe suchten, um mich loszuwerden, obwohl die Ergebnisse stimmten. Diese Leute sind aber Gott sei Dank alle weg.

SPOX: Herzzerreißend war es, als im November 2010 nach dem Tod Ihrer Mutter die Duisburger Spieler nach einem Torerfolg zu Ihnen sprinteten und Sie umarmten, um Trost zu spenden. Sie waren in Tränen aufgelöst.

Sasic: Es war der schwierigste Moment meines Lebens. Ich wusste, dass meine Mama irgendwann gehen wird. Ich wusste, dass es schwer wird. Aber so schwer? Deswegen haben mich die Emotionen so übermannt. Meine Eltern sind nach Kroatien zurückgezogen und ich habe meine Mutter einmal im Jahr zum Geburtstag besucht. Zu wissen, dass diese Besuche ausfallen, war ein unerträglicher Gedanke. Das einzig Positive war im Nachhinein, dass jeder gesehen hat, dass Milan Sasic vielleicht doch nicht so ist, wie alle denken.

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