Für Papa durch die Hölle

Von Stefan Rommel
Tor-Premiere: Mainz' Peter van der Heyden (.) hat Raul Bobadillas Wucht nichts entgegenzusetzen
© Getty

Die Boca Juniors waren sein Traum - jetzt spielt Raul Bobadilla nach Umwegen über die Niederungen der Schweiz für Borussia Mönchengladbach. Dort war sein Start schon sehr gelungen. Gegen Duisburg soll Bobadilla die Fohlen ins DFB-Pokal-Achtelfinale schießen (18.45 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY). Zum perfekten Glück fehlt aber noch seine Familie.

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Da war Diego Armando Maradona, da war das blau-gelbe Trikot. Der kleine Raul hat davon geträumt, so wie Kinder überall auf der Welt von ihrem Helden träumen und von ihrem Klub. Hunderte Male, vielleicht noch öfter.

Auch heute hat Raul Bobadilla noch diesen Traum, auch wenn der mittlerweile weiter entfernt ist als je zuvor. Als Knirps war er nah dran an den Bocas, war Teil der großen Familie, in den Jugendteams des Klubs eines von vielen Talenten.

Rauswurf bei Boca Juniors

Auf den staubigen Trainingsplätzen im Schatten der Bombonera jagte er seinem Ziel nach und war auf einem guten Weg. Dann kam die Pubertät und mit ihr die Probleme. Bobadilla wollte und wollte nicht wachsen, sein Körper war dürr wie eine Spaghetti. Als Stürmer war er damit unbrauchbar, also wollten seine Trainer ihn umschulen. Zum Verteidiger.

Aber Bobadilla hatte keine Lust, nur Tore zu verhindern. Er wollte sie erzielen. Es kam zuerst zum Krach und später zur Trennung. Nach dreieinhalb Jahren warf ihn Boca einfach raus. "Das war eine harte Zeit", sagt Bobadilla im Rückblick. "Die schlimmste meines Lebens bis dahin."

Wechsel zu River Plate

Der Weg führte ihn zu Defensores de Belgrano in die zweithöchste Liga - und ein paar Monate später zu River Plate. River Plate. Der Klub der reichen Oberschicht in Buenos Aires und Hass-Objekt aller Boca-Fans.

Zweieinhalb Stunden fuhr er jeden Tag quer durch die Stadt zum Training, fast immer begleitet von seiner Mutter Elvira. Bobadilla nahm die Entbehrungen auf sich, er wollte Profi werden um jeden Preis. Beim neuen Klub kam das Selbstvertrauen wieder - und die Muskeln. "Irgendwann sind die ganz von allein gekommen", sagt er.

Investor scoutet Bobadilla

An Pfingsten 2006 reiste River Plate zu einem Jugendturnier nach Europa. Vor den Toren Mailands ist auch Erich Vogel unter den unzähligen Spähern. Vogel ist im Auftrag einer Investorengruppe unterwegs, die Geld in junge, hoffnungsvolle Talente steckt, um später an den Transfers mitzuverdienen.

Einer der Inhaber der Gruppe ist Heinz Spross. Und der sitzt beim Grashopper Club Zürich im Verwaltungsrat. Alles geht ganz schnell. Bobadilla schlägt ein Angebot aus Peru aus und wechselt für eine später ausbezahlte Ablösesumme von 500.000 Schweizer Franken stattdessen nach Europa. In die Schweizer Zweitklassigkeit, Challenge League, Concordia Basel.

Die Ablösesumme und das Gehalt übernahmen die Investoren, Concordia hatte keine Kosten zu tragen. Aber sie hatten schnell ihren Nutzen. Unter dem ehemaligen Bundesliga-Profi Murat Yakin schnell zu einem der besten Torjäger der Liga. Angeblich soll Yakin bereits nach dem ersten Training begeistert gewesen sein: "Den kann man später für vier Millionen Franken verkaufen."

Gleich zum besten Stürmer gewählt

Erich Vogel wurde ein Jahr später Sportchef bei den Grasshoppers und nahm seine Entdeckung selbstredend mit. Im ersten Jahr erzielte Bobadilla beim GC stolze 18 Treffer und wurde am Ende der Saison von seinen Profi-Kollegen zum "Swiss Golden Player" in der Kategorie Stürmer gewählt.

Schnell war klar, dass der Verein den mittlerweile bulligen Argentinier nicht lang würde behalten können, erste Wechselgerüchte machten die Runde. Das Problem: Bobadilla gehörte zu 50 Prozent dem Investorenpool, lediglich die andere Hälfte der Rechte lag bei den Zürichern.

Um dann wenigstens das Hindernis der Nicht-EU-Regelung zu umgehen und Bobadilla als Verkaufsobjekt interessanter zu machen, versuchten die Grashoppers noch, einen europäischen Pass für Bobadilla aufzutreiben und betrieben fieberhaft Ahnenforschung.

Angeblich ließ sich in Spanien sogar eine entfernte Generation finden. Doch da war Borussia Mönchengladbach schneller und schlug im Sommer für fünf Millionen Euro zu.

Die Familie fehlt

Jetzt also Mönchengladbach. 11.300 Kilometer vom großen Traum und vor allem von der Familie entfernt. Sie ist der Ankerpunkt in Bobadillas Leben, neben dem Fußball sein Lebenselixier. Eine Wohnung draußen vor der Stadt hat er schon, gar nicht so weit entfernt vom Borussia Park.

Dort ist Platz genug, aber selten ist auch Zeit genug. Beim zweiten Heimspiel rückte die Familie fast geschlossen an. Zehn Verwandte, fast alle waren da. "Bis auf meine beiden Schwestern. Das geht nicht so einfach, weil sie kleine Kinder haben", sagt Bobadilla.

"Trotzdem war es großartig. Ich brauche meine Familie auf jeden Fall hier in der Nähe und um mich herum. Das ist zwar nicht so einfach, aber mein großes Ziel ist es dahingehend auch, dass vor allen Dingen meine Eltern hier nach Mönchengladbach kommen."

Ein Tor als Sinnbild

Als kleinen Anreiz erzielte Gladbachs neue Nummer 10 ("Die Nummer 10 trage ich für meine Mama, bei uns ist die Zehn durch Maradona heilig") gleich ein Tor, gegen Mainz 05 war es das vorentscheidende zum 1:0. "Diesen Treffer widme ich meinem Papa Victor und meiner Mama Elvira", sagte er nach dem Spiel. "Ich will in dieser Saison für jeden in der Familie treffen!"

Der Treffer gegen Mainz war ein Sinnbild für sein Spiel. Wuchtig und bestimmt, aber auch technisch ansehnlich. Bei 1,80 Metern bringt er satte 82 Kilo auf die Waage. Eine echte Wuchtbrumme, der sich im Zweikampf wie ein Bulldozer in den Verteidiger schmeißt.

"Der hat Muskeln wie Beton, kein Gramm Fett. Den kann man kaum aufhalten", sagt Team- und Sturmkollege Oliver Neuville fast schon ein bisschen neidisch. Bobadilla sieht in der Tat aus wie ein Halbschwergewichtler. "Ich muss aber nicht viel für meinen Körper tun, bin nicht jeden Tag im Fitness-Studio. Das Training mit der Mannschaft scheint zu reichen", sagt er.

Mama und Papa sind doch immer dabei

Dafür tut er umso mehr dafür, dass er seine Lieben doch die ganze Zeit um sich hat. Auf seiner Brust prangen die Konterfeis seiner Mutter Elvira und seit neuestem auf das seines Vaters Victor. Er hat es sich erst jetzt in Deutschland stechen lassen.

"Es hat 100 Euro gekostet und sechs Stunden gedauert, bis alles fertig war. Das hat höllisch weh getan. Aber für meine Eltern mache ich alles."

Auf dem Oberschenkel hat er die Jungfrau Maria immer mit dabei und auf seinem rechten Unterarm den Namen seiner verstorbenen Nichte Melanie.

Bald sollen ihn auch seine Schwestern besuchen kommen. Am besten dann, wenn seine Eltern nach Deutschland umziehen.

"Da freue ich mich schon drauf", sagt Bobadilla mit funkelnden Augen. "Dann kocht Mama meine Leibspeise, ein Bohnengericht aus Argentinien. Das gibt mir Kraft."