Vielen Dank für die Pfiffe

Von Für SPOX in Nürnberg: Andreas Lehner / Stefan Rommel
Das DFB-Team bedankte sich nach dem Spiel für 10 Jahre Fanclub Nationalmannschaft
© getty

Das Nürnberger Publikum sorgt mit Pfiffen gegen Torhüter Manuel Neuer für Ärger beim DFB. Das Spiel gegen den drittklassigen Gegner Kasachstan war erneut schnell entschieden. Festzuhalten bleibt: Die Spieler von Borussia Dortmund sind endgültig angekommen im System Löw.

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Es war schon etwas seltsam, was sich in der zweiten Hälfte des Länderspiels der deutschen Nationalmannschaft gegen Kasachstan in Nürnberg abspielte. Die eigene Mannschaft lag komfortabel in Front, gegen einen Gegner, der in der ersten Halbzeit nur einmal konkret die Mittellinie überquert hatte. Trotzdem wurde der Torhüter Manuel Neuer ausgepfiffen und, was vielleicht noch schlimmer ist, mit höhnischem Beifall bedacht.

Der Applaus der Zuschauer brandete immer dann auf, wenn Neuer entweder einen Ball gefangen oder unfallfrei zum Mitspieler gepasst hatte. Zwei Dinge, die im Zusammenhang mit der deutschen Nummer eins normalerweise nicht erwähnenswert wären. Neuer hatte aber erst vor einigen Minuten einen Fehler gemacht. Einen Fehler, der in unmittelbarer Konsequenz zum 1:3 durch Heinrich Schmidtgal geführt hatte.

Bedenkliche Entwicklung

Der Stadionsprecher deutete dieses Tor in der Fußballersprache noch als "Anschlusstreffer", was er de facto eigentlich nicht war. Denn die kasachische Auswahl konnte in keinem der beiden Qualifikationsspiele auch nur annähernd Anschluss an die deutsche herstellen. Bei konsequenterer Spielweise und Chancenverwertung wäre das Spiel schon zur Halbzeit einem Debakel für die Gäste gleichgekommen.

Zur Verteidigung des Nürnberger Publikums muss angeführt werden, dass nur ein Teil der Zuschauer Neuer nach seinem Patzer despektierlich behandelte. Dass sich bei einigen aber überhaupt die Idee durchsetzte, den deutschen Torwart im heimischem Stadion auszupfeifen, ist bedenklich. Bundestrainer Joachim Löw fand das Verhalten des Publikums "unsportlich", Kapitän Philipp Lahm stufte es als "Fehl am Platz ein" und Manuel Neuer wusste erst gar nicht, was er dazu sagen sollte.

Es passte auch nicht ins Bild, weil der Fanclub Nationalmannschaft an diesem Abend per Spruchband ("Von Aserbaidschan bis Zypern") im Stadion sein zehnjähriges Jubiläum feierte und die Mannschaft trotz des Vorfalls in den 90 Minuten mit einem noch größeren Spruchband Danke sagte.

Neuer reagiert souverän

Den Fehler gestand Neuer unumwunden ein, das Gegentor nahm er auf seine Kappe. Er zeigte in einem sicherlich nicht einfachen Moment Größe, Souveränität und Stärke. Neuer reagierte weder auf dem Platz noch hinterher in den Interviews verunsichert.

Seine Mannschaft dagegen schon. Wieder entließ das DFB-Team Kasachstan aus dem Klammergriff und ließ die Konzentration im Abschluss sowie der Defensive schleifen.

Vor dieser negativen Episode, die den Bundestrainer sichtlich erzürnte und auch in anderen Ebenen des DFB nicht gut angekommen sein dürfte, hatte sich das zu erwartende Spiel entwickelt.

Die deutsche Nationalmannschaft dominierte den Gegner nach Belieben, kombinierte sich zu einer Reihe von guten Möglichkeiten, offenbarte aber Ungenauigkeiten beim letzten Pass. So konnten die Kasachen 20 Minuten einen Rückstand vermeiden und hatten sogar selbst eine Halbchance zur Führung.

BVB-Spieler im System Löw angekommen

Innerhalb von acht Minuten brach die deutsche Wucht schließlich über sie herein. Marco Reus, Mario Götze und Ilkay Gündogan sorgten Mitte der ersten Hälfte für klare Verhältnisse. Es waren Tore, die den Klassenunterschied zwischen den beiden Teams in allen Bereichen belegten.

Aus deutscher Sicht interessant war neben der Niederschrift auf dem Spielberichtsbogen auch die Herkunft der Torschützen. Drei Spieler von Borussia Dortmund wurden notiert. Der BVB ist endgültig angekommen im System Löw, auch wenn es hier und da noch Unterschiede in der Herangehensweise zum System Jürgen Klopp gibt.

Es ist aber festzuhalten, dass Reus auf Linksaußen aktuell die Nummer eins ist und Götze zumindest in Abwesenheit des gesetzten Stürmers Miroslav Klose als Alternative im Angriffszentrum mindestens auf Augenhöhe mit Mario Gomez konkurriert.

Dahinter hat Ilkay Gündogan erneut seine mittelfristigen Ansprüche auf der Position des offensiven Sechsers unterstrichen. Mit Marcel Schmelzer, der links hinten praktisch konkurrenzlos ist, und Mats Hummels gehören zwei weitere Dortmunder zur eigentlichen Stammelf.

BVB? "Haben alle dasselbe Trikot angehabt"

Trotz der Ausfälle von Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos, Holger Badstuber und Gomez stellten die Bayern am Dienstagabend noch immer die größte Fraktion in der Anfangself. Die klare Dominanz des Bayern-Stils, die noch vor und während der EM herrschte, ist aber dahin.

Das liegt natürlich auch an der etwas angepassten Spielform des FC Bayern in dieser Saison, die sich immer weiter vom van Gaal'schen Ballbesitzdogma hin zum aggressiven Umschaltspiel entwickelt, das die Dortmunder - ohne die Chinesen-Debatte hier mit neuem Leben befeuern - vorgemacht haben.

Die Spieler beider deutschen Top-Vereine beäugen sich gegenseitig nicht mehr mit so viel Skepsis, sondern haben sich im DFB-Dress aufeinander eingelassen. "Dass alle Torschützen beim BVB unter Vertrag stehen, ist mir gar nicht aufgefallen", sagte Lahm, "weil wir alle dasselbe Trikot angehabt haben."

Der Einzige, der ein anderes Trikot trug, war Torhüter Neuer. Dass er trotzdem ein Teil der Mannschaft ist, die auf bestem Weg ist, sich für die WM 2014 in Brasilien zu qualifizieren, schienen in Nürnberg trotzdem einige vergessen zu haben.

Deutschland - Kasachstan: Daten & Fakten zum Spiel