"Ein Dankeschön ist eigentlich zu wenig"

Lukas Podolski verabschiedet sich von den deutschen Fans
© getty

Lukas Podolski beendet nach 130. Länderspielen und 49 Toren seine Karriere in der Nationalmannschaft - mit einem schönen Distanzschusstreffer beim 1:0-Sieg gegen England in Dortmund. Nach dem Spiel kam Podolski mit weitem Abstand als Letzter aus der Kabine. Der versammelten Presse stand er ausführlich Rede und Antwort. Das Interview zum Abschied.

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Frage: Herr Podolski, in Ihrem letzten Länderspiel für Deutschland schießen Sie ein wunderschönes Tor zum 1:0-Sieg gegen England. Ein perfekter Abend?

Lukas Podolski: Auf jeden Fall. Wie im Film.

Frage: Wie geht es Ihnen jetzt emotional?

Podolski: Ganz gut.

Frage: Was sagen Sie zu Ihrem Treffer?

Podolski: Ich kenne ja meinen linken Fuß. Ich weiß nicht, wer mir den gegeben hat. Der liebe Gott vielleicht oder noch ein paar andere. Da gehört natürlich auch Glück dazu. Ich wusste, wenn ich den Ball auf meinen Linken bekomme, dann kann so einer auch reinfahren. Dass es so geklappt hat, ist sensationell. Das sind Momente, die man nicht beschreiben kann. Man muss das selbst erleben. Ich hatte gleich nach dem Schuss ein gutes Gefühl. Ich hoffe, dass die ARD das Ding zur Auswahl des Tor des Monats stellt. Ich sammle deren Medaillen nämlich. (lacht)

Frage: War es das schönste Ihrer 49. Länderspieltore?

Podolski: Es gehört auf jeden Fall in die ganz enge Auswahl.

Frage: Wie wichtig war es Ihnen vor dem Spiel, beim letzten Mal auch auf der Torschützenliste zu stehen?

Podolski: Ich habe mir keinen Druck gemacht. Ich habe nicht darauf geachtet, ob ich nach links oder rechts sprinten muss oder unbedingt zehn Kilometer laufe, damit nicht wieder einige schreiben, der Poldi sei nicht gelaufen. Ich wollte den Abend und das Spiel genießen. Der Jogi hat im Hotel noch eine schöne, emotionale Brandrede gehalten. Ich habe auf die Auswechslung gewartet, um mich von den Fans zu verabschieden. Dass es mit dem Sieg und dem Tor so klappt, ist wunderbar.

Frage: Was war der beste Moment heute?

Podolski: Die Verabschiedung von den Fans. Wenn das ganze Stadion nach dem Spiel "Kölsche Jung" singt, ist das fast die höchste Emotionsstufe. Von den Fans habe ich seit meinem ersten Spiel für den 1. FC Köln und bis heute Unterstützung gespürt. Ich spüre ihre Begeisterung. Ein Dankeschön ist eigentlich zu wenig dafür. Die Fans haben mir immer sehr viel bedeutet und ich werde sie vermissen. Ich werde sehr viele Erinnerungen mitnehmen, aber ich bin ja auch nicht weg vom Fenster.

Frage: Sie waren seit Beginn an immer Publikumsliebung. Was glauben Sie, weshalb war das so?

Podolski: Das müssen die Fans gefragt werden. Ich denke, dass ich immer ehrlich war und selbst Fan bin. Ich bin in der Kölner Südkurve groß geworden. Das mag sicherlich mit ein Grund dafür sein.

Frage: Wie sehr haben Sie die Tränen unterdrücken müssen?

Podolski: Man muss ja nicht weinen, um Emotionen zu zeigen. Ich schmiere mir auch nichts ins Auge, damit die Leute sagen: Guck mal, er ist am Heulen. Ich fühle das im Herzen, im Bauch. Da ist heute sehr, sehr viel bei mir passiert.

Frage: Was wird Ihnen an der Nationalelf am meisten fehlen?

Podolski: Alles. Die Nationalmannschaft war für mich vom ersten Tag an eine Wohlfühloase. Es hat immer alles gepasst - die Fans, die Mannschaft, die Trainer, das Team hinter dem Team. Dies wird mir alles fehlen und das werde ich merken, wenn es wirklich nicht mehr da ist. Ich war ja aber lange dabei und werde es verschmerzen können.

Frage: Deutschland hat mit einigen jungen Spielern gespielt, denen die Zukunft gehört. Was geben Sie denen mit auf den Weg?

Podolski: Wir haben genügend Jungs mit dabei, die einen ähnlich erfolgreichen Weg gehen können. Sie sind vielleicht vom Charakter etwas anders als wir früher. Wir haben auf jeden Fall viel Potential in Deutschland für die Nationalmannschaft. Das haben andere Nationen nicht und darauf können wir stolz sein.

Einer der DFB-Medienmitarbeiter greift verbal ein und will die Gesprächsrunde unterbrechen.

Podolski: (unterbricht) Das passt schon. Nur weil der weg muss, macht er Druck hier.

Frage: Wie blicken Sie heute auf den Tag zurück, an dem Sie entschieden, aus der Nationalelf zurück zu treten?

Podolski: Irgendwann muss man auch loslassen. Ich habe die Entscheidung nach der EM gefällt und es war eine klare, unumstößliche Entscheidung. Heute war der Moment gekommen, so ist das jetzt einfach. Ich werde mich künftig noch mehr auf den Fußball im Verein und vor allem meine Familie konzentrieren. Die Jungs vom DFB sind auch nicht weg, wir laufen uns ja ständig über den Weg.

Frage: Was hat Ihnen Joachim Löw bei Ihrer Auswechslung gesagt?

Podolski: Weiß ich nicht mehr. Das sind intime Worte. Genau wie die Nacht vorm Spiel, intime Momente. (lacht) Das muss nicht nach draußen dringen.

Frage: Bekommt das letzte DFB-Trikot, in dem Sie jetzt hier stehen, einen besonderen Platz bei Ihnen?

Podolski: Ich lasse mir die Trikots meiner besonderen Momente wie dem ersten Spiel oder dem ersten Tor immer einrahmen. Das wird zusammen mit den Schuhen und der Kapitänsbinde auch jetzt wieder passieren.

Frage: Nach der Partie wurden im Stadion einige kölsche Lieder gespielt. Wie viel Köln war für Sie an diesem Abend dabei?

Podolski: Jeder kennt meinen Bezug zu Köln. Da ist nichts gespielt oder übermäßig dramatisiert. Köln ist meine Heimat und Liebe, die ich mit allem, was ich habe, vertrete. Diese Stadt hat mir in meinem ganzen Leben so viel gegeben. Der größte Teil war wohl heute auch hier. (lacht)

Frage: Sie wechseln zur neuen Saison zu Kobe nach in Japan. Das ist ganz schön weit weg von Köln.

Podolski: Es ist unabhängig davon, auf welchem Planeten ich bin - Köln ist immer dabei. Die Entfernung ist mittlerweile etwas größer. Da kann ich schlecht an zwei freien Tagen mal schnell nach Köln fliegen. Aber es gibt immer Möglichkeiten.

Eine japanische Kollegin ergreift das Wort und begrüßt Podolski mit einem "Hallo, Herr Podolski."

Podolski: Hallo, sayonara.

Die japanische Journalistin: Nein, sayonara heißt 'auf Wiedersehen'.

Podolski: Haha, schon falsch, verdammt. (lacht)

Die japanische Journalistin: Wie sehr sind Sie auf Ihr Engagement in Japan gespannt?

Podolski: Sehr auf jeden Fall. Ich habe mich damit noch nicht eindringlich beschäftigt, aber das wird noch passieren. Ich selbst kenne einige Japaner, meine Frau hat auch japanische Freunde. Ich werde mich noch informieren, war aber auch schon drei Mal dort und freue mich sehr darauf. Sonst hätte ich das nicht gemacht.

Frage: Sie haben mehrere Jahre in England für den FC Arsenal gespielt. Wie schätzen Sie die englische Nationalmannschaft grundsätzlich ein?

Podolski: Sie haben sich gut entwickelt, spielen einen besseren Fußball und haben einen guten Trainer. Es ist nicht mehr dieser hölzerne Hauruck-Fußball mit vielen langen Bällen. Sie haben viele junge Talente und heute auch einige verletzte Spieler nicht zur Verfügung gehabt. Bei den Turnieren scheinen sie immer etwas nervös zu sein, vielleicht ist der Druck zu groß.

Frage: Wie sehen Sie die schwierige Situation bei den Gunners und um Ihren Ex-Coach Arsene Wenger?

Podolski: Es wird schwer für sie, sich für die Champions League zu qualifizieren. So ist es eben in der Premier League, dort gibt es fünf, sechs, sieben fast gleichwertige Mannschaften. Ich weiß nicht, was mit Arsene Wenger in Zukunft passieren wird. Es gibt viele Gerüchte, wir werden sehen. Man darf nicht vergessen, dass Arsene den Klub richtig groß gemacht hat, fast aus dem Nichts. Er hat dem Klub sehr viel gegeben. Es wäre interessant zu sehen, was passiert, sollte er einmal nicht mehr dort sein. Denn der Verein ist ein Arsene-Wenger-Klub. Ich bin aber nicht involviert und weiß nicht, was genau los ist, aber ich verfolge Arsenal noch genau.

Frage: Wie viele Nachrichten haben Sie im Laufe des Tages bekommen?

Podolski: Schaut euch das an. (scrollt ein paar Sekunden auf seinem Handy durch nicht enden wollende, ungelesene Nachrichten)

Frage: Der gesamte Stab des DFB-Teams hat sich bereits wieder Richtung Mannschaftshotel begeben, Sie stehen noch als Einziger hier. Wie lassen Sie den Abend ausklingen?

Podolski: Viel wird nicht mehr passieren. Ich gehe gleich zu meiner Familie und schaue, was da noch los ist. Und anschließend geht es nach Hause nach Kölle.

Podolski verabschiedet sich von den Pressevertretern, doch ein englischer Journalist grätscht noch einmal dazwischen.

Frage: Was haben Ihre Teamkollegen nach Ihrem heutigen Treffer zu Ihnen gesagt?

Podolski: They said it was a fucking brillant shot. (lacht und geht)

Deutschland - England: Daten zum Spiel

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