DFB-Team - Warnschuss für Jogi Löw: Ein Umbruch geht nicht mit Angsthasenfußball

Deutschland, Niederlande, DFB-Team, EM-Qualifikation
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Das DFB-Team reist nach der empfindlichen 2:4-Heimpleite gegen die Niederlande plötzlich unter Druck zum fünften EM-Qualifikationsspiel nach Nordirland. Mehr als die Tabellensituation beunruhigt jedoch die Art und Weise des Fußballs, den die Mannschaft von Joachim Löw am Freitagabend spielte.

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Im Grunde genommen war der Abend schon zum Scheitern verurteilt, bevor der Ball überhaupt rollte. "Volley" stand da tatsächlich in Großbuchstaben auf der Nordtribüne im Hamburger Volksparkstadion. Niemand der über 52.000 schaulustigen Anwesenden wusste so recht, welche Botschaft hinter dieser eigentümlichen Choreographie made by "CocaCola Fanclub der deutschen Nationalmannschaft" steckte.

Ursprünglich, das erzählte man sich dann im Laufe des Spiels zwischen Deutschland und der Niederlande auf der Tribüne, hätte "Vollgas" dort stehen sollen. Aus historischen Gründen, gerade in Verbindung mit der deutschen Nationalflagge, bereitete dieser Slogan den Organisatoren aber offensichtlich kurz vor der Partie Bauchschmerzen.

Eine kuriose Entscheidung war das, wie sich innerhalb der 90 Minuten herausstellte aber genau die richtige. Mit "Vollgas" hatte das, was die Mannschaft von Joachim Löw da nämlich zeigte, herzlich wenig zu tun. Vielmehr mit einer Passivität, die an dunkle Tage im vergangenen Jahr erinnerte.

Niklas Süle sprach von einem "ganz schlechten Spiel", das nicht den Ansprüchen eines viermaligen Weltmeisters entspreche. Der Gegner, der zwar frech, aber keineswegs übermächtig daherkam, durfte auf fremdem Terrain schalten und walten wie eine Heimmannschaft. Nach Umbruch sah das nicht aus. "Ich war ehrlich gesagt überrascht von Deutschlands Spielweise", sagte Oranje-Kapitän Virgil van Dijk nach dem 2:4. "Wir hatten schon in der ersten Halbzeit alles unter Kontrolle, sie kamen kaum vor unser Tor."

Deutschland kassierte erstmals in einem Heimspiel gegen Holland 4 Gegentore - zuletzt war das beim 4:4 in Amsterdam 1914 passiert.
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Deutschland kassierte erstmals in einem Heimspiel gegen Holland 4 Gegentore - zuletzt war das beim 4:4 in Amsterdam 1914 passiert.

Kimmich kritisiert DFB-Team: "Hatten keinen Zugriff"

Die neue Löw'sche Philosophie, aus einer defensiven Grundordnung heraus blitzschnell umzuschalten, entpuppte sich mit Ausnahme der ersten 20 Minuten als wirkungsloser Angsthasenfußball. Sie beendete das Spiel mit nur 43 Prozent Ballbesitz und fünf Torschüssen.

"Wir hatten überhaupt keinen Zugriff", brachte es Joshua Kimmich im Gespräch mit SPOX und Goal auf den Punkt. "In der ersten Halbzeit haben wir es eigentlich ordentlich gemacht, die Holländer sind kaum durchgekommen. Aber wenn du über so weite Strecken so wenig Ballbesitz hast und immer nur hinterherläufst, passieren individuelle Fehler wie in der zweiten Halbzeit." Allen voran Jonathan Tah durfte sich dabei angesprochen fühlen. Der Innenverteidiger von Bayer Leverkusen (Note 5) sah bei der Rückkehr in seine Heimatstadt sehr schlecht aus, patzte bei zwei Gegentoren und traf sogar einmal ins eigene Netz.

"Da kann man dem Jonathan keinen Vorwurf machen", nahm Löw den Vertreter des noch nicht vollständig genesenen Antonio Rüdiger in Schutz. Es wäre auch falsch, das Versagen in der zweiten Halbzeit mit vier Gegentoren nur auf einen Spieler zu reduzieren. Neben Matthias Ginter sowie den Außenverteidigern Lukas Klostermann und Nico Schulz hinterließ sogar der designierte Abwehrchef Süle gegen die schnellen Angreifer der Gäste um den alles überragenden Memphis Depay (Note 1,5) Auflösungserscheinungen.

Das niederländische Pressing bereitete dem deutschen Defensivverbund große Probleme, mit zehn Bällen eroberte das Team von Ronald Koeman im letzten Drittel sage und schreibe neun mehr als der Gegner. Ein Beleg dafür, dass auch Löws Offensivabteilung mit Ausnahme von 1:0-Torschütze Serge Gnabry wenig zustande brachte.

DFB-Team braucht Reaktion gegen Nordirland

"Wir haben im gesamten Spiel unter unserem technischen Niveau gespielt, wir haben viele Bälle verloren, viele Kombinationen haben nicht so funktioniert. Es gab Ballverluste vorne", erkannte Löw. In Abwesenheit des verletzten Leroy Sane stürmte Timo Werner, wurde infolge einer blassen Vorstellung aber ebenso wie Marco Reus nach einer guten Stunde ausgewechselt.

"Wir standen sehr tief. Als Stürmer wünscht man sich natürlich, etwas höher zu stehen, weil dann der Weg zum gegnerischen Tor nicht so weit ist", haderte Reus auf Nachfrage von SPOX und Goal mit der zurückhaltenden Spielweise, verwies zugleich aber auf die Qualität des Gegners: "Die Holländer haben unsere Fehler eiskalt ausgenutzt." Und sie gehen jetzt gestärkt aus diesem Spiel hervor. Dank des vierten Treffers durch den Liverpooler Champions-League-Sieger Georginio Wijnaldum hat die Koeman-Elf auch den direkten Vergleich mit den Deutschen für sich entschieden.

Heißt auch: Ein weiterer Patzer von Löws Truppe im fünften Qualifikationsspiel gegen die bislang ungeschlagenen Nordiren (vier Siege aus vier Spielen) und die Panik geht wieder um. 15 Monate nach der Schmach von Russland. "Wir werden am Montag eine Reaktion zeigen, da bin ich mir sicher", sagt Löw.

DFB-Team: Die kommenden Länderspiele im Überblick

DatumGegnerUhrzeitWettbewerbOrt
9. SeptemberNordirland20.45 UhrEM-QualifikationBelfast
9. OktoberArgentinien20.45 UhrFreundschaftsspielDortmund
16. NovemberWeißrussland20.45 UhrEM-QualifikationMönchengladbach
19. NovemberNordirland20.45 UhrEM-QualifikationFrankfurt am Main
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