Robin Gosens' schwierige Situation bei Inter und die Rückkehr zum DFB-Team: Kein Schimmer in Mailand

flick-1-1200
© getty

Bei Inter Mailand ist Robin Gosens zwar weiterhin hauptsächlich Ersatz, aber trotzdem nominierte ihn Bundestrainer Hansi Flick erstmals seit über einem Jahr wieder für die Nationalmannschaft. Zur schwierigen Situation des 28-jährigen Linksverteidigers.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

"No", rief die italienische Pressesprecherin von Inter Mailand. "No, no interview!" Robin Gosens hatte sich nach der 0:2-Niederlage mit Inter Mailand vor drei Wochen in der Champions League gegen den FC Bayern München gerade zu den mitgereisten Münchner Journalisten gestellt, um Einschätzungen zum Spiel und seiner schwierigen Situation abzugeben. Nach Ansicht seines Arbeitgebers sollte er das aber offenbar unter keinen Umständen tun.

Mehrmals fragte Gosens bei der Pressesprecherin auf italienisch nach, doch es blieb dabei: No interview! Schulterzuckend fügte er sich seinem Schicksal, schlich in die Mailänder Nacht und säuselte auf deutsch: "Ich habe keinen Schimmer." Eine kleine Episode, die durchaus symbolisch steht für Gosens bisher äußerst durchwachsenes Inter-Engagement. Klub und Spieler scheinen keine funktionierende Beziehung zu führen.

Nach mehreren erfolgreichen Jahren bei Atalanta Bergamo wechselte Gosens vergangenen Winter ins nahe Mailand. Die eineinhalbjährige Leihe wird im kommenden Sommer mit einem festen Transfer für kolportierte 25 Millionen Euro enden. Und zwar, weil eine durchaus kuriose Klausel griff. Der Auslöser: Inter erzielte in der aktuellen Saison ein Pflichtspieltor. Mit dieser Maßnahme sollte der Zeitpunkt der Ablöse-Auszahlung gesteuert werden, gerade Atalanta ist für solch kreative Transfer-Strategien bekannt.

Robin Gosens ist bei Inter Mailand meist nur Ersatz

Gosens Anstellung in Mailand lief von Beginn an holprig: Die ersten Wochen musste er bei seinem neuen Klub wegen einer Oberschenkelverletzung passen, anschließend setzte ihn Trainer Simone Inzaghi nur äußerst sporadisch ein. Insgesamt kam Gosens in der Rückrunde lediglich auf 161 Pflichtspielminuten. Titelverteidiger Inter verlor den Scudetto unterdessen an den Stadtrivalen AC Milan.

Im Sommer dachte Gosens über einen Wechsel zu Bayer 04 Leverkusen nach. Die Hoffnung dahinter: Mehr Spielpraxis und somit bessere Chancen auf eine Nominierung für den WM-Kader. Aufgrund der enttäuschenden Rückrunde mit Inter verzichtete Bundestrainer Hansi Flick bei den Länderspielen im ersten Halbjahr auf Berufungen von Gosens, der bei der EM 2021 zum nationalen Helden avanciert war.

Sein authentisches Auftreten, seine ungewöhnliche Vita mit einem Tankstellen-Job und ohne Akademie-Vergangenheit, dann die drei Scorerpunkte beim Sieg in der Gruppenphase gegen Portugal: Auf einmal stand Gosens im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. "Schwer zu verarbeiten" sei das für ihn gewesen, wie er nun im Interview mit Sport1 zugab: "Rückblickend war es sicher nicht richtig, dass ich bei der EM so krass in den Himmel gelobt wurde - aber mich ein paar Monate später wieder abzuschreiben, war ebenso wenig richtig. Die Ausschläge nach oben und nach unten sind zu extrem."

Statt nach Leverkusen - nicht allzu weit entfernt von seiner Heimatstadt Emmerich - zu wechseln, blieb Gosens trotz schlechterer Aussicht auf Spielpraxis letztlich doch bei Inter. "Ich fühle mich bei Inter aktuell sehr wohl und bin sicher nicht gegen meinen Willen dort", betonte er. Stark angestiegen ist seine Spielzeit in dieser Saison aber nicht. Auf der linken Außenbahn bekommt meist Matteo Darmian den Vorzug. Von neun Pflichtspielen begann Gosens nur drei, insgesamt kommt er auf 302 Pflichtspielminuten. Zuletzt wurde er in der Serie A von Partie zu Partie stets noch ein bisschen später eingewechselt. In der Tabelle liegt Inter nach einem durchwachsenen Saisonstart nur auf Platz sieben.

Robin Gosens stand bei Inter Mailand in dieser Saison nur bei drei von neun Pflichtspielen in der Startelf.
© imago images
Robin Gosens stand bei Inter Mailand in dieser Saison nur bei drei von neun Pflichtspielen in der Startelf.

Robin Gosens Rückkehr in die Nationalmannschaft

Trotzdem berief ihn Flick nach über einem Jahr Abwesenheit in den Kader für die beiden abschließenden Nations-League-Spiele. "Ich habe ein Jahr Leidenszeit hinter mir und freue mich natürlich total, wieder dabei zu sein", betonte Gosens. "Das WM-Ticket sicher habe ich aber ganz bestimmt noch nicht. Ich bin noch dabei, mich zurückzukämpfen."

Bei der 0:1-Niederlage gegen Ungarn kam er nicht zum Einsatz. Stattdessen begann links hinten zum vierten Mal in Folge David Raum, der sich in Gosens' Abwesenheit als Stammspieler etabliert hat. "Raum hat es in der Zeit super gemacht, auch Christian Günter", gab Gosens zu. Im aktuellen Aufgebot fehlt Günter aber - und Raum enttäuschte wie die ganze Mannschaft gegen Ungarn.

Womöglich bekommt Gosens deshalb beim abschließenden Nations-League-Spiel in England am Montag seine Chance. Womöglich kann er somit doch noch ernsthaft in den Kampf um einen WM-Startplatz als Linksverteidiger eingreifen. Auch auf der rechten Seite ist die Situation übrigens relativ unabsehbar. Zuletzt überzeugte kein Kandidat nachhaltig: weder der aktuell verletzte Lukas Klostermann, noch Benjamin Henrichs, Thilo Kehrer oder gegen Ungarn der offensiv effektivere Jonas Hofmann.

Robin Gosens Idol Christian Pander traf einst im Wembley

Eines haben all die anderen Außenverteidiger Gosens voraus: Erfahrung in der Bundesliga. Etwas, das Gosens trotz des gescheiterten Leverkusen-Wechsels irgendwann nachholen möchte, wie er bei jeder Gelegenheit betont. "Ich habe diesen großen Willen, das zu realisieren", sagte der 28-Jährige neulich. "Ich glaube, dass ich als deutscher Spieler, der in der Nationalmannschaft spielt und Auslandserfahrung hat, auch in Zukunft für viele Bundesliga-Klubs interessant sein kann."

Die Bundesliga sei darüber hinaus die einzige Liga, die Gosens "auch hier aus Italien heraus konstant guckt". In erster Linie verfolgt er selbstverständlich seinen Lieblingsklub FC Schalke 04, bei dem er als Kind einst vor allem von einem Spieler schwärmte: "Christian Pander war ein Idol für mich."

2007 absolvierte der glatzköpfige Linksverteidiger seine beiden einzigen Spiele für die deutsche Nationalmannschaft. Sein Debüt war gleichzeitig Deutschlands erster Auftritt im neuen Wembley Stadion: Dort, wo die DFB-Elf am Montag zu Gast ist, traf Pander 2007 mit seinem einzigen Länderspieltor per sensationellem Distanzschuss zum entscheidenden 2:1 gegen England.

Artikel und Videos zum Thema