Beim FC Bayern soll es zwischen Jerome Boateng und Sportvorstand Hasan Salihamidzic schon im Herbst 2018 zum Bruch gekommen sein. Doch als ein Jahr später Hansi Flick an der Seitenlinie übernahm, avancierte Boateng wieder zum Leistungsträger. Während sich Flick im Sommer zum DFB verabschiedete, wagte Boateng bei Olympique Lyon einen Neuanfang. Dass der 2014er Weltmeister ins DFB-Team zurückkehrt, ist nicht gänzlich ausgeschlossen - aber auch von verschiedenen Faktoren abhängig.
Für das modische Highlight - oder je nach Geschmack auch: Lowlight - sorgte bei Joachim Löws offizieller Verabschiedung in Wolfsburg Mats Hummels mit seinem weißen Mantel . Auch weil sich einer, der für seinen mitunter ausgefallenen Stil bekannt ist, eher im Hintergrund hielt: Jerome Boateng.
Der Weltmeister von 2014 fehlte beim Spalier auf dem Rasen, beobachtete aber später den 9:0-Sieg des DFB-Teams gegen Liechtenstein Seite an Seite mit seinem früheren DFB-Abwehrkollegen Hummels von der Tribüne aus. Und mit einem auffälligen bunten Hut setzte er dabei ebenfalls modische Akzente.
"Schönes Wiedersehen und ein gebührender Abschied in Wolfsburg", schrieb Boateng später auf Instagram und dankte dem früheren Bundestrainer: "Neun gemeinsame Jahre beim DFB-Team - wir haben viel zusammen erlebt. Danke für das Vertrauen und für die einzigartigen Momente, Jogi. Alles Gute für die Zukunft."
Zusammen mit Hummels und Thomas Müller wurde Boateng Anfang 2019 von Löw öffentlich ausgemustert. Aber während Hummels und Müller vor der EM begnadigt wurden, bestritt Boateng sein bislang letztes von 76 Länderspielen vor über drei Jahren, beim 0:3 gegen die Niederlande am 13. Oktober 2018. Eine Rückkehr war seither aber immer wieder mal ein Thema. Und zwar nicht nur, um modische Akzente zu setzen.
DFB-Team: Kontakt zwischen Flick und Boateng im Oktober Erst Anfang Oktober berichtete die Bild von einem Gespräch zwischen Löws Nachfolger Flick und Boateng . Demnach sollen sich beide einig gewesen sein, dass sich Boateng erst bei seinem neuen Klub Olympique Lyon einleben und außerdem seinen privaten Problemen widmen solle. Boateng war im September wegen einer vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 1,8 Millionen Euro verurteilt worden und ist in Berufung gegangen.
Rein sportlich wird es für den 33-Jährigen eine große Herausforderung, doch noch auf den WM-Zug aufzuspringen. Vor allem weil sich neben Abwehrchef Antonio Rüdiger Thilo Kehrer in der Abwehr unter Flick festgespielt hat. Zudem gilt je nach taktischer Grundordnung auch Niklas Süle als gesetzt, auch wenn der Bayern-Verteidiger vergangene Woche wegen eines positiven Coronatests vorzeitig abreisen musste.
Der schon zuvor nachnominierte Jonathan Tah gab beim 4:1 in Armenien nach einjähriger Abwesenheit sein DFB-Comeback und sammelte dabei durchaus Pluspunkte. Als weitere Kandidaten fürs Abwehrzentrum stehen Gladbachs Matthias Ginter und der zuletzt regelmäßig nominierte, aber noch auf sein Länderspieldebüt wartende Nico Schlotterbeck parat. Ganz zu schweigen von Hummels, der seit Sommer mit hartnäckigen Patellasehnenproblemen zu kämpfen hat, bei hundertprozentiger Fitness aber auch wieder eine Option für Flick darstellt.
Quali-Zeugnis: Löw-Liebling schwächelt - Sorgenkind jetzt Schlüsselfigur
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Die deutsche Nationalmannschaft hat sich mit 27 von 30 möglichen Punkten für die WM in Katar qualifiziert. Nach dem 4:1 in Armenien ist es an der Zeit, alle eingesetzten Spieler zu bewerten. Das Quali-Zeugnis von SPOX und GOAL.
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Tor - Manuel Neuer - Einsätze: 6 - Minuten: 540 - Kassierte in der Quali kein einziges Gegentor. Wirklich auszeichnen musste er sich in seinen Einsätzen aber auch nicht. Unter Flick ist und bleibt der Welttorhüter fest gesetzt. Note: 2.
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Tor - Marc-Andre ter Stegen - Einsätze: 3 - Minuten: 270 - Alle vier Gegentreffer musste der Schlussmann des FC Barcelona hinnehmen. Das war aber meist seinen Vorderleuen geschuldet. Einen Patzer leistete sich ter Stegen nicht. Note: 3,5.
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Tor - Bernd Leno - Einsätze: 1 - Minuten: 90 - Bekam seine Chance beim Flick-Debüt in St. Gallen gegen Liechtenstein und hielt die Null. Gefordert wurde der Arsenal-Keeper allerdings nicht. Note: 2,5.
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Abwehr - Lukas Klostermann - Einsätze: 5 - Minuten: 319 - In zwei Quali-Partien unter Löw von Anfang an gesetzt, musste sich Klostermann nach Flicks Ankunft meist mit der Bank begnügen. Wenn er zum Einsatz kam, überzeugte der Leipzig-Profi kaum. Note: 4.
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Abwehr - Niklas Süle - Einsätze: 5 - Minuten: 420 - Einer der Gewinner unter Flick. Süle überzeugte in jedem Einsatz nach dem Bundestrainer-Wechsel und dürfte, wenn er fit bleibt, im kommenden Jahr als Stammspieler nach Katar reisen. Note: 2.
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Abwehr - Matthias Ginter - Einsätze: 5 - Minuten: 377 - Löws Liebling betrieb in der Quali keine Werbung in eigener Sache. Unter Flick spielte er nur einmal von Anfang an - beim 4:1 gegen Armenien. Andere Akteure sind klar vor ihm. Note: 4.
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Abwehr - Antonio Rüdiger - Einsätze: 7 - Minuten: 630 - Kann auf ein fantastisches Kalenderjahr mit einigen Top-Leistungen im DFB-Dress zurückblicken. Besonders stark: sein 50-Meter-Pass zum 1:0 in Rumänien oder sein Kopfballtor in Island. Note: 1,5.
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Abwehr - Thilo Kehrer - Einsätze: 7 - Minuten: 605 - Noch so ein Spieler, den Flick wieder aufpäppelte. War in allen sieben Spielen unter dem neuen Coach von Beginn an mit dabei - und überzeugte mal als Innen-, mal als Linksverteidiger. Note: 1,5.
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Abwehr - Jonathan Tah - Einsätze: 1 - Minuten: 90 - Zeigte sich zuletzt bei Bayer Leverkusen stark verbessert und verdiente sich einen Einsatz beim Quali-Abschluss. Seine Leistung war gut, die Konkurrenz auf seiner Position ist aber enorm. Note: 3.
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Abwehr - Emre Can - Einsätze: 3 - Minuten: 270 - Verletzungsbedingt ohne einzigen Einsatz unzer Flick. In den drei Quali-Partien unter Löw agierte Can als Linksverteidiger - und machte seine Sache ordentlich. Auch er hat viel Konkurrenz. Note: 3,5.
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Abwehr - Robin Gosens - Einsätze: 3 - Minuten: 172 - Erlebte aus Quali-Sicht kein allzu überzeugendes und gutes Länderspiel-Jahr. Im Oktober zog er sich eine Oberschenkelverletzung zu, die ihn für die restlichen Länderspiele ausbremste. Note: 4.
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Abwehr - David Raum - Einsätze: 3 - Minuten: 187 - Ein Flick-Neuling für die linke Abwehrseite, der seine Sache beim 4:0 in Nordmazedonien sehr ordentlich machte, bei seinem zweiten Startelf-Einsatz gegen Armenien aber eher blass blieb. Note: 3,5.
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Abwehr - Christian Günter - Einsätze: 1 - Minuten: 90 - Beackerte beim 9:0 gegen Liechtenstein die linke Abwehrseite und wusste dabei durchaus zu gefallen. Dürfte für Flick mit Blick auf Katar eine weitere Alternative für die LV-Position sein. Note: 3.
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Mittelfeld - Jonas Hofmann - Einsätze: 7 - Minuten: 395 - Vom Reservisten unter Löw zur Stammkraft auf der rechten "Schiene" unter Flick. Kaum ein Akteur profitierte so von dem Trainerwechsel wie Hofmann. Gegen Armenien überragend. Note: 1,5.
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Mittelfeld - Ridle Baku - Einsätze: 3 - Minuten: 156 - Galt nach Flicks Ankunft als potenzieller Stammspieler, überzeugte aber nur bedingt und ließ sich von Hofmann den Rang ablaufen. Immerhin mit einer guten Leistung im vorletzten Spiel. Note: 3,5.
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Mittelfeld - Joshua Kimmich - Einsätze: 8 - Minuten: 683 - Zuverlässiger Leader und Spielgestalter im Zentrum. Verpasste die letzten beiden Spiele der Quali nur wegen des Corona-Wirbels um Niklas Süle. Flick baut fest auf Kimmich. Note: 2.
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Mittelfeld - Leon Goretzka - Einsätze: 9 - Minuten: 634 - Steuerte mit acht Torbeteiligungen einen wesentlichen Anteil zur erfolgreichen Quali bei. Bekam nur im letzten Spiel eine Verschnaufpause. Brutal wichtig für das DFB-Team. Note: 1,5.
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Mittelfeld - Ilkay Gündogan - Einsätze: 8 - Minuten: 586 - Revidierte nach Rücksprache mit Flick seine Rücktrittsgedanken und stellte in der Quali durchaus seinen Wert für die Mannschaft zur Schau. Erzielte fünf Tore. Note: 2.
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Mittelfeld - Florian Neuhaus - Einsätze: 5 - Minuten: 146 - Licht und Schatten, wie auch gegen Armenien, als er einen Elfmeter herausholte und einen verschuldete. Um sich der Konkurrenz zu erwehren, braucht Neuhaus im Verein mehr Spiele. Note: 3,5.
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Mittelfeld - Maximilian Arnold - Einsätze: 2 - Minuten: 56 - Nach Kimmichs Ausfall für die letzte Abstellungsperiode des Jahres nachnominiert, machte Arnold seine Sache solide. Eine WM-Teilnahme wäre trotzdem eine Überraschung. Note: 3.
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Mittelfeld - Julian Brandt - Einsätze: 1 - Minuten: 30 - Nach fast einem Jahr ohne Einladung von Flick reaktiviert, durfte Brandt beim Quali-Abschluss eine halbe Stunde mitwirken. Muss sich beim BVB für weitere DFB-Minuten empfehlen. Note: 3,5.
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Mittelfeld - Jamal Musiala - Einsätze: 6 - Minuten: 148 - Nicht nur die Zukunft, auch schon die Gegenwart, wie die Quali zeigte. Der 18-Jährige traf beim 4:0 in Nordmazedonien - sein erstes von wohl vielen Toren im Nationaldress. Note: 2.
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Mittelfeld - Florian Wirtz - Einsätze: 4 - Minuten: 76 - Noch so ein Hoffnungtsräger, der unter Flick aufblüht. Zwei Assists in 76 Minuten machen Lust auf mehr. Bitter: Wie Musiala verpasste auch Wirtz die letzten zwei Spiele in 2021. Note: 2,5.
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Mittelfeld - Amin Younes - Einsätze: 3 - Minuten: 39 - Feierte infolge eines Leistungshochs in Frankfurt sein DFB-Comeback in der Quali unter Löw, spielt nach einem Sommer zum Vergessen aber weder eine Rolle in seinem Klub noch beim DFB. Note: 4,5.
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Angriff - Karim Adeyemi - Einsätze: 3 - Minuten: 48 - Wurde erstmals von Flick zur A-Nationalelf geholt und beeindruckte mit einem Tor und einer Vorlage. Setzt er seinen Lauf fort, ist dem treffsicheren Adeyemi ein Kaderplatz für Katar sicher. Note: 2,5.
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Angriff - Marco Reus - Einsätze: 4 - Minuten: 248 - Wie Gündogan bewegte Flick auch Reus zum Weitermachen - und der zahlte das Vertrauen des Bundestrainers mit sechs Scorerpunkten in vier Quali-Einsätzen zurück. Katar calling! Note: 2.
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Angriff - Kai Havertz - Einsätze: 8 - Minuten: 489 - Spielte mit zwei Toren und drei Assists eine ordentliche Quali. Hinterließ aber auch häufig den Eindruck, noch beständiger in seinen Leistungen werden zu können. Note: 3.
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Angriff - Thomas Müller - Einsätze: 4 - Minuten: 252 - Griff erstmals im Oktober in die Quali ein, war mit seinem Siegtor zum 2:1 über Rumänien aber sofort zur Stelle und sammelte in seinen übrigen drei Einsätzen fünf weitere Torbeteiligungen. Note: 2.
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Angriff - Leroy Sane - Einsätze: 9 - Minuten: 682 - Blühte unter Flick grandios auf und avancierte zu einem der wichtigsten, wenn nicht sogar dem wichtigsten Spieler des DFB-Teams auf dem Weg nach Katar. Note: 1,5.
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Angriff - Serge Gnabry - Einsätze: 8 - Minuten: 577 - Mit einer Ausbeute von fünf Toren gemeinsam mit Werner der treffsicherste Quali-Angreifer der Deutschen. Überragend: sein Auftritt beim 6:0 gegen Armenien. Note: 1,5.
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Angriff - Timo Werner - Einsätze: 8 - Minuten: 470 - Auch dem Chelsea-Stürmer tat der Trainerwechsel gut. Seine fünf Quali-Treffer markierte Werner allesamt unter Flick. Spielerisch hapert es aber nach wie vor. Note: 2,5.
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Angriff - Kevin Volland - Einsätze: 2 - Minuten: 44 - Noch ein nachnominierter Spieler, der in den letzten zwei Quali-Spielen noch einmal jeweils zu einem Kurzeinsatz kam. Eine WM-Teilnahme wird für Volland schwierig. Note: 3,5.
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Angriff - Lukas Nmecha - Einsätze: 2 - Minuten: 74 - Wurde nach zuletzt guten Leistungen in Wolfsburg erstmals zur A-Nationalelf eingeladen. Bitter, dass er bei seinem Debüt gegen Liechtenstein den Pfosten traf. Note: 3.
FC Bayern: Boateng bekam unter Flick "faire Chance" Komplett zu ist die Tür für Boateng nicht, zumal Flick als großer Fan des gebürtigen Berliners gilt. Schließlich blühte der 2014er Weltmeister unter ihm in seinen letzten beiden Jahren beim FC Bayern nochmals auf. Er habe unter Flick "eine faire Chance bekommen. Eine, bei der es um Leistung geht", sagte Boateng in einem Sport1 -Interview im September.
Auch vor seinem Wechsel nach Frankreich holte sich Boateng demnach Rat bei Flick. "Das mache ich aber immer, weil ich zu Hansi schon immer ein gutes Verhältnis habe", berichtete Boateng von dem Austausch: "Er hat mir gesagt, dass ich die Entscheidung allein treffen muss und am Ende auf mein Bauchgefühl und mein Herz hören soll."
In Lyon war die Verpflichtung Boatengs an hohe Erwartungen geknüpft. Und nachdem er seinen Fitnessrückstand zu Saisonbeginn aufgeholt hat, füllt Boateng im Team von Ex-BVB- und -Leverkusen-Trainer Peter Bosz mittlerweile die Rolle des Abwehrchefs aus. In seinen acht Einsätzen in der Ligue 1 kommt er dabei auf eine gute Passquote von 86,1 Prozent und eine ordentliche Zweikampfquote von 60,7 Prozent. Allerdings kassierte er vor der Länderspielpause mit OL beim 1:4 bei Stade Rennes eine heftige Abreibung und rutschte auf Platz sieben ab.
"Halt die Fresse!" Wie es zum Bruch zwischen Boateng und den Bayern kam
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Jerome Boateng sammelte in zehn Jahren FC Bayern viele Titel, aber auch eine Menge Kritik und war in den einen oder anderen Eklat involviert. SPOX zeigt zum 34. Geburtstag des Ex-Nationalspielers am 3. September chronologisch auf, wie es zum Bruch kam.
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23. November 2016: Der FC Bayern blamiert sich am 5. Spieltag der CL-Gruppenphase in Rostow bis auf die Knochen und verliert mit 2:3. Boateng unterlaufen dabei zwei entscheidende Fehler, nach 60 Minuten muss er verletzt ausgewechselt werden.
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Bayerns Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge spart anschließend nicht mit Kritik an der schwachen Defensive. "Wenn man gegen so eine Mannschaft drei Gegentore kassiert, dann hat man es auch nicht verdient, zu gewinnen", sagt er …
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… und nahm sich besonders Abwehrchef Boateng zur Brust: "Er muss wieder ein bisschen mehr zur Ruhe kommen. Seit dem Sommer ist mir das ein bisschen zu viel. Es wäre im Sinne von ihm und des ganzen Klubs, wenn er mal wieder back to earth kommt."
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Rummenigge meinte damit besonders Boatengs zahlreiche Ausflüge in die Lifestyle- und Modebranche, die nach der EM zugenommen hatten. Eine Kritik, die der Innenverteidiger so nicht stehen lassen wollte.
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"Die Kritik an meiner Leistung ist berechtigt. Ich habe nicht gut gespielt. Das liegt auch daran, dass ich nach meiner Verletzung von der EM und dem späten Einstieg in die Vorbereitung noch nicht wieder bei hundert Prozent bin", sagte Boateng.
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Er schränkte jedoch ein und konterte Rummenigge: "Der Grund dafür sind aber nicht irgendwelche PR- oder Lifestyle-Termine. Wer mich kennt, weiß, dass ich immer alles tue, um in Top-Form zu sein."
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27. November 2016: Bei einem Fanklub-Treffen in Babenhausen nach dem 2:1-Sieg gegen Leverkusen legte Boateng noch einmal gegen Rummenigge nach: "Darüber kann ich nur lachen. […] Das nächste Mal kann er mir das auch ins Gesicht sagen."
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13. Juni 2018: Kurz vor WM-Start erteilte Rummenigge dem offenbar abwanderungswilligen Defensivspieler in aller Öffentlichkeit eine Freigabe: "Wenn ein Verein kommt und er kundtut, dass er zu diesem Verein wechseln möchte, werden wir uns damit befassen."
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14. Juni 2018: Auf einer PK wurde Boateng auf die Rummenigge-Aussagen angesprochen und reagierte genervt. Alles abseits der WM interessiere ihn nicht, erklärte Boateng und ergänzte vielsagend: "Ich weiß auch nicht, warum diese Aussagen getätigt wurden."
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Anschließend erlebte Boateng mit der Nationalmannschaft ein historisches WM-Debakel. Im letzten Gruppenspiel gegen Südkorea musste er gesperrt zuschauen, trug dabei Ohrringe und Sonnenbrille. Für sein extravagantes Outfit hagelte es Kritik.
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18. September 2018: Auf einen geplatzten PSG-Wechsel (wird später noch Thema) folgte ein Aufsehen erregendes Interview von Boateng in der Süddeutschen Zeitung, in dem er Rummenigge und Hoeneß scharf kritisierte.
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"Mir ist es wichtig, noch mal klarzustellen, dass ich voll auf den FC Bayern fokussiert bin. Und dass ich es andererseits aber auch nicht schön finde, wenn Sachen über mich behauptet werden und man dann keine Unterstützung vom Verein bekommt."
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Boateng ließ anklingen, dass Hoeneß und Rummenigge ihm aufgrund seines Lebensstils vorwerfen, nicht fokussiert zu sein. Er werde daher zeitnah das Gespräch mit den beiden Granden der Bayern suchen, erklärte der Innenverteidiger.
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"Was mich wahnsinnig gestört hat, waren Aussagen nach der WM. Das war fast schon lustig: Da hieß es, ich sei nicht voll fokussiert, weil ich beim Südkorea-Spiel auf der Tribüne Ohrringe und Sonnenbrille trage, wenn die Sonne scheint", sagte Boateng.
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19. September 2018: Der FCB gewinnt in der Champions League bei Benfica Lissabon mit 2:0. Es war das wohl beste Spiel von Renato Sanches im Bayern-Trikot, doch hinterher dominierte thematisch besonders der Zwist zwischen Boateng und der Bayern-Führung.
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Rummenigge bezeichnete Boateng nach dem Spiel als "bunten Vogel" und schob die Kritik des Abwehrhünen beiseite: "Ich glaube, die Problematik hat nichts mit dem FC Bayern zu tun, sondern mit dem DFB."
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"Ich habe grundsätzlich kein Problem damit, wenn ein Spieler mal meint, er müsste was Kritisches in Richtung Uli Hoeneß und mir sagen. [...] Wir haben eine Pressefreiheit, die nicht in Frage gestellt wird", führte Rummenigge aus.
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23. Oktober 2018: Im Vorfeld des dritten CL-Gruppenspiels bei AEK Athen kam es angeblich zum Eklat zwischen Boateng und Sportdirektor Hasan Salihamidzic. Zumindest behauptete das Bild-Reporter Christian Falk in seinem Buch "Bayern-Insider".
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"Du hast mir gar nichts zu sagen! Halt die Fresse!", soll Boateng Salihamidzic zugebrüllt haben, weil dieser sich in Startelf-Diskussionen einmischen wollte. Der damalige Bayern-Trainer Niko Kovac hatte Mats Hummels und Niklas Süle den Vorzug gegeben.
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Ein weiterer Hintergrund des Eklats laut "Bayern-Insider": Boateng habe Salihamidzic vorgeworfen, dass er ihn im WM-Sommer hatte verkaufen wollen - so wie es bereits Rummenigge öffentlich angedeutet hatte.
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Pikant war dabei, dass Boateng selbst einem Wechsel offenbar nicht abgeneigt war. Im Buch des Bild-Reporters ist von zwei Geheimtreffen zwischen Boateng und dem damaligen PSG-Trainer Thomas Tuchel Anfang Mai und am 7. Juni die Rede.
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Boateng und Tuchel seien sofort auf einer Wellenlänge gewesen, beide hätten das Gespräch mit dem Gefühl verlassen, nach der WM in Paris zusammenzuarbeiten. Der Transfer platzte, weil PSG-Sportdirektor Henrique wohl zu spät und zu wenig für Boateng bot.
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28. März 2019: Der FC Bayern befindet sich im Meisterschaftskampf mit dem BVB, hat vor dem direkten Duell am 6. April noch zwei Punkte Rückstand. Franck Ribery postet via Social Media eine Einladung zu einer von Boateng angesetzten Party im P1.
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Pikant: Die Party zur Feier der zweiten Ausgabe seines Lifestyle-Magazins BOA fand nur ein paar Stunden nach dem Topspiel gegen den BVB statt. Erneut erntete Boateng dafür Kritik, dieses Mal von Trainer Kovac und Sportdirektor Salihamidzic.
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"Ich persönlich hätte diese Party nicht angesetzt", sagte Kovac. "Das würde ich als Spieler nicht machen. Besonders wenn man so ein Spiel hat. Man weiß nicht, wie das Spiel ausgeht. Ich hätte ihm davon abgeraten", sagte Salihamidzic.
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6. April 2019: Der FC Bayern fegt mit 5:0 über den BVB hinweg und setzt sich an die Tabellenspitze. Boateng schmort wie so oft in der Rückrunde 90 Minuten auf der Bank. Süle und Hummels sind in der Innenverteidigung mittlerweile gesetzt.
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19. Mai 2019: Der FC Bayern wird am 34. Spieltag Meister. Boateng spielte dabei nur noch eine Nebenrolle, machte nur noch zwei der letzten sieben Saisonspiele. An der Meisterfeier auf dem Rasen nahm er nicht teil und verschwand schnell in der Kabine.
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Auch am Abend bei der traditionellen Meisterfeier am Nockherberg war Boateng nicht bei der Mannschaft. Laut Bild soll er in Absprache mit dem Klub die Hochzeit seines besten Freundes besucht haben.
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25. Mai 2019: Der FC Bayern macht in Berlin im Pokalfinale gegen Leipzig (3:0) das Double perfekt. Boateng sitzt erneut 90 Minuten auf der Bank. Gleich nach der Pokal-Übergabe verschwindet er in den Katakomben und feiert erneut nicht mit der Mannschaft.
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26. Mai 2019: Der scheidende Präsident Uli Hoeneß schaltet sich in die schwelende Boateng-Debatte ein und bezeichnet ihn als "Fremdkörper", dem er "als Freund" empfehle, "sich einen neuen Verein zu suchen".
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30. Mai 2019: Vier Tage nach der Hoeneß-Aussage geht Boateng erneut an die Presse und gibt dieses Mal dem kicker ein ausführliches Interview. Darin kritisiert er die Vereinsführung erneut und auch Trainer Kovac kommt nicht gut bei Boateng weg.
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"Ich war mit dem Kopf schon weg. Wenn du eine so sichere Zusage bekommst und eine adäquate Summe bezahlt wird, es plötzlich aber Nein heißt, bricht etwas in dir zusammen", sagt Boateng über den von Bayern-Seite verweigerten PSG-Wechsel 2018.
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Und über Kovac? Bei dem habe er in der Rückrunde "unfairerweise" zu oft auf der Ersatzbank gesessen. "Da konnte ich mich auf den Kopf stellen und gut spielen", sagt er, "ich war trotzdem raus in gewissen Spielen."
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Zu den Hoeneß-Aussagen sagt Boateng außerdem: "Ich werde hier bestimmt nicht wegrennen. Situationen verändern sich schnell." Damit sollte er rückblickend recht behalten.
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2. September 2019: Boateng erhält die Erlaubnis, mit Juventus zu verhandeln. Die Unterredungen scheitern jedoch und Boateng bleibt beim FC Bayern.
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2. November 2019: Boateng erweist dem angezählten und seinerseits ungeliebten Kovac einen Bärendienst. Im Spiel bei Eintracht Frankfurt fliegt Boateng nach neun Minuten mit Rot vom Platz, der FCB wird mit 1:5 abgeschossen - und Kovac entlassen.
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Nach dem Kovac-Aus und den Verletzungen von Süle und Hernandez ist Boateng unter Hansi Flick im Laufe der Saison wieder gesetzt. Vor der Corona-Pause fehlt er in der Rückrunde in der Bundesliga nur einmal gelbgesperrt und überzeugt auf ganzer Linie.
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1. April 2020: Boateng fährt ohne Erlaubnis des Vereins und entgegen der vom Klub aufgrund der Coronakrise verhängten Verhaltensrichtlinien für Spieler zu seinem erkrankten Sohn nach Berlin. Auf der Rückfahrt setzt er seinen Mercedes in die Leitplanke.
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2. April 2020: Der FC Bayern verhängt "als Konsequenz für diese Zuwiderhandlung" eine Geldstrafe gegen Boateng, die an Münchner Krankenhäuser gespendet wird. Der 31-Jährige reagiert mit Unverständnis.
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"Ich möchte den Vater sehen, der in so einem Moment nicht losfährt, um an der Seite seines vierjährigen Sohnes zu sein. Wenn es dafür dann eine Strafe gibt, dann Respekt. Ich finde das traurig", erklärt Boateng.
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12. November 2020: Boateng hat zurück zu alter Stärke gefunden, war wichtiger Baustein in der Innenverteidigung beim Triple-Sieg, Stammspieler unter Flick. Vieles spricht für eine Verlängerung seines Vertrags, doch es kommt nicht dazu.
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Nachdem Boateng wochenlang klar signalisiert hatte, sich eine Vertragsverlängerung beim FCB über 2021 zu angeblich gleichen Bezügen (12 Mio. pro Jahr) vorstellen zu können, berichtet die Bild-Zeitung im November, dass der FCB ohne Boateng ab 2021 plane.
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Das ist in erster Linie erstmal keinen Aufschrei wert, allerdings hatte die Bild-Zeitung das berichtet, bevor irgendjemand vom deutschen Rekordmeister Boateng oder seinen Berater in dieser Sache informiert hatte.
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Dementsprechend "überrascht" zeigt sich die Boateng-Seite bezüglich der Berichterstattung über die angeblich finale Entscheidung der Bayern-Bosse gegen den Innenverteidiger. "Mit mir hat keiner gesprochen", stellt Boateng in der SZ klar.
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21. November 2020: Kurz nach dem aufsehenerregenden Bild-Bericht nimmt Sportvorstand Salihamidzic Stellung, kündigt Gespräche mit Boateng und dessen Management zu einem "vernünftigen Zeitpunkt" an, um zu einer "fairen Entscheidung" zu kommen.
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25. November 2020: Bayern-Vorstand Kahn betont, dass man "natürlich in Kontakt mit Jerome" stehe. "Wir alle wissen, was er geleistet hat für den FC Bayern und was wir an ihm haben", sagt der ehemalige Welttorhüter bei Sky.
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22. Januar 2021: Boateng ist nach wie vor Stammkraft unter Flick, der ihn regelmäßig lobt und in Richtung Vertragsverlängerung redet: "Es ist klar, dass wir uns zusammensetzen, das Ganze noch mal analysieren. Er ist ein Spieler, der uns immer gut tut."
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24. Januar 2021: Die Bayern gewinnen auf Schalke mit 4:0. Nach der Partie wird Thomas Müller auf die unklare Boateng-Zukunft angesprochen: " Jerome ist schon lange an meiner Seite und es schadet nichts, wenn er noch länger auf mich aufpasst."
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30. Januar 2021: Boateng trifft vor den Augen von Bundestrainer Löw beim 4:1-Sieg über Hoffenheim. Flick äußert sich erneut: "Wir setzen uns in Ruhe und rechtzeitig zusammen, um den Kader für die nächste Saison zu planen. Wir warten jetzt erstmal ab."
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15. Februar 2021: Die Bayern verkünden den Transfer von Dayot Upamecano für den kommenden Sommer, er soll David Alaba ersetzen, dessen ablösefreier Abschied ebenfalls feststeht. Upamecano ist Rechtsfuß wie Boateng, damit potenziell direkter Konkurrent.
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10. März 2021: Nach wie vor soll es nach Sport-Bild-Angaben keine Gespräche zwischen der Boateng-Seite und dem FCB geben. Der 32-Jährige sei darüber "enttäuscht", genau wie über die Tatsache, dass der Klub trotz guter Leistungen nicht mehr mit ihm plane.
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Boateng fühle sich nicht wertgeschätzt, heißt es in dem Bericht weiter, einige Top-5-Klubs aus England und Italien sollen an einer Verpflichtung interessiert sein. Es bahnt sich ein Ende der komplizierten Beziehung zwischen Boateng und den Bayern an.
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31. März 2021: Boateng wird in seinem Gefühl der geringen Wertschätzung seitens des Vereins noch einmal bestätigt. In der Diskussion um eine Rückkehr ins DFB-Team von ihm, Müller und Hummels, votiert Bayerns Ehrenpräsident Hoeneß gegen den 32-Jährigen.
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Hoeneß sagt in seiner Rolle als TV-Experte bei RTL: "Ich würde ihn nicht mit zur EM nehmen." Anders bewertet er ein Nationalmannschaftscomeback von Hummels und Müller, die nach Hoeneß' Meinung mitfahren müssten.
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Aussagen, die besonders Flick verwundern. Der betonte, dass er es eigentlich vom FCB gewohnt sei, dass der Klub "seine Spieler immer unterstützt". Damit kritisierte er indirekt Hoeneß' Umgang mit Boateng und widersprach dem Ehrenpräsidenten deutlich.
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Außerdem machte er nochmals deutlich, welchen Stellenwert Boateng bei ihm hat. Boateng sei "einer der Garanten" für den Gewinn des Sextuples gewesen, habe "hart an sich gearbeitet, um wieder auf dieses Niveau zu kommen. Er kann jeder Mannschaft guttun".
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5. April 2021: Wie der kicker berichtet, habe der Bayern-Aufsichtsrat "kürlich den definitiven Beschluss gefasst", dass Boatengs Vertrag nicht mehr verlängert werde. Dieses Mal sei dies auch bereits dem Berater des Innenverteidigers mitgeteilt worden.
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6. April 2021: Flick wirkt überrascht vom Boateng-Aus: "Ich weiß nicht, ob ich alles kommentieren muss, was in den Medien steht. Ich lasse es einfach mal so stehen. Ob das stimmt oder nicht, wird sich in den nächsten Wochen zeigen."
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7. April 2021: Salihamidzic bestätigt vor dem Viertelfinal-Hinspiel in der Champions League gegen PSG Boatengs Abschied im Sommer. "Ich habe mit ihm gesprochen, er hat das verstanden", sagt der Sportvorstand zu Sky.
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"Er wird durch das große Tor gehen", sagt Salihamidzic, während Sky-Experte Lothar Matthäus befindet, Boateng habe einen würdigeren Abschied verdient.
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13. April 2021: Der FC Bayern scheidet unglücklich im Viertelfinale gegen PSG aus. Beim 1:0-Sieg in Paris spielt Boateng phasenweise überragend und eines Abwehrchefs würdig (SPOX-Note 1,5).
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14. April 2021: Ein Sport-Bild-Bericht legt nahe, dass Salihamidzic bei der Verkündung des Boateng-Abschieds im Sommer auf eigene Faust und entgegen einer Absprache zwischen ihm, Rummenigge und Boateng gehandelt habe.
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In der im November 2021 erschienen Amazon-Doku über den FC Bayern bezeichnet Salihamidzic etwaige Behauptungen als "Schwachsinn": "Bei Bayern München entscheiden wir in der Gruppe, nicht nur eine Person."
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22. Mai 2021: Beim 5:2-Sieg über den FC Augsburg am 34. Spieltag der Saison 20/21 macht Boateng sein 363. und letztes Pflichtspiel für die Bayern. Seine Bilanz: 9 Meisterschaften, 2 CL-Titel, 2 Klub-WM-Titel und 5 Pokalsiege.
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1. September 2021: Boateng unterschreibt bei Olympique Lyon einen Vertrag bis 2023. Die Art und Weise seines Abschieds vom FCB hat er aber offenbar immer noch nicht ganz verwunden.
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"Zehn Jahre, kann man mal so machen. Ich finde es ein bisschen unglücklich und die Art und Weise geht sicherlich auch besser, aber so ist das", sagt er in der Amazon-Doku. Kaum ein Satz steht sinnbildlicher für die komplizierte Boateng-FCB-Beziehung.
Boateng bei Lyon Abwehrchef - aber zuletzt in der Kritik Auch Boateng, der wie seine Teamkollegen keinen guten Tag erwischte, wurde anschließend medial kritisiert . "Er stand neben sich und spielte wie ein Geist", schrieb die Zeitung L'Equipe über Boatengs Auftritt. Er sei wie seine Mitspieler von Rennes' "Dynamik und Aggressivität überwältigt" gewesen.
Boateng gab sich nach der Klatsche kämpferisch. "Das ist überhaupt nicht die Art und Weise, wie wir die Länderspielpause verbringen wollten", schrieb er auf Französisch auf Instagram. "Wir müssen wachsen und als Team zusammenhalten und hart arbeiten, um auf dem Platz unsere Leistung zu bringen. Ich glaube an die Stärke dieses Teams und der Spieler, aber wenn wir nicht in jedem Spiel 100 Prozent geben, wir es schwierig, unsere Ziele in der starken Ligue 1 zu erreichen."
Boateng will bei OL vorangehen. Und wenn es ihm gelingt, konstant seine Leistung abzurufen, könnte sich vielleicht auch die Tür zur Nationalmannschaft wieder etwas weiter öffnen.
Jerome Boateng: Leistungsdaten für Lyon in dieser Saison Wettbewerb Spiele Minuten Tore Assists Ligue 1 8 / 9 581 / 990 - - Europa League 2 / 4 134 / 360 - 1